Hummer 14
Seite 217
Internationale Sammler-Zeitung.
Von Joseph Ignace Guillotin, dem berühmten fran
zösischen Arzte, der der Guillotine den Ramen gegeben
hat, bringen mir in fig. 5 ein kurzes Autogramm: Datum
und Unterschrift.
ln 5ig. 6 sind die Schlufjzeilen eines Briefes non
Artur Schopenhauer faksimiliert, der bei Griesebach
fehlt und aller Wahrscheinlichkeit noch unediert ist. Gs
ist ein sehr herzlicher Kondolenzbrief an fräulein ITlaria
Dorguth in FRagdeburg anläßlich des Todes ihres Vaters.
Der Philosoph klagt da: „Ich habe an ihm einen freund
oerloren, der . . . 19 Jahre hindurch mir den lebhaftesten
Anteil bemiesen hat und der erste entschiedene und stand
hafte Vertreter meiner Philosophie geroesen ist.“
Den Beschluß unserer kleinen Auslese möge ein
Autograph des berühmten Rlalers und Kunstschriftstellers
Anton Raphael Ulengs bilden, (fig. 7.)
Das Schreiben, dem die Schlußformel mit Rlengs
Unterschrift entnommen ist, mar an den Porträtmaler
Anton oon JRaron in Rom (Rlengs Schmager) gerichtet.
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Heue Funde i
Der französische Archäologe Albert Gayet, der sich bereits I
seit einer Reihe non Jahren die Trümmerstätte des alten Antinoe
zum Schauplaß seiner Grabungen ausersehen hat, bietet auch in
diesem Sommer roieder einen Überblick über die reichhaltigen
funde, die ihm mährend der Arbeiten des lebten Jahres ge
glückt sind.
ln den Räumen des Pariser lllusee d’Ennery hat er eine
stattliche Sammlung oon Dingen aller Art ausgestellt, die uns den
Duft und die Stimmung einer oielhundertjährigen Vergangenheit
in anschaulicher form nahebringeu. Gayet hat in den Ruinen oon
Antinoe eine ganz neue, uns eigenartig anmutende Welt entdeckt,
ein Stück jener späten, überfeinerten und dem Untergang geweihten
Kultur der lebten römischen Kaiserzeit, da noch einmal auf dem
ägyptischen Boden die uralten Kulte der (Hysterien zu frischem
leben erwachten, beoor das siegreiche Christentum sie oernichtete.
Solch heidnische Vorstellungen, aus ferner ägyptischer und griechi
scher Zeit noch hinüberklingend in das Ceben der „letzten Heiden“
oon Antinoe, gewinnen in dem wichtigsten dieser neuesten funde
Gayets Gestalt, in der Ulumie einer Priesferin, die sich der Ver
ehrung des unter der Gestalt des schönen Antinous wieder auf
lebenden Osiris geweiht hatte. Diese Dienerin des Osiris-Dionysos-
Antinous, heute eine alte schwärzlich gebräunte Ulumie, ein Bild
trauriger Vergänglichkeit, mar oor 1600 oder 1700 Jahren eine
Hauptperson bei jenen wilden, in Raserei ausartenden festen, in
denen die Vernichtung des frühlings durch den Sommer dargestellt
wurde. Cs waren das die „Pancgyrien“ der Ckstase, und die
Priesterin stellte in ihren leidenschaftlichen Gebärden und in der
Ausübung des strengen, oon alters her überkommenen Zeremoniells
die schwüle Gemalt und den heißglühenden Odem des Sommers
dar. Die Raserei ihrer religiösen Übung steigerte sich zu Selbst-
oerleßungen, die sie sich beibrachte.
Gayet hat, nachdem er die Binden der Ulumie gelöst, noch
die Wunden, Schnitte und Risse an ihrem Körper aufgefunden.
Sie lag im Sarge, bedeckt mit einer tllaske, an der man die 111 ode
aus der Zeit der Kaiserin Sabina erkennen konnte, geschmückt mit
einem „Blumengewande“, oon dem die alten Schriften erzählen.
