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Hummer 13 
internationale Sammler-Zeitung. 
Bedeutung, Che mir nun auf den Zusammenhang zwischen 
Sammler und Schaffenden näher eingehen, sei noch ermähnt, 
daß auch aus der Art und Weise, roie sich der Sammler 
zu seinem Werke stellt, tiefgehende Schlüsse erlaubt sind. 
ITlancher hütet es roie seinen Augapfel, und läßt es oon 
niemandem besichtigen, andere wieder breiten ihre Schäle 
oor jedem aus, der will, oder auch nicht und oerlangen, 
dafj er sie würdige, bewundere usro. 
Hiemit ist aber die Psychologie des Sammlers noch 
nicht erschöpft. Denn manche begehren nur die erlesensten 
Dinge, etwa römische münzen mit Stempelglanz, kostbare 
Brokate, wunderoolle Porzellane. Ihr Wunsch geht bloß 
nach ITleisterroerken. Andere wieder kennen keine größere 
Jreude, als Dinge zu haben, die ein anderer Sammler nicht 
hat, und wäre im Stande, eine ganze Auflage einstampfen, 
alle Bilder Rafaels uernichten zu lassen, bloß damit sie 
selbst lauter Unika besäßen. Und hier berühren sie sich 
wieder mit den Künstlern, die sehr häufig für die Schöpfungen 
anderer nicht das geringste Verständnis haben, und nur 
sich selbst, die eigenen Werke sehen. 
Dieser Zusammenhang zwischen der Seele des Samm 
lers und des Künstlers ist ein außerordentlich tiefer. Ich 
rede nicht daoon, daß Sammler oft Künstler sind und 
umgekehrt, daß Sammler oft nichts anderes sind als 
Künstler, denen die eigentliche Schöpfungskraft fehlt. Ich 
rede daoon, daß die Tätigkeit des Sammlers und des 
Künstlers auf derselben Grundlage basieren, auf welcher 
sich der Tatendrang des ITlenschen überhaupt und die 
Ciebe erheben, Cs ist dies der oft uneingestandene Wunsch 
des Weiterlebens nach dem Tode. Gr ist es, der den Bauer 
bewegt, Obstbäume zu pflanzen, oon denen erst der 
Sohn früchte sehen wird, der dem Handwerker dos Werkzeug 
führt, der dem Künstler JTleisel, Pinsel, die Jeder in die 
Hand drückt, und der manchen heißt, Gegenstände Zu 
sammentragen, sie zu katalogisieren, zu beschreiben. 
Cs ist der Wunsch, nach seinem Tode weiter zu leben, der 
ihn dazu bestimmt. 
Das erklärt nun, warum so oft Junggesellen zu 
Sammlern werden, und warum sie ein so großes Gewicht 
darauf legen, daß ihr Werk geschlossen, wenn möglich mit 
ihrem Flamen bezeichnet, sich den Aachkommen überliefere. 
Deswegen erscheint es mir stets als ein trauriges 
Schauspiel, wenn Sammlungen in den Wind gestreut werden, 
sei es, daß die Crben sie zum Verkaufe bringen, sei es, 
daß der Schöpfer selbst sich oon seiner Schöpfung trennt. 
Ich habe oft oersucht, mich in den Gedankengang 
eines solchen ITlenschen, der sich freiwillig seiner Schöße 
entäußerf, zu oerseßen und immer kam ich zu demselben 
Resultate, daß es wohl kaum ein ergreifenderes Bild geben 
könne als das desjenigen, der, um sein höchstes Gut oor 
sicherer Vernichtung durch oerständnislose Hände zu retten, 
es lieber selbst einer unsicheren Zukunft anoertraut, und 
so selbst zerstört, was ein lllenschenleben geschaffen. 
Und immer und immer wieder hat es mich gereizt, 
Sammlungen, die zum Verkaufe gelangen, zu besichtigen, 
und meine, wohl nicht immer zutreffenden Schlüsse zu 
ziehen. Cs läßt sich unter alten Gegenständen gut träumen; 
mit ein wenig Phantasie beleben sich die Räume, jenes 
Bild, diese Uhr erzählen ihre Geschicke. Gine Altroientasse 
mit einer zärtlichen Aufschrift läßt eine ganze Gpoche ooll 
sanfter, anheimelnder Reizen erstehen, man glaubt das 
Cied zu hören: als der Großoater die Großmutter nahm. 
Dinge, an denen man sonsl ooriibergeht, gewinnen Be 
deutung, und Kleinigkeiten, die man oft nur fühlen, nicht 
roahrnehmen kann, öffnen die Tore doii Seelen, die wir 
nie kannten, und uns mit einem ITlale oertraut werden, 
als seien es unsere eignen. Oder ist es wirklich nur unsere 
eigene, die wir in einem uralten Spiegel sehen, und nur 
nicht zu erkennen oermögen? Dürfen wir schließen, daß 
der Sammler eben jene Qualitäten schäßte, die wir zu 
entdecken oermeinen, daß die zärtliche Aufschrift es war, 
die ihn reizte, jene Tasse zu erstehen? Oder komplettierte 
das Stück bloß eine Serie? 
