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Inter nationale Sammler-Zeit uni].
Seite 251
Chronik.
Ansichtskarten.
(Berner Ansichten.) Der rührige Postkarfenoerlag Franco
Suisse in Bern hat wieder eine neue Serie farbiger Künstler
karten non Bern und Umgebung herausgegeben, die schon deshalb
beachtenswert ist, weil sie im Farbenlichtdruck hergestellt ist.
Dieses Verfahren wurde bis jetjt der großen Schwierigkeiten wegen
nur für Blumenkarten und dergleichen angewandt. Jede Farbe wird
hier mit einer öelatineplaffc gedruckt, welche außerordentlich em
pfindlich für den leisesten Temperatur- und Feuchtigkeifswechsel
ist, wodurch das Hufeinanderpassen der uerschiedenen Farbenplatfen
ganz ungewöhnlich erschwert wird. Die neuen Karten sind also
besonders nach dieser Richtung hin als ein Fortschritt zu bezeichnen.
Die färben sind denn auch oiel zarter, als dies mit irgend einem
andern Reproduktionsuerfahren erzielt werden kann. Wir zweifeln
nicht, daß die gelungene Sammlung uon 24 der bedeutendsten
Sfadtansichten eine gute Aufnahme finden werde.
Flutographen.
(Der Autographen-lTachlaß Adolf 111 tiIlers sen.) Das
Kunstantiquariat S. Kende in Wien hat eine interessante Samm
lung non Hutographen- und IHusikpiecen erworben, welche aus
dem llachlasse des Komponisten und ehemaligen Kapellmeisters
des Theaters an der Wien, Adolf ITlüller sen. stammen Der lJame
Adolf müllers war fast durch ein halbes Jahrhundert mit der
lllusikgeschichfe Wiens innig oerknüpft. ITlüller sen. pflog regen
Verkehr mit den geistigen Kapazitäten seiner Zeit, oon denen er
auch zahlreiche Briefe erhielt. Von heruorragenden Hamen, die in
der Sammlung uertreten sind, seien genannt: Assmayer, Berlioz,
Czerny, llloscheles, Rubinsfein, Seyfried, Abbe Stadler, Johann
Strauß und Suppe. Aus der Wiener Theatermelt finden mir Hamen
wie nestroy, Direktor Karl, Saphir, Unger-Sabatier, Cd. Deurient,
Fichtner, Cöroe, Pepi Gailmeyer, öeistinger, Ca Roche, Cckhard gen.
Koch u. a. Von £. Anzengruber ist ein schöner Brief oorhanden.
Gin Autogramm Richard Wagners sei besonders heruorgehoben.
Auf einer Photographie Wagners uon Hanfstaengl ist die Firma
des Photographen durchgestrichen und durch folgende Zeilen erseßt:
„Aus Versehen ist das Porträt mit Franz Hanfstaengl unterzeichnet.
Ich heiße und bin Jhr freundschcftlich ergebener Richard Wagner.
Hamburg, 24. Januar 1873.“ erwähnenswert sind auch zwei Curiosa
in der Sammlung: eine alte Dose des Großuafers Beefhouens
Regenschori in Amsterdam, die uon Beethooen in hohen ehren
gehalten wurde, und eine Dose der Constanze Hiessen, der Frau
IHozarts, die oon ihr seinerzeit dem Hölzl (Vater) oerehrt wurde.
(ein Autograph oon Ulrike oon Ccoeßow.) Zu den
Seltenheiten der Sammlung Henrici, die mir in Hr. 14 schon be
sprochen haben, zählt auch ein Brief der 44jährigen Ulrike oon
Ceoeßow, die in der „Trilogie der Ceidcnschaft“ oon Goethe, der
1822 und 1823 in IHarienbad und Karlsbad mit ihr zusammen
traf und froß seiner hohen Jahre an eine Che mit ihr dachte,
ueremigt morden ist. Ulrike schreibt aus Triebliß den 21. Sep
tember 1898: „Wohl hast Du recht, liebes Herz, wir leben in
einer bösen Zeit und gehen einer noch schlechteren endgegen,
wenn uns ein noch längeres Heben beschert ist auf dieser dennoch
so schöhnen Crde“ .... „Ich hörte, daß die Kaiserin am 10.
in Genf ermordet wurde . . . dach ich will ja nicht mer (!) dran
denken, roenn es mir möglich märe, es ist ja auch nicht um die
arme Kaiserin, wohl thut sie mir sehr leid doch oiel mehr noch
der Kaiser“ ... Die Greisin schreibt dann ausführlich über ihre
Umgebung und Crlebnisse („Ceider bin ich in meinem Briefen an
Dich, liebes Herz, immer oiel zu weitläufig“) und der beschauliche
Plauderton gibt einen recht ansprechenden klick in den friedlichen
Cebensabend einer oornehmen Seele, die in ihrer Jugend einen
Goethe zu heißer £iebe entflammte.
