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Internationale Sammler-Zeitung. 
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Hinsicht bemerkenswert. — ferner ein „Buttenmann“, 
Silber oergoldet, mit der Butte auf dem Rücken, den 
Hammer in der Rechten, einen Becher in der Linken, auf 
rundem ornamentalem Sockel, mit Wappen und Inschriften, 
eine nürnberger Arbeit des 17. Jahrhunderts. Endlich 
möge der prächtige Hochzeitsbecher in Gestalt einer frau 
heroorgehoben sein; das Kostüm des 17. Jahrhunderts ist 
reich ornamentiert mit getriebener und gepunzter Arbeit. 
Kopf, Hals, Krause und Hände sind Silber, das übrige 
oergoldet. ln den erhobenen Händen trägt sie an Ästen 
die halbkugelförmige, reich ornamentierte Cupa. Am Rande 
des Rockes steht die Inschrift: „Wer daraus trincket Bier 
oder Wein, der gedenck alzeit in Besten mein.“ .. 
Hieran roollen toir einige oorzügliche HoIzschnitjer- 
eien anreihen. Zunächst eine llladonna mit Kind, 
das Werk eines niederrheinischen, roohl kölnischen Uleisters, 
oon prächtigem Schöning der Linien und überaus roeich 
und oornehm im reichen faltenrourf des Gemandes. 
Auf der Rückseite ist das JTlonogramm A. D. eingeschnitten, 
ferner ermähne ich zroei herrliche französische Reliefs in 
mattem Buchsholz, Arbeiten oon entzückender feinheit in 
den reich beroegten Gruppen, der Landschaft, der Perspek- 
tioe. Die eine stellt die Auffindung lllosis, die andere den 
Zug durchs Rote LlJeer dar. 
Besonders reich ist die Sammlung an Glfenbein- 
arbeiten oon deutschen, olämischen und italienischen 
meistern, in der ITlehrzahl aus dem 17. Jahrhundert 
stammend: Krüge mit figuralem Schmuck in Relief, Gruppen 
oon frauen und Llymphen, ITleergottheiten, Kriegern, 
Puloerflaschen mit Jagdszenen etc. — Gndlich sei mit 
geteilt, dalj auch zahlreiche roertoolle ITliniaturen oon 
französischen und englischen Künstlern sich in der Samm 
lung finden. 
Indem ich die Schilderung der entzückenden Garten 
salons mit reichem Blumenschmuck, mit Reliefs oon Rafael 
Donner, eines mit llJobiliar, das zum Teil aus dem 
einstigen Besil3 der Königin AJarie Antoinette stammt, mit 
guten ungarischen ITlarktmotioen oon Pettenkofen etc. 
einer späteren Gelegenheit oorbehalte, will ich nun einen 
der interessantesten Räume des Palais beschreiben, den 
Prudhon-Saal, Der im Louis XVI.-Stil, roeil) mit goldenen 
umrahmenden Ornamenten gehaltene Raum enthält in den 
hohen Wandfeldern und über den Türen dekoratioe Gemälde 
des erst in jüngster Zeit roieder zur gebührenden Würdi 
gung erhobenen Pierre Paul Prudhon (1758—1823) und 
seiner Schülerin und Geliebten Constance LTlayer. Von 
der Existenz dieser Gemälde ist bisher in der Öffentlichkeit 
so gut toie nichts bekannt. Als ich oor einigen Jahren 
Herrn ITleyer-G raefe, dem geistoollen Autor der „Gnt- 
roicklungsgeschichte der modernen ITlalerei“ und speziellen 
Kenner der französischen Kunst gelegentlich oon diesen 
Arbeiten Prudhons Grroähnung machte, äufjerte er den leb 
haften Wunsch, die Bilder zu sehen, Photographien zu 
erhalten und genaueres über die Gntstehung zu erfahren. 
Prudhon toird, roie enoähnt, oon den neueren Kunstkennern 
und Historikern besonders hoch gestellt. Gr mar der einzige, 
der neben Daoids hartem strengen männlichen Stil der 
Gmpirezeit die roeiche toeibliche zarte Seite der französischen 
Kunst aus dem Rokoko hinüberrettete ins 19. Jahrhundert, 
in die Alalerci der Romantik. Prudhons schcoärmerischer 
Geist oermochte seine Llahrung nicht allein aus der kühlen 
Gröfje der Antike zu ziehen, sondern er fühlte sich gerade 
zu jenen meistern hingezogen, die - roie Corregio und 
Watteau — der Antike am fernsten stehen. Das macht 
seine mythologischen und allegorischen Darstellungen, roie 
die berühmte „Gntführung der Psyche“ im Louore so an 
ziehend und sympathisch. Da sich die Kunstfreunde und 
die Wissenschaft oon Jahr zu Jahr mehr mit diesem oor- 
nehmen Künstler beschäftigen, der inmitten einer tendenzi 
ösen und oft brutalen Produktion der Llach-Reoolutionszeit 
die feinsten koloristischen und seelischen Grrungenschaften 
des 18. Jahrhunderts festzuhalten und an dem Geiste der 
Antike zu oeredeln bestrebt roar, so roürde die Publikation 
dieses Rothschild’schen Salons besonderes Interesse er- 
roecken. Was in französischem Prioatbesitj oerborgen roar, 
rourde in den letzten Jahren fast oollständig oeröffentlieht. 
