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Internationale Sam ml er-Zeitung.
nummer 20
man in Condon für eine Schäfergruppe (15'A, Zoll hoch)
den Rekordpreis oon 1750 Guineen =: 36.750 111k.
Die Rach frage nach Gläsern machst seit etroa
drei Jahrzehnten. Bei der berühmten Hamiltonauktion oon
1882 (bei Christie), die einen Gesamterlös oon 397.562 Pfund
Sterling, also fast 8 ITlillionen Ulark hatte, oerkaufte man
ein oenetianisches Glas mit Reliefornamenten für 80 Gu
ineen—1680 Ulk., mährend schon drei Jahre später ein
ähnliches oenezianisches Glas fast 30.000 llJk. ergab,
für eins der raren orientalischen Gläser (goldene
Arabesken auf blauem Grund, mit sieben Reitern) rourden
in der Hamiltonauktion 52.600 Ulk. geboten und bei der
Eannaauktion II in Berlin erreichte, roie schon ermähnt,
der frühe, farbig emaillierte und oergoldete syrische Pokal
(13.—14. Jahrhundert) 41.000 Ulk,, der italienische Kristall
pokal, obgleich er defekt mar, den hohen Preis oon
71.000 Ulk. Bei Canna It erzielten auch die böhmischen
und deutschen Gläser, roie die Schapergläser, die bisher
höchsten Preise (6100 Ulk.).
Zu den interessantesten Tatsachen der Hamilton
auktion oon 1882 gehört die Aufstellung oon Rekord
preisen für französische Ulöbel. Gin Couis XVI. Secre-
tafre, oon Riesener für ITlarie Antoinette gefertigt, brachte
4.400 Guineen jfc 92.400 IRk., ein noch schöneres Stück
mit dem lllonogramm der Königin 9.000 Guineen —
189.000 Ulk., und ein Couis XIV. Schrank nach einem
Cntrourf oon £e Brun sogar 11.500 Guineen = 241.500
Ulk. Im Jahre 1910 kaufte das Berliner Kunstgeroerbe
museum ein Bureau oon Daoid Roentgen in Reuroied,
dem Hofebenisten der Ularie Antoinette und des Königs
friedrich Wilhelm II. für 100.000 Cire. Ularie Antoinette
hatte dieses kostbare niöbel Papst Pius VI. geschenkt.
Übrigens erhielt Daoid Roentgen schon zu seinen Cebzeiten
nicht oiel niedrigere Preise.
Pan den Hauptraritäten des Kunstmarkts stehen die
Cimousiner Cmails in der ersten Reihe. In der Auktion
Hamilton oon 1882 kostet ein Porträt in Cimogesemail
350 Guineen = 7.330 Ulk., in der fountaineauktion oon
1884 (Christie) eine Cmailschüssel oon Ceonhard Cimou-
sin (1555), mit den Porträts des Henri II. und der Katha
rina oon Uledici 7.000 Guineen — 147.000 Ulk., in der
Auktion Seillieres (Paris 1890) ein Cimogesmedaillon mit
dem Porträt des Herzogs oon Reoers 67.000 fr., ein an
deres mit dem Porträt der Katharina oon Uledici 32.000 fr.
1892 gibt man in Condon für ein oon Ceonhard Cimou-
sin gemaltes Cimogesporträt Karls IX. aus der Colroorth-
kollektion 3.000 Guineen - 63.000 Ulk., für ein Jagdhorn
in Cimogesemail, gleichfalls oon Ceonhard Cimousin,
129.300 Ulk., und 1909 erroirbf Seligmann (Paris) das
Cannasche Religuiar für 121.000 Ulk.
