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Internationale S a m mI e r -2eitu n g. 
Hummer 12 
liehe Werkstätten aller Art, in denen alte Gelehrte und oiele junge 
Kräfte eifrig an der Arbeit sind, die im lAuseum so klar zutage 
tretenden Tücken in der menschlichen Erkenntnis zu schließen und 
das lAaterial zu oerarbeiten, das die zahlreichen kleinen, meist 
mit freiwillig sich meldenden Hilfskräften ausgesfaltetcn filiol- 
Stationen an allen wissenschaftlich interessanten Punkten der €rde 
sammeln und einsenden für das grolle ffluseum. Dieses bedeutet 
das Gedächtnis und geistige Zentrum der ganzen Welt, und aus 
allen Tändern strömen Helfer und frager, Arbeitsfroh« und Wissens 
durstige zusammen, um auch nach ihren Kräften die menschliche 
Erkenntnis zu fördern im Sinne des menschlichen Tebensprinzipes. 
Der Verfasser schließt seinen schöne.t Zukunftstraum mit dem 
Wunsche; „lAage es deutsche Erde sein, auf der einmal dies Ge 
bäude ersteht, das lAuseum der Crkenntnis.“ 
Der fiilöesheimer Silberscba^. 
Otto Seeck, der ausgezeichnete Kenner altrömischer und 
frühgermanischer Altertümer, hat im Juni-Hefte der „Deutschen 
Rundschau“ eine interessante Hypothese über den berühmten 
Hildesheimer fund ausgesprochen, die auch auf das Taien- 
publikum ihren Eindruck nicht oerfehlen wird. Denn sie bringt 
eine Heldengestalt der germanischen Geschichte mit dem Silberschat] 
in bedeutsame Verbindung, deren Flame seit den Zeiten des Augustus 
bis auf unsere Tage den Deutschen roohloertraut gewesen ist. 
Bekanntlich wurden diese Kostbarkeiten oor 45 Jahren in 
nächster llähe der Stadt Hildesheim zutage gefördert, als eine 
Truppe oon Soldaten einen Schiefistand herrichten sollte. Illan 
stiefj beim Tackern des Erdbodens auf Hindernisse, glaubte zuerst 
schwärzliches Eisenmaferial oor sich zu haben, dann kamen aber 
Silbergefäfje zum Vorschein, eine Anzahl hafte die form oon 
eimern, in diese hatte der Besser des Schoßes wiederum kleinere 
Gegenstände geborgen, Becher, Teller, Speisegeräte. Als der ganze 
Schah zutage gefördert mar, konnte man foststellen, dal] hier herr 
liche Kunstwerke oon Silbcrschmiede-Arbeit oorlagen, deren griechi 
scher und römischer Ursprung mit Bestimmtheit festzustellen war. 
Daneben jedoch befanden sich große unförmliche Gefäße oon 
barbarisch roher farm. Die Stücke waren nur teilweise unoersehrt 
erhalten. Eine erhebliche lAenge war auseinandergebrochen, und 
die Vermutung lag nahe, daf] dies Zerstörungswerk ein absicht 
liches gewesen. Durch Jahrzehnte hat sich nun die Kunstforschung 
mit dem gesamten Apparat der Altertumswissenschaft der Unter 
suchung dieses wichtigen fundes gewidmet. Cs liegt auch ein aus 
führliches gelehrtes Werk (oon Pernice und Winter) oor, das 
genauen Bericht gibt über die Beschaffenheit der einzelnen Objekte, 
über die oollzogene müheoolle Arbeit einer Wiederzusammen- 
steltung oder Crgänzung der Bruchstücke und ferner über die 
wissenschaftlichen Crgebnisse. Danach wäre der fund oor allem 
in zwei Gruppen zu gliedern, in die Stücke hellenisch-römischen 
Ursprungs und ferner in jene Krüge, die germanische Schmiede- 
Arbeit oerraten. FAan darf sie im Vergleiche zu den Kunstwerken, 
denen sie zugesellt gewesen, als „Bauernware“ bezeichnen. Ihre 
Riesengröfje deutet darauf hin, daf] sie für lAet oder Bier berechnet 
sind. Auch sie zeigen Ornamente, die aber in kindlich unaus- 
gebildeter form gehalten sind. Wahrscheinlich hat der wackere 
germanische Handwerker antike Vorbilder gekannt und die Absicht 
oder die Weisung gehabt, sich der llachahmung zu befleißigen. Die 
Gefäße und Geräte griechisch-römischer Herkunft zeigen zum größten 
Teile oollendete Kunst. 
