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riummer 16 
Internationale Sammler-Zeitung. 
hen oan gestanztem Blech oder lllessing gibt. Zu roelchen 
entzückenden Erfindungen das feine Reßwerk der fiiigran- 
technik führte, kann man an alten Rluseumsbeispielen 
ersehen. Diese Technik ist so alt wie die Goldschmiede 
kunst überhaupt, sie kommt in allen Epochen oor, im 
Orient des Altertums ebenso gut roie in der Volkskunst 
der friesen, im Bauernschmuck so gut roie in den Schaß- 
kammern der Fürstinnen und Bürgerinnen seit der Hoch 
blüte unseres Handwerks bis um die lllitte des neunzehn 
ten Jahrhunderts. Wie konnte der heilige Brunnen dieser 
Kunst oersiegen ? Trauer und Unroillen überkommt uns 
bei dem Gedanken, dal] diese herrlichen Stücke fast nur 
mehr museumsgut sind und dafj das Volk selbst in ent 
legenen Händen den Sinn und Geschmack für diese Dinge, 
den die Vorfahren noch besagen, oerloren hat und sich 
für Schmuckbedürfnis mit der billigen ITtarktroare begnügt, 
ja sogar diese oorzuziehen scheint. 
Das hat die Reuzeit getan. Die lltaschine hat sich 
der Sache bemächtigt und liefert Ringe, Ketten, Armbän 
der, Schließen, Radeln, die einst das Ergebnis einer ge 
dankenreichen und persönlich differenzierten Handarbeit 
roaren, fabrikmäßigen (Rasse und natürlich entsprechend 
billig. Der heutige Juwelier hat nichts weiter zu tun, als 
die oon der IRaschine gepreßten, in der üblichen fabrik 
mäßigen Härte und Glätte gelieferten Bestandteile zu mon 
tieren. Das Publikum, das in diesen Dingen die richtige 
Schäßung oerloren hat, glaubt noch immer Handarbeit zu 
erstehen. Es ahnt nicht, daß die heutige Schmuckerzeugung 
bereits oollständig industrialisiert ist und im Großbetriebe 
erfolgt. Demgemäß hat auch die schöne form und der 
gute Geschmack eine Einbuße erlitten, man schaßt nicht 
mehr so sehr die fassen, die künstlerische Jdee als Diel 
mehr den materiellen Wert. In der schlimmsten Zeit des 
IJiederganges, die roir glücklicherweise schon überwunden 
haben, diente der Schmuck oor allem nur proßenhafter 
Schaustellung des Vermögens. Jm Gegensaß zur früheren 
Kultur, die noch ihre freude an der künstlerischen Arbeit 
hatte, schäßte man schließlich nur noch das sündenhafte 
Geld, das sich in dem Schmuck repräsentierte, und beur 
teilte ihn fast ausschließlich nach seinem marktlichen Real 
wert. Die Jahrtausende alte Goldschmiedetechnik kam in 
Verfall, und Vergessenheit; selbst auf dem Hände, wo der 
Edelschmied noch sein kümmerliches Dasein fristet, blieb 
auch die bäuerliche Kundschaft aus : er konnte der Kon 
kurrenz der tRaschinen und der allgemeinen Geschmacks- 
oerderbnis nicht standhalten. 
natürlich konnte die Erhebung aus dem tiefen Ver 
fall nicht anders erfolgen als aus den neuen Techniken, 
denen bisher der künstliche Adel fehlte. In Paris hatte 
ein Goldarbeiter oor etwa 20 Jahren damit angefangen, 
neue naturalistische formen zu bilden, die dem Zeitge 
schmack entsprachen, und die alten rfahrungen der Gold 
schmiedekunst mit den neuen zu oereinigen. Auch er 
schnitt Halbedelsteine, arbeitete das Gold in leichten, dün 
nen Blättchen aus, schuf feine Hibellen, Schmetterlinge 
und Skarabäen und erzielte ungeheuere Preise, reine fas 
sonpreise, Er hat nicht nur eine neue formenweit für die 
Schmuckkunst erobert, sondern er hat dem material wie 
der den künstlerischen Adel gegeben, den es unter der 
Herrschaft der IRaschine oerloren hatte. Dieser Künstler 
war Rene H a 1 i q u e. fast gleichzeitig jedoch trat auch 
eine Veredelung der fabrikarbeit ein, die sich neuen form- 
anschauungen und Künstlerentroiirfen zugänglicher zeigte 
als der alte Goldschmied, der nicht nur an der Technik, 
sondern auch starr an der überlieferten form festhielt. 