Dal) neben den französischen Cmails die deutschen
Goldschmiedearbeiten des 15. und 16. Jahrhunderts
ihre besondere Wertung haben, zeigen u. a. die Preise,
die J. und S. Goldschmidt in frankfurt für eine Serie
oon Silberarbeiten aus dem einstigen Besitz des frankfurter
Barons Ulayer Karl oon Rothschild zahlen So kauften
sie bei einer Auktion dieser Serie in der Galerie George
Petit in Paris (Juni 1911) einen Doppelbecher des Rürn-
bergers Hans Petzold für 125.000 fr., einen Tafelaufsatz
des Jeremias Ritter für 90.000 fr. Aber den höchsten
Preis für eine Goldschmiedearbeit hat roohl Karl oon
Rothschild selbst gezahlt. Wir meinen den sogenannten
Ulerkelschen Tafelaufsatz den die Stadt Dürnberg im
Jahre 1549 oon Wendel Jamaiker „samt futferal" für
1.325 fl. 19 Schillinge und 10 Heller erstanden hatte,
f. Cuthmer erzählt nach Bergaus Ulitteilungen im
„Schatz des freiherrn Karl oon Rothschild“, dafj im Jahre
1806, als die meisten Stücke des 5tadtschatjes oon Dürn
berg durch die bayrische Kommission öffentlich oerkauft
rourden, „um als altes Silber eingeschmolzen zu roerden“,
der angesehene Kaufmann Paul Wolfgang lUerkel diesen
Tafelaufsatz Jannitjers „um einen den Silberroerf roenig
übersteigenden Preis“ in seinen Besitz und in einem „Ge-
lafj“ seines Hauses zur Aufstellung brachte. Als 1875 das
Ulerkelsche Haus oerkauft rourde, stellte man den Tafel
aufsatz > m Germanischen Uluseum aus, bis ihn schliefj-
lich Karl freiherr oon Rothschild erroarb. Der Preis, den
der grofze frankfurter Sammler für dies Juroel deutscher
Goldschmiedekunst ausgab, betrug, roie mir Baron Gold
schmidt-Rothschild freundlichsf mitteilte, 600.000 Ulk.
Heute befindet sich der Ulerkelsche Tafelaufsatz im Besitz
des Henri de Rothschild.
Roch oerblüffender als die Preise für deutsche Gold
schmiedearbeiten scheinen uns die Berliner Rekordpreise
für deutsche Holzskulpturen. Die fränkische „Heilige
Anna“, die J. und S. Goldschmidt in frankfurt bei der
Auktion Schroarz (Cepke Roo. 1910) für 64.000 Ulk. er-
roorben haben, roar noch oor roenigen Jahren im Ulünchner
Kunsthandel für 5,000 Ulk. zu haben, und die drei schroä-
bischen Reliefs mit der Darstellung Johannes des Täufers,
die in der Auktion Schlot) Ulainberg bei Cepke 1902 für
1.500 Ulk. oersteigert rourden, erzielten 1910 bei Schroarz
nicht roeniger als 35.000 111k. Sehr rar sind schliefzlich
heute die Skulpturen der italienischen Renaissance,
die um 1850 herum noch für ein paar hundert franken im
Handel roaren. Wie riesig seither die Preise gestiegen
sind, besagt die Summe oon 175.000 fr., die Jacques
Seligmann (Paris) für die Bronzebüste des Gallus oon
Ceoue Ceone gegeben hat.
Diese kleine Zusammenstellung der Preise und ihrer
Aufroärtsberoegung zeigt, roie ernst man heute darauf
ausgeht, Stücke ersten Ranges ihrem Kunst-, Kultur- und
Rarifätsroert entsprechend so hach zu bemessen, als das
Budget des einzelnen es oerträgt. Denn man kämpft in
den ernsten Uluseums-, Sammler- und Händlerkreisen nicht
aus sportlicher Begeisterung, sondern einfach blafj in dem
zumeist wissenschaftlichen und nicht zuletzt oaterländischen
Bestreben, die Sammlungen ihrem Rang und Umfange
gemäfj zu komplettieren. Cs ist freilich ohne frage, dal)
heute Amerika für die europäische Sammler- und Händler-
roelt die mächtigste Konkurrenz bedeutet. Aber schliefzlich
roill auch Amerika leben, roili auch Amerika mit seinen
Ungeheuern lllitteln immer neue Uluseen erbauen. Rie-
mand roird ihm diesen edlen Zroeck oerdenken können.
Dafj aber heute die amerikanischen Trustmagnaten das
Sammein oon Kunst zumeist als Cuxus- und Ulodesache
betrachten, dafj die wenigsten oon ihnen an den Kunst
dingen ein künstlerisches oder wissenschaftliches, oielmehr
blofj ein, sagen roir, gesellschaftliches Interesse haben,
für das sie Unsummen ausroerfen, darin liegt eine starke
und geroifz nicht zu unterschätzende Gefahr für das ernste
europäische Sammlertum.
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