Hummer 10
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 151
Gainsboroughs „ITli^ Cinley und ihr Bruder“ 800.000 RI.
bezahlt. Ruf Rembrandts „ITliihle“ hatte er mit seinem
Zroeimillianenangebot bereits die Hand gelegt, ehe andere
Kunstfreunde überhaupt non der Verkäuflichkeit des be
rühmten llleisterroerkes erfuhren. Ulan schält die Samm
lung Wideners auf über 40 ITlillionen ITlark. Von den
alten Italienern, non den Velazquez und den Spaniern bis
zu Reinbrandt, oan den Riederländern bis zu Holbein,
Riemling und Dürer sind fast alle großen Rleister der
europäischen Kunstgeschichte uerfreten. Widener begann
seine geschäftliche Caufbahn als einfacher Hammelschlächter,
legte seine ersten kleinen Ersparnisse in Papieren derSfraßenr
bahn non Philadelphia an, und die Straßenbahnen haben ihm
die ITlillionen oerschaft, mit denen er alte Rleister erroiibt.
Die Dritte im Dreigestirn der großen amerikanischen
Sammler ist die auch in Europa oielgenannte Witroe
des Bosfoner Rlillionärs Gardner, die ihre Schäße in
fenmay Eourt in einem ganzen echten oenezianischen
Palast beherbergt, der Stein um Stein oon Venedig nach
Boston geschafft wurde. Ein Teil ihrer Kunstsammlungen
ist hier auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Rls
Rlrs. Gardner oor etwa zehn Jahren eine Reihe kostbarer
Rleisterroerke nach Rmerika brachte, oerlangte sie Zoll
freiheit, roeil die Bilder öffentlich ausgestellt werden sollten.
Das Gesuch wurde erst auch bewilligt, aber später änderte
der Staat seine Rleinung, und Rlrs. Gardner mußte für
ihre alten Rleister allein als Zoll 800.000 ITT. nachbezahlen.
Hätte sie gewartet, bis die jeßige Tarifbill Geseß geworden
wäre, so hätte sie für Zoll gar nichts zu bezahlen brauchen,
denn künftig sollen alle ausländischen, mehr als 20 Jahre
alten Kunstwerke in Rmerika freie Einfuhr genießen.
Einer der enragierfesfen Bilderkäufer in Rmerika ist
nach ihr wohl Benjamin Rltmann, der für Rembrandts
Bildnis seiner Rlutter, für einen frans Hals und fiir das
„Spanische RTädchen“ des Velazquez wahre Riesensummen
anlegte. 1909 bezahlte er 4 ITlillionen fiir Ruisdaels
„Kornfelder“ und drei Rembrandts, die der Sammlung
Klaurice Kann entstammten.
Aus der Beschichte des fluiographenhandels.
Roch nie zuoor ist wohl eine Handschrift mit so einem un
geheuren Preise bezahlt morden, wie der Brief L'uthers an Kaiser
Karl V. oom 28. April 1521, der bei der Versteigerung durch
ßoerner in Ceipzig um 120.000 lTtark uon Pierpont Morgan
erworben worden ist. In der Geschichte des Sammelns uon fluto-
graphen und des Handels damit ist dieser „Rekord“-Preis als
epochemachend zu bezeichnen.
Die tust, Handschriften zu sammeln ist sehr alt, der Auto-
.graphenhandel in seiner heutigen Gestalt aber oerhältnismäßig
jung; die Bezeichnung „Rutograph“ selbst läßt sich bis zum fahre
1735 zurückoerfolgen, wo sie Jam et in einem Aufsaße angewandt
hat. Was das Alter der Ciebhaberei Handschriften berühmter Per
sonen zu sammeln anlangf, so ermähnt der ältere Plinius es in
seiner Raturgeschichte als Merkwürdigkeit, daß er Handschriften
der beiden Gracchen, Ciceros, des Kaisers Augustus und Virgils
gesehen habe, Sueton berichtet in seinen Cebensbeschreiburlgen
der Kaiser Augustus und Rero, daß ihm Briefe dieser beiden Kaiser
norlagen, die irgend jemand als Kuriositäten aufbemahrt haben
mußte und die ihm übergeben worden waren, um die Art und
Weise kennen zu lernen, wie sie zu schreiben pflegten. Hand
schrift und Buch waren ja in jener Zeit, wo alle literarischen €r-
zeugnisse handschriftlich oeruielfältigt werden mußten, nach gleich
bedeutend; der Crste aber, der die aus Griechenland nach Rom
zuströmenden ßücherschäße nicht blaß für sich, sondern auch für
seinen Handschriftenhandel benußte, war Pomponius Atticus. Die
Handschriften wurden damals teuer bezahlt; so gab zur Zeit Ciceros
ein reicher lllann dem Grammatiker Pompilius flndronicus für
die Handschriftseiner Geschichtstabellen 16.000 Sesterzen oder etwa
2500 Mark, und dem älteren Plinius bat ein anderer für seine
Cxzerptensammlung 400.000 Sesterzen, ungefähr 62.000 Mark.
