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internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 20
Zuschreibungen lediglich auf mehr oder weniger schwach
fundierter stilkritischer Grundlage hin zu unternehmen,
wenigstens, soweit es Kaendlers JTlitarbeiter betrifft.
Das Geschirr der frühzeit bietet ebenfalls manches
interessante; die Boettgergefäße sind in fast allen Gnt-
wicklungsstadien norhanden, die glanzuollste Zeit des
flächendekors unter Hörold speziell an Tnnkgefäfjen uon
großer Reichhaltigkeit. Die auf dem Schild des Chinesen
auf einem Krug (Rr. 183) eingekraßte Inschrift: George
Grast Keil, Meißen, den 9. Juni 1724 deutet wohl auf
den Besteller oder Gigentümer und nicht auf den lllaler.
Wichtig ist auch ein Teller (Rr. 282): Das bekannte Relief-
blumenmatio der „Goßkowsky erhabenen Blumen“ ist sicher
ein Barockmotin und hat mit Goßkowsky nichts zu schaffen
(ogl. Brüning, Handbuch, pag. 92 als Matiu für die Zeit
um 1760). Von diesem Seroice, das um 1740 entstanden
ist, befinden sich mit gleichem Dekor noch etwa 40 Teile
in der Kaiserlichen Gremitage in St. Petersburg (ogl. Starye
Gody, ITlai 1911, pag. 18).
Von einem Teeseroice, das um 1720 zu datieren ist,
sind zwei Teile Kanne und Büchse - norhanden. Die
Umrahmung der passigen Kartuschen in Silberlack mit
punktierten Cinien an den Konturen ist für den Maler
charakteristisch, noch mehr aber die in Schwarzlot gemalten,
an Watteau sich anlehnenden Komödiengruppen und Ginzel-
figuren, deren fleischteile in Rot ausgeführt sind; eine
lllanier, die wohl dem gleichzeitigen ITliniaturmaler Karl
Gustau Klingstedt, dem „Dosen-Raphael“, entnommen ist.
Von wesentlicher Bedeutung ist in der Sammlung
auch die Wiener Porzellanplastik, Der_größere Teil
der uorkommenden lllodelle ist bereits bei folnesics und
Braun besprochen, ausgenommen eine große Jägergruppe
(Ilr. 299), die eindringlich an Pustellis große Tudwigs-
burger Rundgruppe erinnert. Daß zwischen Wien und
Cudwigsburg ein Konnex besteht, wird noch näher nach-
zuweisen sein, einen Hinweis brachte ich bei anderer Ge
legenheit, wem aber gebührt die Priorität? — für eine
„satirische Gruppe“ (Rr, 304) würde unser Gxemplar inhalt
lich eine befriedigende Grklärung geben. Die beiden Braun
bekannten Gruppen weichen non der umliegenden insofern
ab, als hier der Harlekin hinter dem Riten zwei Hörner
hält, die er ihm aufzuseßen oersucht. Dadurch wird der
Rite zum Gemahl der jugendlichen Holden und der Hlann
mit dem Sellerieteller (!) der Tiebhaber, also eine Illustration
zum alten Thema: Junges Weib — alter Rlann — Taube
IJuß — hohler Zahn! —
Die Sammlung der Bildnisminiaturen enthält
zumeist Werke aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Ginige wenige auf Kupfer gemalte Porträts des 17. Jahr
hunderts, wie das der Glisabeth uon Gngland, der Ge
mahlin des Winterkönigs, uielleicht uon Uliereoeldt,
stammen noch aus den Beständen der königlichen Rluseen
in Berlin, ebendaher auch einige andere Rummern (371 bis
377). Gine grofje Rnzahl der Bildnisse auf Glfenbein ist
bezeichnet, und ein Blick auf das Künsfleroerzeichnis im
Katalog zeigt, dafj speziell die Wiener und die franzosen
mit klangoollen Hamen uertreten sind, die jedes Wort
einer Gmpfehlung überflüssig machen. Hamen wie Isabey,
Hall, Hoskins, Saar, die Brüder Theer, Cieder, IJJeyfens,
Suchy, Coquessie u. a. sind die besten Gradmesser. Be
sonders das uon Isabey 1821 gemalte Porträt der Cam-
tesse de Roailles ist wohl eine der zartesten und duftig
sten Blüten, die die Miniaturmalerei überhaupt gezeitigt hat.
Die Vorliebe für Krüge und Kannen, die bereits beim
Porzellan zum Ausdruck kam, oerließ den Sammler auch
nicht beim Grmerb silberner Gefäße, die in mannig
faltigster form und Art uorliegen. Meist dem Ausgang
des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts an
gehörig, zeigen sie bei aller Ähnlichkeit der Quellenmotiue
ebenso den unerschöpflichen Reichtum an Dekorations-
möglichkeiten der Hoch- und Spätrenaissance, wie auch
die lokale Ausbildung innerhalb einzelner Städte, wie
Augsburg, Basel, Breslau, Königsberg, Rürnberg, Riga,
Sieben bürgern-ms w.
Diesem künstlerischen Milieu, dessen Gesamtinhalt
weniger auf dekoratiuen Gindruck als auf näheres Betrachten
und intimes Genießen gerichtet war, fügt sich ebenbürtig
und gewissermaßen ergänzend an die Gruppe der Klein
kunstarbeiten, der objets de vitrine: Tabatieren und
Souuenirs, Recessaires, Chäfelaines und Bibelots aus Gold
mit farbigem Gmail, belebt mit graziösen Ornamenten und
geschmückt mit Bildnissen schöner frauen und Kaualiere.
Oder aus Halbedelsteinen geschnitten und mit goldenen
figuren und Ornamenten überfangen. Diese preziösen
Kabinettstücke sind wie das Glanzlicht eines stilooll bis
ins Detail durchgeführten Gemäldes: des genufjfrohen Tuxus-
bedürfnisses einer übersättigten Kultur! — Stilistisch
machen auch diese Arbeiten den Wandel der RJode mit:
das hochwandige Oual der Dosen aus der Mitte des 18.
Jahrhunderts wird gegen das Gnde zu niedriger, in der
Gmpirezeit ganz flach und uiereckig, die Gcken meist ab
geschrägt; als Deckelbilder werden mythologische Stoffe
beoorzugt oder, wie in der Schweiz, heroische Tandschaften.
fig. 1. tuno. lUeifjen um 1745 bis 1750.