Die modernen Entwerfer und musterzeichner fanden in 
den Schmuckfabriken freundliches Entgegenkommen, denn 
diese arbeiteten für den IRarkt und roaren um so kon 
kurrenztüchtiger, je mehr sie neues brachten. Es hängt 
damit zusammen, daß die neuen Ideen sich zunächst in 
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der billigen IRassenroare und in den unechten oersilber- 
ten oder oergoldeten JRaterialien zeigten. Die kostbaren 
Edelmetallsachen machten den Umschwung langsamer mit, 
sie hielten sich lieber an bewährte formen, die das Ein 
lagsleben zu überdauern oersprachen. Es trat jene Erschei 
nung ein, die in dem leßten Jahrzehnt auf dem Gebiete 
aller angewandten Künste eine atemlose Heße nach neuen 
mustern meistens auf Kosten der inneren Giite bedeutet. 
Eine dritte Reform der Goldschmiedekunst ging oon 
England aus, sie beruhte auf den Anregungen der Kunsf- 
apostel John Ruskin und William IRorris und be 
zweckte die Wiedergenesung oder eigentlich Wiederer 
weckung der alten fast oerloren gegangenen Handroerk- 
techniken. Aber die englischen Goldschmiedgilden, die unter 
der Hebung dieser führenden Geister und insbesondere 
des ausgezeichneten Architekten E. R, Ashbee entstanden, 
griffen nicht nur die alte Handroerksweise, sondern 
mit ihr auch den alten Handwerksgeisf und die alten 
Kunstformen wieder auf. Erst nach und nach, durch Werk 
zeuge und material inspiriert, fanden neue Ideen Eingang 
in diese erweckte Edelmetallkunst, doch keineswegs un 
künstlerisch, sondern die alten Traditionen in sanfter 
Weise roeiterentroickelnd. Sie liebten das Silber des Sil 
berglanzes, das Gold des Goldglanzes wegen ; sie benüß- 
ten die Halbedelsteine wieder, weil sie den Wert der far- 
benschönheit für das Geschmeide erkannten. Das Kupfer 
war ihnen in künstlerischer Beziehung ebenso roertooll 
roie die Edelmetalle; der Wert der kunsthandroerklichen 
Arbeit und der Idee sollte wieder erkannt und geschäßt 
werden. Das material wurde so oerwendet, daß es seine 
höchste dekoratioe Wirkung erreichte, das Goldgeschmeide 
wurde roie beim alten Schmuck aus dünnen Blättchen 
und Drähtchen aufgebaut und nicht aus dem oollen heraus 
gearbeitet. Klan sieht aus den alten Beispielen, daß, 
dünn und leicht behandelt, das Gold eine außerordentliche 
Schönheit gewinnt. Ulan begann wieder roie einst die 
Zeichnung aus kleinen Details zusammenzuseßen, die sich 
als einfache formelemente wiederholen und ebenso kom 
plizierte als edle Gebilde ergeben. 
nicht nur an unserem Biedermeierschmuck, sondern 
auch an den Werken der ältesten Epochen, der griechischen, 
ägyptischen, mykenäischen, etruskischen, indischen und 
romanischen hat man gefunden, daß Reichtum und Schön 
heit der Zeichnung durch Wiederholung einfacher formen 
heroorgebracht wurde. Die schönsten JRuster der Araber 
und Perser sind nur durch Aneinanderreihung und Ver 
bindung einfachster Elemente entstanden, durch geistreiche 
Wiederholung und Wiederkehr aus flachgeflochtenen, ge 
rippten oder kornförmigen Drähten, die, Seite an Seite 
gelegt, an der Oberfläche festgelöfef und oftmals roie in 
den etruskischen und griechischen Erzeugnissen mit win 
zigen Körnern ausgefüllt wurden. Die Broschen, Schnallen, 
Halsbänder und sonstiges Geschmeide aus allen früheren 
Zeiten und Völkern weisen die gleiche handwerkliche Ge 
schicklichkeit auf, so daß man oon einer ununterbrochenen 
Lieberlieferung der primitioen IRefhoden oon den ältesten 
Zeiten bis auf jene großmütterlichen Tage sprechen darf. 
Das technische Einmaleins der Goldschmiedekunst, 
aus der jene formensprache entwickelt wurde, ist uralt, 
die Herstellungsmethoden der Kügelchen, des gesponnenen 
Drahtes, der Punzen und der modeln sind unoerändert 
geblieben und wurden dergestalt oon den englischen Kunst 
gewerblern wieder aufgenommen und somit der weiteren 
künstlerischen Pflege dargereicht. Das Beispiel hat auch 
in Deutschland ein sehr erfolgreiches Rachstreben bewirkt 
und so ist neben der eigentlichen immerhin wieder ge- 
schmackooll gewordenen IRarktfabrikation die echte Gold 
schmiedekunst im kleinen wiedererblüht, aus der der 
Handwerker, der Künstler und der Hiebhaber die gleichen 
freuden zu erhoffen haben.
	        
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