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International e 5 a m m i e r - Z e i t u il g. 
Hummer 12 
auf die ganz abnormen und ungesunden Verhältnisse hin- 
roiesen, die im fllfertumshandel herrschen. 
fälschungen non wertoollen Kunstwerken hat es mahl 
zu jeder Zeit gegeben, in der eine bewußte Schößling künst 
lerischen Wertes und künstlerischer Arbeit entwickelt mar. 
6s gibt fälschungen aus der Antike, es gibt fälschungen 
aus der italienischen Renaissance und aus allen nachfolgenden 
Zeiten. Das fälschergeroerbe roird natürlich besonders blühen, 
je lebhafter die Ilachfrage nach alten Kunstwerken ist. Die 
6ntroicklung der Aeuzeit, daß die ITlehrzahl aller bedeutenden 
älteren Kunstwerke mit der Zeit in öffentlichen Besiß über 
geht, hat den Wert der Altertümer außerordentlich gesteigert 
und im Gegensaß zu früherer Zeit, sagen wir (für die Zeit) 
oor 50 Jahren, die Grroerbsaussichten für fälscher infolge 
dessen ebenfalls sehr stark erhöht, denn der Reiz, zu 
fälschen, tritt erst dann in die Grscheinung, wenn die Her 
stellungskosten der fälschung sehr erheblich geringer sind, 
als der Preis des echten alten Stückes. Zugleich hat der 
Sammeleifer in den leßten Jahrzehnten auf allen Gebieten 
der freien und der angewandten Kunst solche Dimensionen 
angenommen, hat sich auch die Vorliebe für Altertümer so 
in weitere Volkskreise oerbreitet, daß das Angebot oon 
Altertümern nicht entfernt der Ilachfrage entspricht. Das, 
was bei kleineren Trödlern, in Bade- und Cuftkurorten und 
an oielbesuchten Stellen des internationalen Reiseoerkehrs 
dem 'fremden als Altertum aufgehalst wird, braucht uns 
hier nicht zu beschäftigen. Die lllassenfabrikate in Zinn 
und Keramik und zum Teil in Holz, die als billiges Deko 
rationsmaterial zu dienen haben, bieten für den fachmann 
keine Schwierigkeiten. Diese beginnen erst im wirklichen 
Antiquitätenhandel in den größeren Geschäften. 6s darf 
wohl behauptet werden, daß es heute kein Gebiet des 
Handelsoerkehrs gibt, bei dem so unreelle Usancen herrschen, 
wie im Antiquitätenhandel. Damit soll selbstoerständlich 
nicht etwa der ganze Stand gemeint sein, denn dieser selbst 
zählt insbesondere in seinen Spißen eine große Reihe der 
ehrenwertesten JTlänner, firmen und Vertreter. Der anstän 
dige Antiquitätenhandel hat genau dasselbe Interesse wie 
llluseen und Prioatsammlungen, daß dem fälscherunwesen 
kräftiger als bisher entgegengetreten werden möge, wenn 
auch eine oöllige Ausrottung desselben unmöglich erscheint. 
Der Prozeß in ITUinster gab mertoolle Fingerzeige nach 
der Richtung, wie fälscher heute oorgehen. Angeklagt 
waren ein kleiner, aber in ganz Deutschland bekannter 
Antiquitätenhändler und der Assistent des Westfälischen 
Candeskonseroators, die beide im Ginoerständnis miteinander 
fälschungen oeranlaßt, gefertigt und in den Handel gebracht 
haben. Der unglaubliche Vertrauensbruch eines Beamten 
der Denkmalspflege, sich an solchen ITlanipulationen zu be 
teiligen, mag hier nur gestreift werden. Die Art, wie die 
Teute oorgingen, war außerordentlich geschickt und raffiniert. 
