MAK
5 nt er nationale Sammler-Zeitung. 
Rümmer 10 
Seite 148 
Aus Schweizer Bibliotheken. 
ln der leßfen Sißung der Antiquarischen Gesellschaft in 
Zürich sprach Dr. 6. Bernoulli über „Konzert- und Kammer- 
musikalien des 18. Jahrhunderts in schweizerischen Bibliotheken“. 
Den Ausgangspunkt bildeten ein Zirkular der Ortsgruppe Basel der 
internationalen ITlusikgesellschaft, indem der Wunsch nach genauer 
Katalogisierung schweizerischer ITlusiksammlungen ausgesprochen 
mar, und eine These der ITlusikgesellschaft, die die Abfassung non 
thematischen Verzeichnissen fordert. Diese Wünsche sollten jeden 
falls soweit befriedigt werden, daß in der Schweiz die norhandenen 
älteren tTlusikalien systematisch oerzeichnet würden, damit oieles, 
was jef^t oersteckt ist, benütjt werden könnte. 
Die aargauische Kantonsbibliothek besißt oiele UUisi- 
kalien aus dem Kloster Wetfingen. natürlich besonders geistliche 
ITlusik, oor allem messen aus dem 18. Jahrhundert italienischer 
Herkunft. So eine messe oon Anfossi, eine oielleicht unbekannte 
neapolitanischer Schule, ein Gloria und eine messe oon Pergolese, 
zwei bisher unbekannte messen des seinerzeit beliebten böhmischen 
Komponisten Rosetti (Rößler, gestorben 1702), ein Offertorium oon 
Sacchini u. a. m. Ganz unbekannt ist uieles, was die Bibliothek oon 
Christian Bach, dem „Condoner Bach“, dem jüngsten Sahne 
des Johann Sebastian, enthält. Zu dessen Beliebtheit in Wettingen 
trug bei, daß er katholisch geworden war. Von ihm finden sich 
in Wettingen und noch mehr in Einsiedeln mehrere Sinfonien, zum 
Teil auch in Druckausgaben. Cs sind kurze Orchesterstücke in drei 
Säßen, aufgebaut in der Art der italienischen Ouoerfüren. Von 
seinem Bruder, dem genialen, aber oerlumpten Wilhelm friedmann 
Bach, befindet sich ein Exemplar der gedruckten Polonaisen für 
Klaoier in Einsiedeln. Dorf haben sich auch Klaoierroerke uon 
Philipp Cmanuell Bach erhalten. Jn Aarau findet sich außerdem 
ein kompletter Druck der Berliner musikalischen Zeitschrift „musi 
kalisches mancherlei“ aus dem Jahre 1765, der Zeitschrift, die uar 
allem dadurch bemerkenswert ist, dafj mehrere Stücke program 
matische Überschriften tragen. 
Eine Sammlung anderer Rrt findet sich auf dem Schlosse 
Ortensfein im Domleschg aus dem ITachlasse der Grafen uon 
Traoers. Diese hatten lange in frankreich gedient, ihre Sammlung 
enthält daher ausschließlich französische ITlusik. Die ältesten Drucke 
und Stimmen stammen aus dem 16. Jahrhundert. Ein Druck oon 
1681 enthält eine Sammlung oon „Chansonetten“. Eine Anthologie 
aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die „Soirees espag- 
noles“, umfaßt Gesänge mit Gitarrebegleitung. Auch «abständige 
Sinfonien finden sich oor, ein Beweis für die Abhaltung oon Cieb- 
haberkonzerten auf dem Schlosse. Vor allem aber besißf die Samm 
lung oieie Kammermusikmerke. Der flame Eeclair ist mehrfach 
uerfrefen. manche französische Werke der Sammlung sind in den 
Hachschlagewerken nicht oerzeichnet. Auch für ITlusette (Dudelsack) 
und Vielle (Bauernleier) mit Basso Continua finden sich Kompo 
sitionen, so u. a. oierzig „Hoels“ für zwei ITtusetten, die übrigens 
nicht nur Weihnachtslieder behandeln. 