Bibliophilie.
(Goethes „U r m e i s f e r“.) Wie uns der Cottasche Verlag
mitteilt, ist nach Überwindung immer neuer Schwierigkeiten nun
mehr als gesichert zu betrachten, daß Goethes „Ur me ist er“
im September dieses Jahres erscheinen wird „Wilhelm Heisters
theatralische Sendung“, das ist der eigentliche Titel, liept den „fehr-
jahren Wilhelm Kleisters“ zugrunde, bietet aber inhaltlich wie .sti
listisch wesentlich anderes als der spätere Roman und ist kein Frag
ment wie der „Urfausf“, sondern oollkommen lückenlos, streng
einheitlich und abgerundet. GinerCuxus-Ausgabe für Bücherfreunde,
die nur in einer beschränkten Anzahl numerierter Gxemplare her
gestellt wird, soll im Abstand oon etwa drei Wochen eine wohl
feile, aber bestens ausgestattete Ausgabe des mit so großer Span
nung erwarteten Werkes folgen.
(neue Fu nde in d er Gießener Lin i uersi t ä tsbi bli othek.)
Aus Gießen wird gemeldet: Unter den im Jahre 1908 oon der
Gießener Unioersiätsbibliothek erworbenen Papyri hat Prof, Dr.
Glaue, dem wir bereits die Gntdeckung der Gießener Fragmente
der gotischen Bibel oerdanken, die Reste einer bisher unbekannten
griechischen Überseßung des samaritanischen Pentateuchs nachge
wiesen. Gin interessantes juristisches Stück derselben Sammlung
hat Prof. Cger in Basel untersucht und als ein oorzüglich erhal
tenes Gesuch um prätorische Crbfalge, gerichtet an den Präfekten
oon Ägypten oom Jahre 249 n. Ch., festgestellt. Das Gesuch ist
in lateinischer Sprache abgefaßt, mit griechischer Überseßung oer
sehen und in der nur selten erscheinenden älteren lateinischen
Kursioe geschrieben.
(Absch 1 uß der Inoentarisierung der Inkunabeln in
Deutschland.) Die im Hooember 1904 uon Althoff eingeseßte
Kommission für den Gesamtkafalog der Wiegendrucke hat ihre
erste Aufgabe, die Jnuentarisierung aller Frühdrucke oar dem Jahr
1500 in den Bibliotheken Deutschlands nunmehr abgeschlossen.
Die Inoentarisation wurde im wesentlichen durch die fünf lTlit-
glieder der Kommission H. Häbler (Berlin), K. Burger (Ceipzig),
G. Freys (IHünchen), A. Schmidt (Darmstadt), 6. Vouillceme
(Berlin), ferner durch J. Kollin (Upsala) und eine Reihe freiwilliger
IHitarbeiter bewältigt. Statt den bisher bekannten 452 wurden
676 Bibliotheken festgestellt, die Inkunabeln besißen. Daoon
entfällt beinahe die Hälfte auf Preußen. Die Kgl. Biblio
thek in Berlin hat in den leßfcn Jahren durch die Ginoer
leibung der Inkunabeln oon Heiligenstadt, Grfurt und Celle und
durch umfängliche freihändige Grwerbungcn ihren Bestand fast
auf 6000 Stück erhöht. Doch darf sich die Hof- und Staatsbiblio
thek in IHünchen eines Besißes uon mehr als 21.000 Wiegendrucken
rühmen, wooon allerdings die reichliche Hälfte Doppelexemplare
sind. Aber auch mit ihrem Grundbestand oon mehr als 9000
uerschiedenen Drucken stellt sich die: IHünchner Bibliothek darin
den reichsten Instituten der Welt ebenbürtig an die Seite. Wie
Direktor Häbler in seinem Schlußbericht im Zentralblatt für Biblio
thekswesen mitfeilt, übersteigt der Gesamtbesiß oon Wiegendrucken
in Deutschland bedeutend das angenommene Hunderttausend.
Vielmehr wurden 145 484 Inkunabeln inoentarisiert. Dabei
wurden annähernd 11500 Wiegendrucke oerzeichnet, die in
den gebräuchlichsten Handbüchern fehlen, ln der Summe sind
auch 800 900 Ginblattdrucke einbegriffen, und da diese Gattung
der Literatur ganz besonders wenig erforscht ist, wird diese Kom
mission demnächst ein „Bibliographisches Verzeichnis oon Ginblatt
drucken des 15. Jahrhunderts“ oeröffentlichen, ln der Anzahl oon
Inkunabeln steht Bayern uoran, es folgt Preußen, in weitem Ab
stand Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen, ln der nun ab
geschlossenen Jnuentarisierung hat die Kommission die Voraus-
seßung und Grundlage für den künftigen Gesamtkatalog der Wiegen
drucke geschaffen und im Hinblick auf dies Ziel im Ausland überall