6s handelte sich bei ihnen in erster Tinie um lleuanfertigung 
oon fälschungen mit mehr oder minder genauem Anschluß 
an alte, echte Originale, in Verbindung damit um Unter 
schiebung oon Kopien an Stelle alter Originale in öffent 
lichem Besiß. Diese Art der fälschung, in großem Ulaß- 
stabe ausgeführt, kam ja erst oor wenigen Jahren in frank- 
reich an den Tag, aber auch alle übrigen Tänder Guropas 
dürften oon solchem Vorgehen schon betroffen worden sein, 
und die Gerichtsoerhandlung gab berechtigten Grund zu 
dem Verdachte, daß außer den bekannt gewordenen fällen 
noch sehr oiele solche gerade in der Rheinprooinz und 
Westfalen oorgekommen sein mögen, die noch der Gnt- 
hüllung harren. Die Gebiete, die die fälscher für ihr be 
trügerisches Vorgehen betraten, waren die oe schieden- 
artigsten. 6s wurde bemalte Holzplastik nachgeahmt, Glfen- 
bein-Kleinplasfik, Plastik in bemaltem Ton, mittelalterliche 
lAetallgußgeräte und noch einiges andere. Die fälscher 
gingen ganz skrupellos zu Werke, ein technisch gut ge 
schultes Personal, das ihnen in ITlünster und außerhalb 
zur Verfügung stand, wurde in geschickter Weise zu Hilfe 
gezogen. Troßdem wäre der Grfolg der fälschung sehr 
zweifelhaft gewesen, wenn nicht eine Reihe oon Händlern 
und eben die handwerklichen Verfertiger selbst dem be 
trügerischen Vorgehen in nicht zu rechtfertigender Weise 
Vorschub geleistet hätten. Deswegen war auch ein Teil 
der Zeugenaussagen sehr zurückhaltend, so daß nur in 
einer kleinen Anzahl der unter Anklage gestellten fälle 
wirklich eine Verurteilung erfolgen konnte. 6s würde an 
dieser Stelle zu weit führen, auf die Details der Verhand 
lung und der fälschung hier einzugehen. Gharakteristisch 
war nur noch die Verteidigung des einen Angeklagten, die 
einen sehr wunden Punkt im Altertumshandel betraf, nämlich 
Gewähr für Gchtheit und Alter. Der angeklagte Händler 
behauptete, dadurch, daß er für Gchtheit und Alter nicht 
ausdrücklich Garantie gewährt hätte, keine Schuld auf sich 
genommen zu haben, und hier ist einer der wesentlichsten 
Punkte im Altertumshandel, daß eben bei den modernen 
fälschungen, oon deren ITlassenhaftigkeit sich kaum eine 
Vorstellung machen läßt, der Rachweis, daß es sich um 
eine beabsichtigte Täuschung des Käufers gehandelt habe, 
ungemein schwer geführt werden kann. 6s ist eine wahre 
Sisyphusarbeit, in dem roeitoerzweigfen fälschertreiben die 
sämtlichen Stationen oam ersten Besteller und Anfertiger 
bis zu dem Punkte festzustellen, wo die fälschung nach 
weislich als solche erkannt wurde. An all den Vermittler 
stellen, die absichtlich oermehrt werden, die betrügerische 
Absicht klar zu beweisen, ist fast immer unmöglich, und 
deswegen sind schon oiele derartige Prozesse wegen Alter 
tumsfälschungen ohne greifbares Resultat geblieben. 6s 
war daher oon Wert, daß in dem großen Prozeß in ITlünster 
oon Seite des Gerichtes festgestellt wurde, und es darf dies 
wohl als ein Präjudiz gelten, daß im Altertumhandel unter 
allen Umständen daran festgehalten werden müsse, daß 
die oerkauften Gegenstände alt und echt seien und daf} 
eine Ausrede nicht gewährter Garantie unter keinen Um 
ständen statthaft sei. 
ln ITlünster handelte es sich im wesentlichen um lleu- 
anfertigung nach alten echten Werken in demselben oder 
auch anderem material. So wurden nach einer echten alten 
Holzfigur in mehr oder minder freier Weise Tonfiguren 
hergestellt. Gine weitere fälscherübung, alte Stücke oder 
lTachbildungen mit falschen marken zu oersehen, kam auch 
in einzelnen fällen oor. 6s wurden aber auch Stücke ooll- 
ständig aus der Phantasie des fälschers heraus gefertigt, 
wie drei hölzerne Pilgerflaschen, oon denen zwei, obgleich 
derartige Arbeiten aus dem ITUttelalter sonst überhaupt 
nicht bekannt sind, sogar Aufnahme in größere llluseen 
fanden. Die Gntdeckung des fälschungsbestandes ist oft 
erst dann möglich, wenn das material, die alten Rlotioe, 
nach denen gearbeitet wurde, durch Zufall oder systemati 
sche lTachforschung oon Seite der llluseen festgestellt ist. 
Immerhin darf angenommen werden, daß nach einiger 
Zeit jede fälschung, die als Reuschöpfung, sei es als Kopie 
oder selbständige Arbeit angefertigt wird, auch als solche 
erkannt wird. 
Schwieriger steht es mit einer zweiten Gruppe oon 
Altertumsfälschungen, die im Prozeß Heimann nicht oorkam. 
Hier handelt es sich nicht um die Rachbildung oder 
Reuherstellung oon scheinbaren Altertümern, sondern um 
die Umgestaltung wirklich alter Gegenstände in eine 
andere form. Der Zweck dieser Umwandlung und Um 
bildung ist natürlich immer der, den Verkaufswert wesent 
lich zu erhöhen, oder wenn man will, eine Art Qualitäts 
steigerung. Auch hier haben wir es wieder mit einer 
solchen Illenge oerschiedenartiger Prozeduren zu tun, daß 
an dieser Stelle es ganz unmöglich wäre, alles aufzuführen. 6s 
mögen einige Beispiele aus Kunst und Kunstgeroerbe genügen.
	        
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