noch stark genug und vermindert sich nicht so
schnell, um in absehbarer Zeit zu verschwinden und
freiwillig einem anderen Gewerbe Platz zu machen, wie
es in anderen Zweigen der Volksindustrie der Fall ist.
Die Kürschner, welche buntfarbige Pelze und hohe
mit hellen Schleifen und schwerem Samt geputzte
Pelzmützen verfertigten, die Sattler, in deren ge'
räumigen Werkstätten das schwere, manchmal sogar
kostbare Zeug für die Pferde der auf den Reichs'
Straßen fahrenden Fuhrleute hergestellt wurde, die
reichen Tuchmacher, welche ganze Gegenden mit
dem blauen und rotbraunen Tuche für Männertracht
versorgten, die kunstfertigen Kammacher, deren Ge'
schmack für den Kopfputz der Frauen häufig maß'
gebend war, Korbflechter, die ihre Produkte mit
Leder und mit Pfauenfedern gar niedlich und kunst'
voll zu verzieren wußten — sie alle gehören lange
nicht mehr der Hausindustrie des Volkes an und
sind der Großindustrie gewichen. Das Volk wird
heute durchwegs von dem Großgewerbe und der In'
dustrie sowie von den Vermittlern mit allem was
für den Haushalt und das Leben nötig ist, versorgt,
und wo sich noch Spuren von der ehemaligen Volks'
industrie entdecken lassen — als welche z. B.
die kleinen Glashütten in der Umgebung von Semil,
die Kettenschmiede in der Nähe von Prag, Perl'
mutterarbeiter in der Umgebung von Königinhof,
die Korbflechterei in Mseno und Alt'Bunzlau u. s. w.
gelten können — da handelt es sich entweder um
im Absterben begriffene Überreste oder um eine
künstliche durch Vermittlung der maßgebenden
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Kreise herbeigeführte Wiederbelebung, so weit man
von einer ehemaligen Volksindustrie in dem be
treffenden Gewerbszweige überhaupt reden kann. In
der Glasindustrie z. B. wird von einer echten Volks
kunst in Böhmen kaum wohl die Rede sein können.
Die berühmten böhmischen Glashütten haben eine
Volkskunst und Industrie in Böhmen nicht hervor
gerufen und auch die vom XVI. Jahrhundert an unter
italienischem und später teilweise auch holländischem
Einflüsse erblühte Keramik, hatte es in Böhmen,
was Volkskunst im engeren Sinne des Wortes be
trifft, nie so weit gebracht wie Mähren und Slowakei.
Von der wertvollen böhmischen Keramik, wie sie in
den berühmten Öfen in Kuttenberg, Neuhaus und
anderen böhmischen Städten erzeugt wurde, abgesehen,
gibt es zweierlei Ware, die nach ihren originellen
Motiven mit der Volkskunst in Zusammenhang
gebracht werden kann, in beiden Fällen jedoch ist der
Ursprung dieser in Böhmen häufig vorkommenden
Ware zweifelhaft. Im nordöstlichen Böhmen kommen
schön gearbeitete Teller und Krüge, mit grünen Blüten
und Trauben in dunkeln Konturen geschmückt, vor,
welche besonders in der zweiten Hälfte des XVII. und
der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts tadellose und
kunstvolle Ausführung aufweisen. In Südböhmen
ist es wieder dunkelblaue, unter italienischem Ein
flüsse entstandene Majolik, die die Aufmerksamkeit
der Kenner auf sich zieht. Sowie jedoch jene grün
verzierte Ware von manchen Forschern nach Sachsen
verlegt wird, so ist auch die Möglichkeit vorhanden,
daß die dunkelblaue, in Südböhmen häufig auf-
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