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Hummer 16
Internationale Sammler-Zeitung.
man darf dem Sammler in seinem edlen triebartigen
Streben keine Grenzen setjen. Es ist nicht die Schwär
merei für das Seltsame, Außergewöhnliche und Unent
wickelte, das den Sammler in Akademieausstellungen und
in die Ausstellungen der Allermadernsten führt; es ist
oielmehr die große Sehnsucht des Entdeckens, die ihn oer-
anlafjt, nicht die reife Ernte, sondern das junge Korn auf
dem Halm zu erwerben. Der echte Kunstfreund wird
demnach den Kultus der Frühperioden nicht den ITluseen
überlassen, sondern er wird auch mit „derlei“ seine
Räume schmücken, wirklich schmücken, nicht bloß füllen.
Gerade auf diesem Felde eröffnet sich dem jungen
Sammler ein großes, hoffnungsDolles Arbeitsgebiet. Wer
Ölskizzen und Zeichnungen der jungen und allerjüngsten
lllaler genau studiert und zu billigem Preise erwirbt,
leistet in mehrfacher Beziehung eine gute Sache, ln
Österreich, in Deutschland, in Frankreich und England
wimmelt es nur so non jungen JTlalern, eine 5ü 11 e der
Werdenden drängt sich unserem Auge entgegen und in
dieser Fülle sind auch die werdenden Größen enthalten.
Wenn wir Skizzen und Zeichnungen junger lllaler kaufen,
schlichten wir die bitterste Hot und oerdienen wir gar
wohl den Ehrennamen oon llläcenen. So sind die großen
Sammlungen oon Blättern eines Rudolf oon Alf in Wien
entstanden; so hat ein in Wien lebender, mit bescheidenen
Illitteln arbeitender Sammler eine einzig schöne Kollektion
oon Schindlers gewonnen, ln ähnlicher Weise, wenn auch
mit bedeutenderen Illitteln und mit einem ungewöhnlichen
Kunstgeschmacke, ist z. B. die Schackgalerie in JTtünchen
entstanden. Der lllann, der den jungen JAakart nach
Venedig geschickt hat und ihm Kopieraufgaben übertrug,
war ein Kunstfreund ersten Ranges, war ein Kenner und
ein Gönner, der mehr geleistet hat, als so mancher
Kunstforscher.
Aus dieser Skizze ergibt sich die Eehre, wenn man
will die llloral des Sammlers, die werdenden Kunstbe
strebungen gar wohl im Auge zu behalten und durch Er
werbung non Gemälden und Skizzen der allerjüngsten
lllaler, zumeist auch der allermodernsten, die grolle Kunst
zu fördern und sich selbst zu beglücken und zu bereichern.
Kleinodien au5 Großmutters 5rhmuckkästlein.
Von Jose? Hugusr C u x.
Unsere lAütter und Großmütter besagen noch einen
Schmuckschat], der den Adel einer hohen bis in die graue
Vorzeit zurückzureichenden Ahnenschaft trägt. Es war Gold
schmiedekunst, die in ihren wesentlichen technischen
lAerkmalen so alt war wie das Handwerk überhaupt.
Was die Jahrhunderte hinzufügen konnten, waren kleine
unwesentliche Verbesserungen oder Formänderungen, die
jeweils oon dem Geschmack und Stil einer Zeit bestimmt
waren.