Das ganze Kleid war ein Gewebe aus Blumenornamenten, über
und über mit blühenden Zweigen bedeckt, lieben dieser Priesterin
der Panegyrien sind kleine Idole ausgestellt, die erkennen lassen,
wie sich damals die eleusynischen Itlysferien mit dem Kultus des
Osiris oerbanden: eine Jsis-Demeter, ein Osiris-Dionysos. Tun wir
hier einen Blick in die dumpf erregte Sphäre des „Religionschaos“,
das die Gemüter damals zu furchtbaren Rasereien aufpeitschfe, so
aus flntinoe.
| stellt sich uns nicht weit daoon ein rührenderes, unschuldig reines
Bild des Todes dar. Aus dem Grab eines kindlichen Geschwister
paares, des jungen Didymos und seiner kleinen Schwester Cydia,
hat Gayet eine ülenge Spielzeug ans Eicht gebracht, kleine, niedlich
geformte Holzpuppen, einen recht stolz daherreitenden Soldaten,
Steine eines Brettspiels, Würfel usw. Da ist auch noch das zier
liche Halsband des Mädchens, aus kleinen blauen Steinen gearbeitet,
ihr Ring, der einst einen überzarten, dünnen finger umschlossen
haben mut3, die Hand einer früh dem Tode Geweihten, der Spiegel,
an dem ihre kindliche Eitelkeit sich erfreute, da sind auch die
Kugeln, mit denen wohl der junge Didymos gespielt haben mag.
Eine Reihe anderer Ulumien, mit denen zahlreiche, köstlich
gearbeitete Schmucksachen der Erde entrissen wurden, erhalten
ihre besondere Bedeutung durch die Wachsgemälde, mit denen sie
geschmückt waren. Diese herrlichen Grabgemälde, die ja eine hohe
Blüte der antiken ITlalerei und Portraitkunst erschließen, haben zum
Teil ihre färben in der ersten frische bewahrt. Sie lassen uns
die lieblichen Züge junger, schöner frauen, deren Ulumien zur Un
kenntlichkeit zusammengeschrumpft sind, deren llamen wir nicht
einmal wissen, in all ihrer einstigen Anmut erstehen. Außer
diesen so ähnlich und lebendig gegebenen Gemälden, deren Zahl
groß genug ist, um einen ganzen Saal eines Uluseums zu schmücken,
sind hier auch noch Totenmasken aus gemaltem Gips aufgestellt,
die mit einer noch stärkeren Anschaulichkeit die Züge der Ver
storbenen festhalten. Eine dieser Ulasken, ein junges Ulädchen
uon reinstem griechischen Typus, die aus dem 5. Jahrhundert nach
Christo stammt, ist besonders schön. Schwarze, leuchtende Augen
aus Email sind in den Gips eingelegt und blicken mit einem rätsel
haft starren, seltsam strahlenden Ausdruck auf uns. Prachtuoll
ist der oolle, ernste kleine Ul ind modelliert. Eine andere lllaske
stellt wieder einen rein römischen Typus dar. Die Statuette einer
Schußgöttin mit bläulich schimmernden Haaren ist ebenfalls ein
schönes Kunstwerk. Bemalte Tongefäße, edel geformte Grablampen,
gebrechlich feine Gläser, Gegenstände des täglichen Cebens oerooll-
ständigen dies reiche Bild der Vergangenheit.
Die seltensten und kostbarsten dieser kleineren funde aber
sind wohl die schönen Kleider, die feinen Gewebe und Stickereien,
die noch ziemlich unoersehrt in den Gräbern aufgefunden wurden.
Eine reiche Ornamentik oon stilisierten Blumen und Vögeln schmückt
die Stoffe, und diese Einien und formen, Sinnbilder und Symbole
längst oergessener Anschauungen haben in ihrem Stil etwas merk
würdig modernes, wie wenn sie erst heute uon einem feinsinnigen
lUadekünstler ersonnen wären . . .