Rümmer 17
Seife 261
Internationale Sa mm 1er -Zeitung
Ruf dem Trödelmarkt in Rom.
Von Dr. Rudolf
6s ist unter den Besuchern und zumal unter den Besucher
innen der ewigen Stadt eine althergebrachte Sitte, daß sie einmal
zum mindesten ihrem Cif er in der Besichtigung oon JTluseen,
Galerien und Kirchen Zügel anlegen, um sich an dem buntbewegten
Volkstreiben des Trödelmarkts zu erlustigen. Wen freilich der
Teufel der Kauflust erfaßt hat, der läßt es bei dem einemmale
nicht bewenden und kehrt wieder und wieder zurück zu der
Stätte des feilschens, um mit mehr oder weniger Geschick und
Geschmack teure oder billige, wertnolle oder nichtige Andenken
an den römischen Aufenthalt zu erwerben.
Jeden lllittwoch uon 9 Uhr bis etwa zur dritten lJach.nitfags-
stunde wird der lllarkt abgehalten. Die Trambahnwagen der
Cinie 1, die den Hauptbahnhof mit dem St. Pelers-Plaß oerbindet,
pflegen sich an diese n Tage schon beim ehrwürdigen Palazzo della
Cancelleria zu entleeren. Gleich auf dem dahinter liegenden lang
gezogenen Cancelleria-Platj sieht man lange Budenreihen aufge
schlagen, die sich bis zum Cnmpo di fiare, der Richtstätte Giordano
Brunos, ausdehnen und in den daneben und dazwischen liegenden
Gassen und Pläßen fortseßen, Zwischen den Buden bewegen sich
die fliegenden Verkäufer mit ihren um den Ceib gehängten Riesen
tragbahren, ihren Plunder unermüdlich den fremden anpreisend,
deren Sinn doch auf ganz andere Dinge gerichtet ist. Auch die
Besißer der ständigen Coden in dieser Stadtgegend haben dauor
auf Schautischen ihre Waren ausgebreifet, und so wird die Kauf
lust auf allen Seiten herausgefordert und aufgemuntert. Das
fordern uni Bieten und Handeln, das tausendfältige Stimmen
gewirr, das Cärmen, Toben und Johlen in der auf- und abwogen
den menge nimnt oon Stunde zu Stunde einen unheimlicheren
Umfang an, und dazwischen oernimmt man das Gewimmer oon
Bambinis, die oon den fTUittern auf den Armen herumgeschleppt
werden oder unter den Bretterbuden in großen Strohkörben depo
niert sind. Wie betäubt flüchtet man schließlich in den frieden
des doch gewiß auch nicht stillen Corso Vitforio Emanuele.
Auf dem Campo di fiore bieten oon altersher die Blumen
händler ihre Topfpflanzen und Schnittwaren feil, und hier kann
man sich um ein paar Soldi einen kleinen römischen frühling er
stehen. In diesem Bereich sind auch Cebensmittel aller Art zur
Schau gestellt, merkwürdiges Seegetier zieht die Augen der Be
schauer mehr auf sich, als daß es den Wunsch weckt, es mit dem
Hingen in Berührung zu bringen. Ceinwandzelfe oder bunte Riesen
schirme, wie sie auch — mehr praktisch als schön - oon den
römischen Kutschern bei Regenwetter über dem Bock aufgespannt
werden, dienen als Schuß gegen stechende Sonne oder sonstige
Unbilden der Witterung. Überhaupt findet der Römer und die
Römerin auf dem mittwöchlichen markte alles, was des Cebens
llofdurft und des Tages Bedürfnisse erfordern: Stiefel, Schuhe und
Pantoffeln, Bekleidungsstücke und Ceibmäsche, Hosenträger und
Krawatten, Bänder und Stoffe jeder Art, und manche oerprouian-
tieren und equipieren sich uallständig aus diesen unerschöpflichen
Vorräten, wie der deutsche Großstädter aus seinem Warenhause.
für die fremden haben diese Teile des ITlarkfes nur ein
Kuriositätsinteresse, und sobald die erste lleugier befriedigt ist,
eilen sie hinüber zur Via Baullari und zur Piazza Pollarola, wo
die Antiquitätenhändler in dreifacher Reihe ihre Buden aufge
schlagen haben. Da beginnt das feld ihrer Tätigkeit. Was gibt
es aber auch nicht alles zu sehen, anzustaunen, zu erwerben!
Spißen, güldene und farbige wie weiße, glänzende Brokate und
meßgewänder, Stickereien, orientalische Schals, seidene Gewebe.
