Internationale
$amm\er-Zettm&
Zentralblatt für Sammler, Oebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: llorbert Ehrlich und J. Hans Prosl.
2. Jahrgang.
Wien, 1. April 1910.
Hummer 7.
Snob als 5ammler.
Von Ceopold Cipschüfj (Wien).
oder
n Berlin W. lebt ein Bankier, der so ziemlich
alles hat, toas das Herz eines Börsenmillionärs
erfreut: eine geschmacklose Villa im Tiergarten-
oiertel und ein Automobil mit zahllosen Pferde
kräften, den Kommerzienratstitel und eine frische
Religion. Den Flamen dieses Bankiers möchte
ich aus zroe Gründen nicht oerraten. Erstens
coeil ich diskret bin und zmeitens toeil ich
ihn nicht mehr roeifj. Eines Tages kam nun
dieser namenlose Bankier auf den Gedanken,
die Überschüsse seines Reichsbank-Kontos in
alten meistern anzulegen. Er lief; an die ge
schmacklose Villa einen stilroidrigen Seitentrakt
anbauen und machte sich dort seine Galerie.
Sie courde ein Rendezoous der ber< uschendsten
Hamen Wohin man auch blickte, ein Velasquez
ein Ribera, ein Rembrandt oder ein Tintoretto.
lüehr als eine grofje Börsenhausse hatte sich in alte be
malte Ceinroand umgeroandelt. Die Galerie roar der Stolz
des Bankiers und er kannte es sich nicht oersagen, selbst
den Eicerone zu machen, roenn er Gäste bei sich hatte.
Unter den Geladenen befand sich einmal auch ein lllünchener
Kunstprofessor, der als Bilderkenner eine Autorität ist.
Schtoeigend ging der neben dem gesprächigen Hausherrn
durch den roeiten Saal und so sehr auch der Bankier
einen Ausruf der ßetounderung oder roenigstens eine zu
stimmende Bemerkung prooozierte, der Professor blieb
stumm. Endlich rifj dem Bankier die Geduld und er rief
aus: „So sagen Sie mir doch Ihr Urteil, toas halten Sie
oon meiner Galerie?“ Darauf der Professor mit lakonischer
Trockenheit: „Da Sie es denn durchaus missen roollen,
Verehrtester, in dieser ganzen Sammlung sind Sie das
einzige Original!“
Diese kleine Geschichte mag als Beroeis dafür gelten,
in roelch’ lächerlicher Weise der Snobismus die edle Kunst
des Sammelns auffafjt. Ulan kauft byzantinische Skara-
bäen, egyptische FRumien, römische Helme und maurische
Brokate nach dem Duzend, man oersorgt sich mit dem
nötigen Hausbedarf an JTlittelalter oder Renaissance aus
dem nächsten Faden und man erroirbt „Unica“, dieinlTlassen
erzeugt roerden. Der Handel mit funkelnagelneuen Alter
tümern ist denn auch ein sehr schrounghafter und man
kann es der Kunstindustrie nicht einmal oerdenken, dafj
sie das Publikum täuscht, da das Publikum durchaus ge
täuscht sein roill. Es gibt nun einmal Feute, die nicht
gut schlafen, roenn sie nicht in einem Bette liegen, in dem
einmal die Pompadour Halsentzündung gehabt hat. Andere
roieder roollen oor dem Schreibtisch Voltaires oder im
Fehnstuhl des Ford Byron si^en. mein Gott, rooher soll
man all die Betten, fauteuils und Schreibtische nehmen?
Da helfen die Kunsthändler etroas nach, roeil sie sich gar
nicht anders helfen könnm. Sie haben eben übersehen,
rechtzeitig die nötigen Abschlüsse an ITlobilien mit der
Pompadour, mit Voltaire und mit Ford Byron zu machen.
Wien hat einen oerhältnismäfpg bescheidenen Kunst
markt und einen geringen Zuflufj an fremden. Da fallen
diese Ausgeburten einer kindlichen Sammlerrenommage
nicht so sehr ins Auge. Aber roer Venedig, florenz, Rom
und Kairo genauer kennt, diese Orte, in denen das reichste
Fondon und das Rero-Uork der fifth Aoenue sich Winters
über herumtreibt, der kann die seltsamsten und ergöl3-
lichsten Beobachtungen machen. Jeder Kitsch, der gestern
erst das Atelier oerlassen hat, ist beglaubigt und mit
Dokumenten aus dem Ginquecento oder mit Hiero
glyphen aus den Tagen des Ramses belegt. Der gröfjte
Schroindelplat] ist übrigens Paris. Dort findet man neben
erlesenster Kunst die plumpsten Hachahmungen und die
fälschungen roerden in der Regel besser bezahlt, als das
Echte. 18. Jahrhundert ist stark beoorzugt und Watteaus
die irgend ein Kunstakademiker hingepinselt hat, finden
immer bei enormen Preisen Absat], IJJan mufj an unsere
Waldmüller denken, die bei jeder Auktion auftauchen und
in ihrer Gesamtheit bereits eine Galerie im Umfange des
kunsthistorischen FAuseums füllen roiirden. Trot3 der sicht
baren Unechtheit roerden sie gerne genommen, roeil es
zum guten Ton gehört, im Salon oder Herrenzimmer
einen Waldmüller zu haben. Die Käufer halfen sich da
an die fabel oon den drei Ringen. Ulan roeilj nicht,
roelcher der echte ist, aber man roill gerne glauben, dafj
man ihn besitjf.
Jn Paris sind oornehmlich die Südamerikaner und
die Russen das, roas man bei uns die „Wurzen" nennt
und roas dort im Jargon des HJontmartre als „lllandarin“
bezeichnet roird. Die Pariser Kunsthändler leben haupt
sächlich oom FHandarin. Ich kenne den Besser eines
Antiquitätenladens in der Rahe des Bouleuard RJadeleine,
der mir das ganz offen eingestanden hat. 60.000 francs
Zins, zroanzig Beamte, Inserate in allen Tagesblättern,