Den zweiten Vortrag hielt Herr Hans G. Wirz. Seine Aus 
führungen betrafen „die oergessene Kopie eines «erschollenen 
Zürcher Geseß- und Richtbuches aus dem 14. Jahrhundert“. Es 
handelt sich wiederum um einen Sund, darauf der Zürcher Stadt 
bibliothek gemacht wurde, um eine Handschrift, die froß ihrer 
im allgemeinen richtigen Katalogisierung bisher allen Rechfs- 
historikern entging Die Handschrift stammt aus dem Jahre 1645, 
Sie gibt sich als die Kopie eines alten Pergamentkodexes aus dem 
14. Jahrhundert aus. Diese Vorlage scheint zugleich Saßungs- und 
Urfeilbuch gewesen zu sein. Der Schreiber war der Statthalter und 
Obmann ITlüller (gest. 1664), der das bei Bürgermeister Waser im 
„Stübii“ oerwahrte Original für sich kopierte. 
Der Inhalt der Handschrift ist nahe oerwandf mit dem 
Zürcher Richtebrief und zwar mit dem so bezeichneten Saßungs- 
buch, das 1304 oom Stadtschreiber angelegt wurde. Doch ist die 
Vorlage der neu aufgefundenen Handschrift jünger als der Richte 
brief. nachträgliche Änderungen, die in diesem oorgenommen wurden, 
erscheinen in ihm bereits als primärer Text. Immerhin wurde die 
Vorlage aber oor der Brunschen Umwälzung begonnen. Ein wirk 
liches Plus gegenüber dem Richtebrief findet sich im Texte nur an 
oier Stellen, darunter eine Anordnung über die Wahlart des Rates. 
Wir erfahren, daß der abgehende Rat einen Ritter oder Edeln und 
zwei Bürger wählte, die dann die weitere Wahl oornahmen. Von 
großer Bedeutung sind dagegen die Hachfräge, 55 an der Zahl, 
die Beschlüsse oon Bürgermeister, Rat und Bürgeren enthalten. 
Es handelt sich bei diesen meistens um sogenannte „ewige Geseße“; 
die Vorlage war offenbar ein in amtlichem Aufträge angelegtes Buch, 
das das Richtebuch erseßen sollte, weil dieses nur wenig Raum 
zur Eintragung oon Hachträgen enthielt. Es muß oor 1527 angelegt 
worden sein, da aus diesem Jahre der erste datierte Hachtrag 
stammt; es war wohl das Werk des Stadtschreibers Konrad (1326 
bis 1531). Es wurde etwa als „über verus de jare civili“ zitiert, 
Es enthält 42 lJachträge mehr als das Richfebuch. manches darunter 
ist nicht unbekannt, aus Originaldokumenten oder aus andern 
Abschriften. Andere Beschlüsse kannte man bisher nur mit falschem 
Datum. Zieht man also diese ab, so bleiben noch 54 Ratsbeschlüsse 
aus den Jahren 1350 bis 1417, die bisher ganz unbekannt waren. 
Wir erfahren oon kirchenpolitischen maßregeln der Stadt, Einzel 
heiten über den Empfang König Karls IV. (1353), lesen, wie 1565 
und später strenge Beschlüsse gegen das Anwachsen des Besißcs 
der toten Hand gefaßt wurden, u. a. m. ferner findet sich oieles 
Rechtshistorische über Ehe- und Erbrecht. Hnderes bezieht sich auf 
die Verfassung und die öffentliche Tätigkeit des Rats. Drei Geseße 
aus Brunischer Zeit befassen sich mit der Aufnahme ins Burgrecht. 
Das eine daoon (oon 1355) ist dadurch besonders bemerkenswert, 
daß es das älteste ist, das oon den „Zweihundert“ als der obersten 
Behörde spricht, Hoch wichtiger für die Zürcher Geschichte ist ein 
Geseß aus dem Jahre 1401, „wie man in den Zünften die Sechser 
nehmen soll“. Es ergibt sich daraus, daß die Sechser, d. h. die 
oon sämtlichen Zünften gewählten Zunftrichter, nicht, wie man 
bisher meinte, ex officio im großen Rate (dem Rate der Zwei 
hundert) saßen. Den Zünften als Gesamtheit wurde das Recht zur 
Wahl ihrer eigenen Vorsteher, d. h. der Sechser, entzogen, und 
ihren Vertretern im Großen Rate übertragen. Diese antidemo 
kratische Bestimmung ist eine folge der oon gewissen Zunft 
kreisen ausgehenden Judenheße, die die Räte mit ITlühe hatten 
eindämmen können. Die Illitglieder des großen Rates wurden 
I oon den Zunftmeistern gewählt, und zwar offenbar auf unbe- 
| stimmte Zeit. n. Z. 
0
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.