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Internationale Sammler-Zeitung.
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interessante Schmeizer Volkstrachtenschmuck, so treten
troßdem auch so bedeutende Stätten der Goldschmiedekunst
roie Augsburg und Flürnberg in die richtige Erscheinung.
Ein derartig abgeschlossenes Bild dieser Kunstbetätigung
dürfte nur selten roieder eine Sammlung gewähren.
Den Goldschmiedearbeiten schließt sich eine interes
sante Sammlung oon Bleiplaketten der Renaissance an.
Unsere Plakette (fig. 3) stellt „die Anbetung der Hirten“
dar. ln der mitte liegt das nackte Kind in einer Krippe
am Boden, oerehrt oon der rechts knieenden Dlaria, einem
Engel und ztoei Hirten. Hinter (Tlaria steht Joseph, eine
Kerze in der erhobenen Rechten, tn der mitte, roeiter
zurück Ochs und Esel und die Ruine des Stallgebäudes,
durch deren offene Bogen die Verkündigung an die Hirten
zu sehen ist. Cinks Ausblick auf die Candschaft mit der
Taufe Christi. Auf dem Segment unten zcoei Wappen. Rings
ein flacher Wulst.
Besonders bemerkensroert ist die in diesem Umfang
— aufjer den Schäden im Couore und im Cluny-museurn —
einzig dastehende Sammlung der Plombs histories oom
12. bis 16. Jahrhundert, die beim Ausbaggern der Seine
gefunden courden.
Außerdem enthält die Sammlung einige besonders
seltene und gute Stücke anderer Arf, roie eine oielleicht
?ig. 5.
einzigartige Zinnstatue der HJadonna aus dem 12. Jahr
hundert, eine Globusuhr und ein schönes Elfenbeinkruzifix,
fter Sammeleifer der amerikanischen fDillionäre.
B ?rst in diesen Tagen hat Pierpont ITlargan in
der internationalen Welt der Kunstfreunde und
Sammler roieder oon sich reden gemacht, als
er für einen Cutherbrief 120.000 Ul. und für
eine Bibel 200,000 1TI. bezahlte, und sorgenooll
a fragen sich die Tiebhaber alter Kunstroecke,
roie lange es noch dauern roird, bis die alte
Welt ihrer noch freien Kunstschäße so gut roie
oöllig entblößt sein roird. Die Zahl der uner-
seßlichen Stücke, die besonders in der. letjten
zehn Jahren den Weg über den Atlantischen
Ozean antreten mußten, und für Europa roohl endgültig
oerloren sind, ist so geroaltig, daß die fachleute der alten
Welt nur mit Sorge der Zukunft entgegensehen.
Bei den fast täglich auftauchenden Flachrichten oon
neuen grollen Ankäufen der amerikanischen Sammler ist
ein Aufsaß oon besonderem Interesse, den ein nero-!Jorker
Kenner der grollen amerikanischen Kunstmäzene in einem
englischen Blatt oeräffentlicht. Wer Gelegenheit hat, in
der neuen Welt mit den reichen Sammlern zusammenzu
kommen und den Geist kennen zu lernen, der sie bei der
Anhäufung ihrer Schätje, insbesondere alter Uleisterroerke,
erfüllt, roird freilich nur in ganz oerschraindenden Aus
nahmefällen oon einer reinen Begeisterung für die Kunst
und oon einem wirklichen Verständnis für die Schöpfungen
oergangener Uleisfer zu erzählen roissen.
Die amerikanischen Dallarkönige sammeln alte ITleister,
roie Schuljungen ihre Briefmarken; der ganze augenblick
liche Sammeleifer ist eine niodesträmung und roeiter
nichts. Der amerikanische Geschäftsmann, der durch grof^e
Erfolge in seinem Unternehmen oder an der Börse in die
Reihe der obersten Vierhundert einrückt, roill den lllangel
an Tradition, Abstammung und in oielen fällen auch an
feinerer Kultur einfach dadurch ersehen, daß er die Wände
seines Heims mit alten Bildern bedeckt, ein echter Tizian,
Rembrandt, ein Velazquez oder ein schöner Gainsborough
ersehen für den Besitzer den Adelsbrief. Zugleich aber
spielt noch etroas roie ein kindlicher Ehrgeiz mit: die Sehn
sucht, auch auf dem internationalen Kunstmarkt große
Erfolge zu erzielen, geniale Coups auszuführen, ja fiir
manche amerikanische Sammler ist der geschickte Ankauf
eines UJeisterroerks genau der gleiche Beweis für geschäft
liche Genialität roie etroa die Erringung des maßgebenden
Einflusses auf eine große Eisenbahngesellschaft oder andere
gewaltige Geschäftsunternehmungen. Von der großen Zahl
der amerikanischen ITlultimillionäre haben in der Tat nur
zwei der Verlockung widerstehen können, sich als Kunst
sammler, als oermeintliche Kulturförderer berühmt zu
machen: Rockefeiler und Carnegie. Sie sind dem Einfluß
der herrschenden llJodesfrömung nicht unterlegen, und
durch den märchenhaften Umfang ihres Vermögens ohne
hin schon so berühmt, daß sie auf die Gloriole des Kunst
sammlers Verzicht leisten können. Aber die anderen
Ulillionäre, hauptsächlich die neugebackenen, müssen alte
ITleister sammeln, um dem guten Ton zu genügen, und
bis zu dem Tage, da plößlich irgendeine andere ITlodelaune
die Herrschaft erringt, werden sie europäische Kunsthändler
reich machen. Sachoerständige Kenner schaßen, daß in
den leßten zehn Jahren allein für mehr als 200 mi 11 i-
onen Ulark alte Gemälde nach Amerika geschleppt
morden sind. In Wirklichkeit aber ist die Summe roohl
noch höher, denn ein genaues und lückenloses Zahlen
material läßt sich natürlich nicht beschaffen. Die meisten
Ankäufe, insbesondere in Italien, werden unter der Hand
abgeschlossen, um die italienische Gesetzesbestimmung gegen
die Ausfuhr oon Kunstwerken zu umgehen. Seibstoer-
ständlich haben die amerikanischen Käufer mit dem eigent
lichen Schmuggel nichts zu tun, sie erhalten die Bilder,
roenn dieser gefährliche Teil der Transaktion Darüber ist.
Vor drei Jahren nahm P. A. B. Widener, der jeßt dem
Cord £andsdorone2 Fllillionen JllarkfürRembrandts „Ulühle“
bezahlt hat, in seinem Hause Elkins Park bei Philadelphia
drei prachtoolle Van Dycks in Empfang, oon denen erst
später bekannt rourde, daß sie heimlich aus Italien ge
schmuggelt waren. Widener hatte die Bilder in Paris
erworben.
Widener ist neben Pierpont JJlorgan roohl der groß
zügigste Sammler Amerikas und hat erst kürzlich für