Otto Seeck schließt sich der kunsthistorischen forschung an, 
die als Zeitgrenze für die Entstehung das Walten des ersten römi 
schen Kaisers bestimmt sehen will. Doch nach rückwärts will die 
forschung weit zurückgehen, mit einiger Sicherheit erkennt sie 
Objekte, die 150 bis 200 Jahre oor dem Augusteischen Zeitalter 
gearbeitet worden, ja eines der schönsten Gefäße glaubt man auf 
die hellenische Kunstperiode des 5. Jahrhunderts n. Ehr. zurück 
führen zu können. Um einzelne der Gefäße schlingen sich Ornament 
bänder, sic oerraten die Flamen der früheren Besißer. Seeck zieht 
nun wichtige folgerungen. Ein früherer Besißer muß ein oornehmer, 
reicher, hochgebildeter Römer gewesen sein, wahrscheinlich ein 
hoher Offizier, denn sonst wäre sein Verweilen in einem der damals 
unwirtlichsten Gebiete Germaniens nicht recht erklärlich. Aach dem 
Geschmacke der Augusteischen Zeit scheint er ein Sammler non 
künstlerisch gearbeiteten Kostbarkeiten gewesen zu sein. Er liebte 
es, sich auch im häuslichen Gebrauche solch schöner Dinge zu be 
dienen. Eines dieser Gefäße trägt auf dem Ornamentbande den 
Hamen ßoehus und deutet damit auf nordafrikanischen Ursprung 
hin, in den dortigen Gebieten römischer Herrschaft gab es noch 
Geschlechter, die sich des Ursprunges aus numidischen fürsten- 
geschlechtern rühmten. Aun wissen wir, daß Quintilius Varus, 
beoor er aus Syrien nach Germanien beordert worden, Prokonsul 
oon Afrika gewesen, wo er reichliche Gelegenheit gehabt, wie 
manche seiner erwerbslustigen Kollegen als gestrenger lAachthaber 
derartige Kleinodien an sich zu ziehen. lAan hätte es also etwa 
mit einer Reisekassette des römischen Generals zu tun, die nach 
dem unglücklichen Verlaufe der Schlacht im Teutoburger Wald als 
willkommene Beute mit Beschlag belegt worden, Unter den Schößen, 
die jenes eroberte römische Tager dargeboten, hat das feldherrn- 
zelt des Varus sicherlich den kostbarsten dargestellt. Er mußte 
daher auch dem oornehmsfen der germanischen Sieger zugefallen 
sein. So tritt uns denn die Gestalt des Cherusker-fürsten Her 
mann entgegen, als des Erringers der herrlichen Beute. 
Der fund leitet ferner zu der Annahme, daß er das Ergebnis 
einer uorhergegangenen Teilung darstelle, bei der gleichmäßig oon 
jeder Gattung eine Anzahl Stücke gesondert worden. Aach Seeck 
hat Hermann mit seinem Oheim Inguiomarus, der zugleich sein 
gefährlicher Aebenbuhler war, diese werfoolle Beute geteilt. Später 
sieht sich der Held im eigenen Stamme bedroht und in höchster 
Gefahr. Er hat einen Teil seines Schoßes rücksichtslos zerstören, 
d. i. zerhacken müssen, um seinen Anhang zu oermehren und zu- 
oerlässig zu erhalten. Den Rest hat er an sicherer Stelle geborgen. 
Es ist zu furchtbarem Kampf gekommen, und daß Hermann und 
seine Schar oöllig aufgerieben worden sind, daß auch nicht einer 
entkommen, erhellt aus der Tatsache, daß der Schaß nach Hermanns 
Untergang nicht gehoben worden, sondern seine Entdeckung unserer 
Zeit oorbehalten geblieben. Der Schaß aber würde, wenn Seecks 
Darstellung recht behalten, für unser Geschlecht einen tiefsinnigen 
Charakterzug erhalten, ein dämonischer Glanz würde die unseren 
den Edelsteinen angehaftet, die Siegfried dem Drachen genommen. 
Zum Unheil ist er dem Römer-feldherrn geworden, der ihn im 
fernen Süden an sich gebracht, zu Unheil seinem Erben, dem ger 
manischen Besieger des stolzen Imperiums. f. Zw.
	        
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