Wie oerstanden doch die Frauen und lllädchen noch
in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ihre
Kleinodien zu tragen ! Ein feiner Anhauch des klassischen
Geistes, der aus Etrurien, Griechenland und Ägypten kam
und Boticellis Geist inspirierte, ruhte auch noch auf den
Kleinodien unserer Großmütter, diesen Familienerbstücken
und kam oon da in die Porträts und llliniafuren jener
Zeit, die mit einer unoerlöschlichen Eebendigkeit auf un
sere späten Enkel wirkte. Wir neigen uns oor der Grazie,
dem edlen Anstand, der Würde und der Besißfreude je
ner Frauen und lAädchen, die strenge Hüterinnen einer
aus großen Kulturepochen stammenden, höfisch oerfeiner-
ten und bürgerlich gewordenen Tradition waren. Was wir
heute so krampfhaft und mit nicht immer gewissen Er
folgen suchen, persönliche Kulturformen, die der oeredelte
Ausdruck unseres Zeitgeistes sind, hatten unsere Vor
fahren zu Goethes Zeiten im oollen maße. Solche Porträts
standen als Gnadenquellen über der Schwelle unserer
Jugen'd. Wohl dem, für den sie nicht oersiegt sind und
der aus ihnen die Kraft und Zuoersicht gewann, die in
diesem Heben dazu gehört, das Gute um sich zu oersam
meln und das Schlechte abzustoßen. Jn den überlieferten
Sckmuckstiicken und sonstigen Reliquien ihres großen
Staates lebte die Großmutter als fortmirkende Persönlich
keit auch unter uns, obzwar die Kinder sie nicht gekannt
haben, llur ihr Bildnis war da, eine große stattliche
Dame mit schwarzen Haaren, die in der ITlitte gescheitelt
waren und in schönem Schwung tief in die Schläfe hinein
zogen. Das laoendelblaue Seidenkleid war tief ausgeschnit
ten, sie trug ein feines Spißentuch darüber. Um den edlen
Hals lief eine neunfache Perlenschnur, oorn mit einer
großen Goldbrosche zusammengehalten. Sie trug große,
aber ungemein fein gearbeitete Ohrgehänge der Zwan
zigerjahre, in den Haaren einen Steckkamm mit Goldfili
granarbeit und eine ebenso gearbeitete Gürtelschnalle, die
das Kleid und die Taille hielt. Die zierlich aus oielen
Details kunstooll aufgebauten Ringe trugen die schönen
Halbedelsteine, die damals noch so beliebt waren, Topas,
Amethyst und Ehrysopras, Dann waren kleinere Bildnisse
da, Zeichnungen, Pastelle, JTliniafuren aus früheren Jahren,
daran die breitbehandelten Halsketten und sehr aparte
Anhänger sichtbar waren mit der goldenen Inschrift, die
wie ein Eiebesbrief wirkten : „Soul ii vous“.
Wonach die Kunst sich heute sehnt und was ihr
zum Gedeihen fehlt, besaß jene Vergangenheit, auf die
wir zärtlich zurückblicken, reichlich genug, die ästhetische
Freude an gediegenen schönen Teistungen. Es muß damals
ein großes Vergnügen gewesen sein, Goldschmied zu sein,
noch mar der Halbedelstein in künstlerischen Ehren, man
liebte seine Farbe und Teuchtkraft, man wendete ihn in
möglichst breiter Auslegung an, wußte ihn flach zu schnei
den und den Absichten des Künstlers in jeder Art dienst
bar zu machen. Die Handarbeit war noch nicht in Verruf,
sie war geschäßt und nach Gebühr bezahlt. Der Wert des
Schmuckes bestand keineswegs allein in seinem materiel
len Gehalt, er wurde nach der künstlerischen Form beur
teilt und der heute fast auf nichts reduzierte Fassonwert
stand damals hoch im Kurs. Demgemäß wurde auch das
Edelmetall behandelt. Gold und Silber besißt köstliche
ITlaterialeigenschaften, aus denen die besten Ideen ge
schöpft wurden. Das llJaterial ist weich, biegsam, dehn
bar, unoermüsflich, oon edlem Glanz, man suchte und
fand Formen, durch die diese Eigenschaften in ein hohes Eicht
geseßt wurden. Anstatt das llJaterial zu oergewaltigen,
wie es in den fliedergangszeiten oft geschieht, ließ sich
der Künstler durch den Stoff und das Werkzeug inspirie
ren und kam auf diese Weise zu den sinnoollsten Ge
bilden. Die ITlaschine hatte sich der Sache noch nicht be-
j mächtigt, die heute dem Gold und Silber oft das Anse-