Die Zeitschrift „Les Arts“ hat in mehreren Heften eine 
Anzahl oon Gemälden Prudhons, soroie seiner schönen 
freundin und congenialen Schülerin Hille. Constance lllayer 
aus oerschiedenen Sammlungen, besonders aus der Kollek 
tion Alexis Rouart, publiziert. — Auch die Wandfüllungeri 
und Supraporten im Palais Rothschild sind charakteristische 
schöne Werke dieses Illeisters. Die oier Höhenbilder, 
roeiche die Kunst, die Illusik, die freuden des Reichtums 
und die der Liebe darstellen, und die drei Quergemälde 
über der Tür, dem Spiegel und dem feilster, roeiche in 
matten farbtönen, in der Art oon Grisaillen und in relief 
artiger Wirkung jedes eine liegende frauengestalt, die eine 
schlafend, eine andere lesend und die dritte sich schmückend 
zeigen, oermeiden mit größter feinheit die frioolität des 
Rokoko, roie die pathetische Pose des Klassizismus. Welcher 
Adel in der Zeichnung, roeiche Delikatesse in den Be 
wegungen, im Kolorit! Wohl haben auch deutsche und 
österreichische Künstler des 19. Jahrhunderts einen oer- 
roandten Stil dekoratioer ITlalerei aufzuroeisen, doch erreicht 
keiner, auch Ra hl nicht, den französischen ITlaler an Grazie 
der Komposition, an Lloblesse des Tons. 
ln eine frühere Zeit der französischen Kunst, in die 
Blütezeit des galanten Rokoko, fühlen roir uns oersetjt, 
roenn roir das Arbeitszimmer, die Bibliothek und den 
Schlafraum im ersten Stockroerk betreten. Vor allem das 
berühmte Gemälde oon Boucher, welches die LTlarquise 
Pompadour als Göttin darstellt, die schönen Gobelins und 
die beiden Gemälde fragonards „La bascule“ und 
,, I Lescarpolette“ gehören zu den schönsten Produkten jener 
Gpoche. ITlit dem letzteren Bilde hatte fraganard (1737 
bis 1806) bekanntlich seine eigene Position geschaffen. 
Gs ist aus Kupferstich-Reproduktionen bekannt, rourde 
übrigens auch oom ITleister in mehrfachen Varianten 
wiederholt. Virgile Jösz erzählt über dieses Bild: „Gs 
roar im Jahre 1 763, als der Baron Saint Julien den jungen 
begabten ITlaler, der den Liebesszenen Watteau's und 
Lanerets eine neue flöte geben sollte, aufforderte, ihn in 
seiner petite maison zu besuchen. Gr stellte ihn seiner 
freundin ITladame de la Tour du Pin oor und eröffnete 
dem Künstler seine Absicht: Ich möchte, dafj Sie ATadanie 
malen, und zroar auf der Schaukel sitjend. mich stellen 
Sie so, dafj ich die fiilje der Schönen sehe, — oielleicht 
auch mehr, roenn Sie mich besonders erfreuen roollen!“ 
— Sa entstand das Gemälde „Les hazards heureux de 
l’esearpolette“, oon dem eine Variante sich jetjt in der 
Wallace-Kollektion befindet; es gefiel so sehr, dafj weitere 
Bestellungen folgten, die sich in der Sammlung des Herzogs 
oon Polignac, bei Gdmond Rothschild in Paris und in 
der in Rede stehenden Wiener Sammlung finden, „fragonard 
hatte damit seinen Beruf entdeckt: Les surprises d’amour 
sind sein unerschöpfliches Thema geworden.“ 
Die Vorliebe für die Kunst frankreichs, die ja bis 
auf den heutigen Tag die führung der gesamten Kunst- 
beroegung behalten hat, spricht sich auch in der plastischen 
Ausschmückung der gartenseitigen fa^ade und der herr 
lichen, roeiten Liberblick gewährenden Gartenterrasse aus. 
Rechts erblicken roir an der Litauer eines Wirtschafts 
gebäudes einen figurenreichen grofjen Wandbrunnen, ein 
Werk des zeitgenössischen Pariser Bildhauers Chapu, dessen 
„Jeanne d’Arc“ im Luxembourg, die „Huldigung der 
Jugend“ (Grabdenkmal für Henri Regnault) wegen ihrer
	        
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