Gine der Sammlungen, die am meisten zum ITach- 
denken oder zum Phantasieren oerführte, war jene des 
Gutsbesißers Flikolaiewitsch aus Odessa, die oor zirka 
zwei Jahren im Kunstoereine zur Versteigerung gelangte. 
ITlan denke eine Sammlung, die im 18. Jahrhunderte 
in Rußland entstand. Rieht einmal in Petersburg, sondern 
bei Odessa. Gine Sammlung, die im Allgemeinen so 
einheitlich war, daß sie unbedingt im Grundstöcke syste 
matisch entstanden sein muß. 
Rußland im 18. Jahrhundert — Was ist das? Das 
ist die Zeit Peter des Großen, Katharinas II.’— die 
Zeit der großen Ceidenschaften, des Gärens, Werdens. Wir 
haben in der Schule gelernt, daß damals westeuropäische 
Kultur geradezu zwangsweise eingeführt werden mußte, 
daß Barbarei noch ein ziemlich milder Ausdruck für die 
Zustände sei usro. Peter, Katharina mußten als Belege 
dienen. 
Und nun entdecken wir irgendwo unten in der 
ProoinZj da saß damals ein Gdelmann. Der machte, roie 
so oiele andere, seine Bildungsreise nach Guropa. Und 
dieser oon der Kultur unbeleckte, höchstens oon derselben 
getünchte oder angehauchte Barbar — kauft Bilder. Schon 
das ist sehr merkwürdig, noch merkwürdiger aber ist 
es, was für Bilder er sich anschafft. Wenn man oom 
18. Jahrhundert spricht, Künstler erwähnt, so sind es die 
Ramen Boucher, Jragonard, Greuze, Chodoroiecki, Tiepolo 
usw., die einem einfallen, und man denkt sich: Ru ja, 
der Russe wollte in seine Wüstenei eine Crinnerung an 
die freuden des Westens mitbringen, etwas oon dem 
froufrou der seidenen Röcke oon Versailles, oon dem 
Parfüm des liebenswürdigen, aber ach auch so bodenlos 
benüßten Ceichtsinns, oon der liebenswürdigen Gesellschaft 
holder Damen um sich haben. 
Und wir fänden es sehr begreiflich, wenn wir einige 
jener entzückenden Ungezogenheiten und Unangezogenheiten 
fänden, die uns mit ihrer Grazie, ihrer delikaten Jarben- 
gebung über die eigentlicüe Hohlheit hinroegtäuschen. 
Wir sehen und staunen. Da hat der griechisch 
orientalische Christ ein Bild oon Coxic gekauft — gut, 
das ließe sich mit dem Wunsche erklären, etwas aus dem 
Kreise um Rafael zu besißen, wenn es ihm nicht gar als 
ein Rafael oorgeführt wurde. Aber auch weiter staunen 
wir. Wir suchen oergebens nach schmachtenden ITlarquisen, 
nach Rlädchen, die ein roohlgefarmtes Bein zeigen, deren 
Busentuch sich oerschoben hat, nach galanten Abbe'es, die 
Tanzunterricht erteilen. Sondern wir finden hauptsächlich 
Candschaften, Stimmungsbilder, die mit feinem Geschmacke 
ausgeroählt, eine Reihe bekannter Künstlernamen aufroeisen. 
Ginen solchen Geschmack hätten wir in Paris, in 
Amsterdam oder sonst einem alten Kulturzentrum oer 
mutet, nicht aber in Odessa. 
Und dann ist noch ein Kopf da, der gut genug 
für Velasquez wäre, das Porträt eines Kardinals oon Cham 
pagne, ein Porträt oon Goya. So reicht die Vergangen 
heit bis in die Gegenwart. Wer mag dieser FRann gewesen 
sein, der so oon der Schablone absticht? War es ein 
Grandseigneur, der das Teben in oollen Zügen genoß, und 
der auf die friponnerien eines fragonard, eines Boucher 
oerzichten konnte, weil er täglich bei solchen Dingen mit- 
wirkfe, und sich oon dem Trubel des Hebens in der Be 
trachtung der stillen landschaften erholen wollte, oder war 
es im Gegenteile ein Träumer, der ruhig eines Weges zog 
und die Bilder als etwas kongeniales empfand. Wenn 
derselbe Sammler die genannten Porträts, dann die Reiter 
gefechte und die Skizzen erwarb, dann möchte ich glauben, 
daß es kein Vioeur, sondern ein stiller ITlann war, der 
in den Candschaften seine eigene, ruhige Seele roiederfand,
	        
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