Rümmer 12
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 181
Den Ausgang dieser, roenn mir so sagen dürfen,
„Umarbeitungs-fälschung“ sehen mir in der mehr oder
minder berechtigten Restauration alter Werke. Die Erzeug
nisse alter Kunst und alten Kunstgewerbes sind nur in
den allerseltensten fällen, unoersehrt, ohne Verlegungen in |
form und färbe, ohne Verlust non einzelnen Teilen auf
unsere Tage gekommen. Öffentliche und priemte Samm
lungen haben natürlich ein Interesse, den Gegenstand mög
lichst in dem Zustande zu zeigen, in dem er sich zur Zeit
seiner Herstellung befand. Dadurch hat sich selbstoerständ-
Iich der Resfaurations-Prozefj in allen Techniken entroickelt
und in ihm kann selbstoerständlich nichts Widerrechtliches
oder Unmoralisches erblickt roerden, ist doch der Staat in
seiner Denkmalspflege und ebenso die öffentlichen llluseen
bemüht, durch sachgemäße Restauration nicht nur den Be
stand der Kunstalterfümer zu erhalten, sondern auch die
ästhetische Wirkung derselben zu erhöhen. Wenn allein
die möglichst treue Wiederherstellung des erkennbaren ur
sprünglichen Zustandes das Ziel der Restauration bildet,
so ist die Sache in bester Ordnung. Wenn aber aus diesem
berechtigten Bestreben im Altertumshandel sich die Sitte
herausbildet, defekte und fragmentierte Gegenstände nicht
in ihrem überkommenen Zustande uorzuführen, sondern sie
scheinbar als intakt an den ITtann zu bringen, unter allen
Umständen aber mehr zu geben und eine bessere Erhaltung
rmrzutäuschen, als sie sich ursprünglich oorfand, so beginnt
der Betrug.
Die meitgreifende Tätigkeit auf der Umarbeitung durch
Restauration und das älteste Vorkommen dieser Art non
Restaurationen finden mir bei den alten möbeln. Wenn
mir heute die Bestände unserer öffentlichen Sammlungen
durchgehen, so können mir konstatieren, daß bei allen
Erwerbungen, die einige Jahrzehnte zuriickliegen, die Restau
rationen sehr umfassend gewesen sind, dafß die Erseßung
oerloren gegangener oder schadhafter Teile in weitgehend
stem Bloße betätigt wurde, so daß sehr oft an den alten
Ribbeln mehr neu als alt ist. Diese Restaurationsmethode,
rücksichtlos den bekannten und angenommenen Urzustand
herzustellen, ist sicher non den llluseen und den Kunst
gewerblern ausgegangen. )n betrügerischer Weise hat sich
aber dann das mit solchen Herstellungen beschäftigte Hand
werk und insbesondere der Handel dieses Verfahren zu
eigen gemacht. Ich habe in Dürnberg, die betreffenden
Geschäfte existieren nicht mehr, non früher Jugend an Ge
legenheit gehabt, dieses Verfahren zu oerfolgen (es ist
übrigens in der ganzen Welf und besonders in Italien
im Schwünge). Aus Teilen eines sehr ruinösen Schrankes,
aus Teilen einer als solche nicht mehr zu gebrauchenden,
Dielleicht unter einem lllaueruerpuß uerborgenen Vertäfelung
oermag der mit der Arbeit oertraute Schreiner leicht eine
ganze Anzahl oon Schränken herzustellen, bei denen immer
ein paar recht in die Augen fallende Stücke alt, das andere
aber neu und künstlich alt gemacht ist. Wenn es auch
für den Baien einigermaßen schwer ist, diese Art der
ITlöbelfälschitngen auf den ersten Blick zu konstatieren, so
oermögen sie heute den Kenner nur in den allerseltensten
fällen mehr zu täuschen.
Viel schlimmer steht die Sache auf dem Gebiete des
Porzellans. In öffentlichen wie prioaten Sammlerkreisen
wird der Wert des dekorierten, d. h. farbig behandelten
Porzellans sehr oiel höher angeseßt, als wie derjenige des
weißen. Das weiße Porzellan, das uns alt überkommen
ist, ist sozusagen Ausschußware. Wenn beispielsweise
eine Aymphenburger Porzellan-figur in weiß eine bestimmte
Summe kostet, so kann man annehmen, entsprechend gute
Bemalung oorausgeseßf, daß sie bemalt das Doppelte wert
ist. Da das Alfer oon Porzellanmalerei, wenn nicht stilisti
sche Versehen Darliegen, auf dem Porzellan sich ungemein
schwer bestimmen läßt, so ist hier natürlich durch die
sogenannte Überdekoration einem betrügerischen Vorgehen
Tor und Tür geöffnet.