Dann ITlalereien auf Ceinwand, Elfenbein, Porzellan und Glas,
Elfenbeinschnißereien, Kunstwerke in lllarmor und Alabaster, ge
schnittene Gemmen ohne Zahl, Silberzeug, Schmuckwerk, Korallen,
Ha'bedelsfeine, münzen, Porzellan und Hlajoliken. Endlich Eisen-,
Bronze-, Kiessing- und Kupferwaren, darunter die beliebten Kupfer-
Krauß (Rom).
kessel in allen Größen und formen, die unoermeidlichen römischen
ITlessingampeln mit den drei Ölbrennern und die siebenarinigen
Judenleuchter, dazu getriebene Arbeit aus edlen und unedlen
metallen.
Ilun die Hauptfrage: ist die Ware echt oder unecht, antik
oder modern? Wenn man sich damit an die Verkäufer selbst
wendet, erhält man natürlich die stereotype Antwort: Molto anticol
Aber oft beweist ihre lachende Uliene im Bunde mit der beschei
denen forderung, daß sie ihre Behauptung nicht ernsthaft aufrecht
erhalten wollen. Übrigens ist ihre eigene Warenkenntnis oft ziem
lich mangelhaft, denn sonst könnte es nicht uorkommen, daß sie
mitunter wirklich wertnolle Altertümer zu Spottpreisen oerschleu-
dern. Sonst würden sie auch nicht ihre Artikel in einem ganz
unsystematischen Durcheinander ausstellen, hn großen ganzen
jedoch ist der höchste Grad oon mißtrauen berechtigt. Alles wird
nachgeahmt, für sämtliche Stoffe und formen gibt es fälschungs-
fabriken. Die Kupfergefäße werden künstlich gealtert, die Porzellan
figuren mit Staub überzogen oder gar eines Gliedes beraubt. Unter
dem nielen angeblich Altmeißener Porzellan, das auf den markt
kommt, befindet sich kaum je ein echtes Stück, und mit noch
größerer Sicherheit ist jeder, der ein Werk aus der altberühmten
italienischen fabrik Capodimonte erwischt zu haben glaubt, der
Betrogene. Von den anmutigen formen der feilgebotenen Ge
schmeide und sogenannten Silberarbeiten darf man sich nicht oer
führen lassen, auf den Adel des ITtatcrials zu schließen. Die fast
unüberwindlichen Schwierigkeiten in der Unterscheidung oon antik
und modern, denen gegenüber nicht selten sogar das Wissen be
währter Kunst- und Altertumsexperten oersagt, lassen es für den
Caien als ratsam erscheinen, oon oornherein alle angepriesenen
Waren unter dem Gesichtspunkt moderner fälschungen zu betrach
ten und sich mit den Preisen danach einzurichten. Er fährt am
besten, wenn er kauft, was ihm an sich ohne Rücksicht auf das
Alter gefällt, und dafür nicht mehr anlegt, als der Gegenstand selbst
nach Stoff und Ausarbeitung rechtfertigt, lind tut er dabei wirk
lich einmal einen guten fischzug, so möge er sich darüber als
über einen unoerhofften und unoerdienten Glücksfall freuen.
Der römische Trödelmarkt ist eben schließlich doch ein Reich
der unbegrenzten Kläglichkeiten. Die Verkäufer beziehen neben
den fälschungen, die ihnen als solche wohl bekannt sind, einen
anderen Teil ihrer Waren auf eine ihnen selbst unkontrollierbare
Weise: durch Auktionen, aus Karhlässen, aus dem Besiß wohl
habender familien, die aus irgendwelchen Gründen ihre Schöße
ganz oder teilweise absfoßen wollen oder müssen. Ilicht oon dem
zu reden, was an gestohlenem und gehehltem Gut in den Handel
kommt. Unter den Gegenständen solcher Herkunft gibt es einzelne
wirkliche und wertoolle Antiquitäten, zu deren Entdeckung eben
Geschick und Glück gehören, und um derentwillen auch oornehmere
auswärtige Kunsthändler den Trödelmarkt besuchen. Hütten unter
den Dußendmaren schlecht geschnittener Steine und fabriksmäßig
hergestellter Kliniaturen kann der Blick plößlich auf ein fein ge
arbeitetes Stück fallen, das auf eine Blüte dieser Kleinkünste
deutet, wobei man sich nur damit begnügen muß, das Alter nach
Jahrzehnten zu berechnen, nicht nach Jahrhunderten. Oder man
stößt auf ein einer Kirche entführtes Heiligengemälde, das nicht
bloß Kopie jüngsten Datums ist, oder auf eine Porzellangruppe,
deren oerhältnismäßig wenig bekannte alte Hlarke eine gewisse
Hoffnung auf Echtheit erweckt, oder auf originelle Holzfiguren aus
alten Krippen oder Puppenspielen. Kein Wunder, wenn der fremde
doppelt stolz ist, einen solchen fang weit unter dem wirklichen
Wert getan zu haben: er wird in Rom nicht bloß auf dem
Trödelmarkt, sondern auch in den Cäden — so oft iiberoorfeilt,
daß es ihm ganz besondere Genugtuung gewähren muß, seinen
Vorteil auch seinerseits einmal gründlich wahrgenommen zu haben.