Das sind etwa als die Anfänge des Sammelns oon Autographen
zu bezeichnen.
Im Mittelalter kann man daoon nicht gut reden. Hand
schriften waren wohl ganz überaus kostbar — der Mönch Ulrich
uertauschte z. B. 1054 die Handschrift eines Meßbuches gegen einen
umfangreichen Weinberg bei Bozen — aber dabei handelte es sich
eben um handschriftlich kopierte Bücher, nicht aber um die Hand
schriften heroorragender Persönlichkeiten, die wir heute meinen,
wenn wir oon Aufagraphen reden, Jn diesem Sinne hat die
moderne Ciebhaberei für das Sammeln oon Autographen in
Frankreich gegen Cnde des 16. Jahrhunderts ihren Ursprung
genommen. Die erste größere Sammlung dieser Art legte
Antoine Comenie de Brienne (1639), der Staatssekretär
Heinrich TV., an und aus seiner und der folgenden Zeit sind bereits
eine ganze die der beiden Historiker Pierre und Jacques Dupuy
des Grafen Philipp doii Bethune, F. R. de Gaignieres usw.
Den Inhalt dieser Sammlungen, die noch oorzugsweise im
wissenschaftlichen Interesse angelegt waren, bildeten hauptsächlich
historische Aktenstücke, Memoiren, Gesandtschaftsberichte, Urkunden
und Briefe berühmter Männer; zum größten Teile ist dies Material
mit der Zeit in die Pariser Rationalbibliothek übergegangen, die
überhaupt einen großartigen aufographischen Besiß hat. Die
Rcuolutionszeit war für den Autographenbcsfand oerhängnisooll,
insofern oieles damals durch Feuer zu Grunde ging oder sonst
oernichfet wurde; andererseits boten die zahlreichen, aus fremden
Staaten nach Paris gebrachten Archioe usw. den Autographen
sammlern oortreffliche Gelegenheit zur Bereicherung ihrer Sammlung.
Jn dieser Zeit beginnt sich denn auch der Autographen
handel zu entwickeln. Im Jahre 1801 erfolgte in Paris der erste
öffentliche Verkauf einer Autographensammlung: es mar die Samm
lung des Marschalls Richelieu. 1815 folgte die zweite Versteige
rung dieser Art. Der Geschmack am Sammeln uon Autographen
nahm nun ziemlich schnell zu, und der erste Autographenkatalog
konnte im Mai 1822 in Paris ausgegeben werden. Auf deutschem
Gebiete fand die erste Versteigerung oon Handschriften in Wien,
und zwar im Jahre 1858 statt, wo die bekannte Firma Artaria
einen Teil der Sammlung des Wieners Antiquars Franz Gräffer
auf den Markt brachte. Wien ist lange noch der Hauptplaß des
deutschen Autogiaphenhandels geblieben und durfte sich besonders
auf dem Gebiete der Musikautographen ganz einziger Schäße
rühmen: es sei da nur an die großartigen Sammlungen uon Alois
Fuchs und Joseph Fischhof erinnert, die beide oon der Königl,
Bibliothek in Berlin erworben worden sind.
In Ceipzig fand die erste Auktion 1845 durch T. 0.
Weigel statt, worauf oiele Jahre lang jährlich mindestens eine
solche Versteigerung oon Weigel abgeholten wurde. Seitdem ist
der Aufographenhandel in Ceipzig und überhaupt in Deutschland
zu immer steigender Bedeutung gelangt, und er hat mit dem ein
gangs ermähnten Crgebnisse der jüngsten Boernerschen Versteige
rung einen bisher unerreichten Gipfel erklommen.
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Bei der Fortseßung der Versteigerung der Autographensamm
lung Dr. Karl Geibel (Ceipzig) und Karl Herz o. Hertenried (Wien)
bei Boerner in Ceipzig gab es bei den Manuskripten und Briefen
oon Schiller heftige Kämpfe, namentlich heiß umstritten mar das
Originalmanuskript zu „Hero und Ceandcr,“ 25 Strophen zu je
10 Zeilen. Mit der Cchtheitsbestäfigung der Witwe Christian Gott
fried Koerners, aus deren Besiß das Manuskript stammte, ging