Aach oiel schlimmer stellt sich in neuerer Zeit die
Überarbeitung oon Holzskulpturen heraus. Bis oor
mehreren Jahrzehnten war die Werfschäßung der deutschen
Holzplastik und damit der Preis derselben eine oerhältnis-
mäßig sehr geringe. Roch oor 20 Jahren konnte man ein
ausgezeichnetes Werk deutscher Holzplastik des 15. oder
16. Jahrhunderts um einige hundert ITlark erwerben. Die
Preise sind erst langsam, dann rascher auf schwindelnde
Höhen gestiegen. Summen oon 20.000 - 50.000 lllark für
eine deutsche Holzfigur sind heute nichts Seltenes mehr,
während früher solche Preise nur für italienische marmor-
lind Bronzebildwerke bezahlt wurden. Gerade wie bei den
lltöbeln, oeranlaßt auch bei den deutschen Holzskulpfuren
das llJaterial einen off sehr bußwürdigen Zustand solcher
alter Werke. Es fehlen fiiße, Hände, Aasen und sonstige
Attribute, die ursprünglich fast ausnahmslos farbige fassung
ist entweder ganz oder teilweise oerschmunden, spätere
Bemalungen haben den ursprünglichen Reiz entstellt. Auch
hier sind die llluseen für die Wiederherstellung oorbildlich
gewesen. Zunächst in einer heute allgemein als schlecht
empfundenen lllanier, man entfernte oor mehreren Jahr
zehnten noch ziemlich regelmäßig bei figuren, die keine
tadellose farbige fassung hatten, diese ganz und ließ die
figuren im rohen Holze stehen. Die fehlenden Stücke aber
wurden, so gut es gehen wollte, ergänzt, meist nicht
mit der Absicht, diese Ergänzungen als alt erscheinen
zu lassen.
Da die Preissteigerung naturgemäß im Alterfums-
handel in allererster Pinie die Qualitätsstücke, d. h. die
jenigen, die künstlerisch am höchsten stehen und am besten
erhalten sind, betroffen hat, so lag es sehr nahe, bei den
Holzfiguren eine künstliche Wertsteigerung herbeizuführen,
indem man dieselben nicht nur ergänzte, sondern zum Teil
auch oeredelte. Die raffinierte fälschungstechnik ist hierin
so weit gekommen, daß ihre Tätigkeit nur außerordentlich
schwer zu erkennen ist. Einige Beispiele: Es findet sich
im kleinen Antiquitätenhandel ein Bruchstück der figur
eines heiligen Ritters, etwa eines hl. Georg oder eines hl.
florian, bestehend im wesentlichen aus dem Rumpf und
den Beinen der figur, Kopf, Arme und fiiße und die dazu
gehörigen Attribute fehlen. Wohl aber sind auf diesem
traurigen Überbleibsel noch einige Spuren oon färbe zu
entdecken. Der geschickte Restaurator wird diese figur so
täuschend ergänzen, daß dem Käufer in erster Pinie die
echten alten Teile, die nach JTTöglichkeit im alten Zustande
erhalten bleiben, in die Augen fallen und wird die neu
dazu gemachten Teile in einer Weise herstellen, daß nur
die genaue Untersuchung diese als neu zu erkennen oermag.
Er geht aber auch noch weiter. Gewisse Gruppen oon
Holzplastiken, wie z. ß. diejenigen Riemenschneiders, des
Würzburger Bildhauers, der Spätgotik und der friih-
renaissance sind besonders gesucht, mäßige Holzfiguren
aus der Zeit oon 1500—1520 gibt es massenhaft. Der
geschickte Restaurationskünstler wird sich sagen, wenn
ich eine altbayrische figur, die mich im Ankauf oielleicht
1200 IHark kostet, unter Stehenlassen gewisser alter ge
schleißter und farbig gehaltener Teile so ummodle, daß sie
nicht mehr der oberbayerischen, sondern der unterfränki
schen Schule und speziell der oon Riemenschneider ange
hört, so werde ich dadurch das zehnfache des angelegten
Preises oerdienen. Hier liegt ebenso, wie bei der Her
stellung oon Kopien und der Herstellung neuer Blodelle im
alten Stil ein bewußter Betrug oor. Rur ist er noch oiel
schwerer zu fassen, als wie es bei der Aeuherstellung der
fall ist. Auch hier tritt wieder der fall ein, daß durch
geschicktes Bänderen des betreffenden Gegenstandes durch
eine ganze Reihe oon mitfelpersonen der Aachweis unge-