Seite 322
internationale Sammler-Zeitung.
Hummer 21
„Chirurgische Operation“. Aus späterer Zeit seien hier
gleich noch genannt: Johann Kupetzky aus Bösing bei
Preßburg, uon dem ein ausgezeichnetes Bildnis des Ungar
helden Rakoczy durch die feingestimmte malerische Haltung
in Rembrandtscher ITlanier auffällt, der ITlünchner Karl
Coth, der sich später „Carlotto“ nannte und hier mit
einem an Caraoaggio erinnernden Gemälde „Heiden, dem
unbekannten Gotte opfernd“ oertrefen ist, Johann Rotten
hammer, ebenfalls aus ITtiinchen (1564 1623), non dem
in Strahow eine „Bekehrung Sauls“ eine gute Probe bietet,
endlich der sächsische Hofmaler Christian W. C. Dietrich,
der sich auch als wenig selbständiger Rembrandtschüler
legitimiert.
Die Italiener beginnen mit einer für die böhmische
Kunst sehr beachtenswerten JTladonna, die in der Art des
Tomasa da ITlodena gemalt ist und für die Beeinflussung
der JTlaler non Burg Karlstein einen wertoollen Singerzeig
geben kann. Die große Zeit der Klassik ist wenig gut
nertreten, um so köstlicher sind einzelne Stücke aus der
Spätzeit: eine kleine heil, familie in helleuchtenden färben
oon Alaratti, ein zart oerschmimmender heil. Augustus
non Tiepolo und eine „Opferung Isaaks“ oon Pompeo
Batfoni. Dem grotesken Iluoolone, dessen zwei sonder
bare Zroergenorchester an Velazquezsche Gestalten erinnern,
kann man in Prag auch in der Kostißgalerie begegnen.
Am zahlreichsten sind in Strahow die Holländer
und Vlamen anzutreffen. Die Aufzählung mag mit einem
„auferstandenen Heiland oor Iltaria“ beginnen, der 1515
bezeichnet ist; ein figurenreiches Bild mit den Initialen
t. V. M. wird dem Fliederländer Israel oan Bleckenem
wohl mit Recht zugeschrieben. Weitaus bedeutsamer aber
sind die Bilder aus späterer Zeit. Da ist eine köstlich
realistisch-groteske „Gefangennahme Christi“ des älteren
francken, mit komisch-häßlichen Judentypen und einem
Petrus, dessen entrüstetes furioso beim Ausholen gegen
das Hauptmannsohrläppchen sich unoergefjlich dem Ge
dächtnis einprägt. Auch der jüngere francken hat ein Bild
in Strahow, eine Croberung Jerusalems, auf der die bunten
Trachten der Kreuzritter und der bewegte Hintergrund oon
Burg und llleer eine unterhaltsame, wenn auch etwas
weichliche farbenharmonie ergeben. Cin Rebhuhn, dessen
zartes Gefieder die ITleisterhand oerräf, wird überdies
durch die Signierung „A. Cuyp“ als ein echtes Stück
dieses trefflichen Tiermalers bekräftigt. Auf einer großen
Ceinmand zeigt sich ein derb-fleischiges Ciebespaar, hinter
dem die eitern des überraschten Ulädchens erscheinen,
mährend oor den Personen die Waren eines Wildpretladens
in appettitlicher frische und Cebenswahrheit ausgebreitet
sind: das Ganze ist unoerkennbar ein ausgezeichneter
Jordaens, mit der zugreifenden Kraft und Burschikosität
des Kleisters gemalt. Cin kleines, brillant durchgeführtes
Bildnis einer oornehmen Dame mit reichem Spißenkragen,
das in den fleischpartien an oan Dyck erinnert, wird man
dem Holländer Jan Anfoniß oan Raoensteijn zususchrei-
ben haben. Von den übrigen Stücken sei auf zwei tüchtige
Ulinderhouts mit interessanten Hafen- und Architektur-
ansichten, und auf drei Genrebilder des durch seinen dunkeln
Tan charakterisierten Horemans hingewiesen.
Von anderen fremden Kleistern ist ein tüchtiges Stil
leben des etwas harten, aber korrekten frankfurter Klig-
non, dann die prächtigen, mit Schlangen und Cidechsen
in der Art des Hamilton beoölkerten Blumen- und früchfe-
stücke des Onzers franziskus oon Burgau, ferner zwei
effektoolle „römische Gastmähler“ des franzasen Charles
Cebrun und eine anonyme Darstellung oon heroorragender
malerischer Haltung mit dem glorifizierten Prinzen fu
gen, wahrscheinlich oon einem seiner Wiener Hofmaler
(Bredaei ?) stammend, heroorzuheben.
Von besonderem Interesse sind in Strahow natür
licherweise diejenigen Kleister, die ihre Werke in Böhmen
und speziell in Prag geschaffen haben. Cs sind keines
wegs lauter einheimische; im Gegenteil, man weiß, wie
sehr unter Rudolf 11. und später im Barock die fremd-
länderei im Schwange war. So begegnet man unter diesen
Prager Künstlern ebenso Iliederländern wie Italienern und
Spaniern und selbstoersfändlich Reichsdeutschen. Ihnen
stehen die heimischen Kleister nur durch die Abstammung,
kaum durch besondere figenart gegenüber: der Cinfluß der
großen Beispiele war zu übermächtig.
Zeitlich wäre an erster Stelle eine „llladonna oan
Königssaal“ zu nennen, eine der öfter angefertigten
Wiederholungen des in der Kunstgeschichte bekannten, dem
Prager Crzbischof gehörigen jumelenübersäten Originals,
etwa um 1480 entstanden. Aus der Rudolfinischen Ara
besißt die Strahomer Galerie mehrere sehr gute Arbeiten
der beiden IKeister Hans oon Aachen und Bartholomäus
Spranger. Hans oon Aachen, ein gebürtiger Kölner,
und Hofmaler Rudolfs 11., ist durch ein charakteristisches
Werk, eine „Grablegung Christi“, und durch ein mit
Sudelers Stich übereinstimmendes Porträt Rudolfs II. oer
treten. Von Arbeiten Sprangers, dessen fpitaph des
Buchdruckers Klichael Peterle in der Prager Stephanskirche
man kennt, sei hier besonders eine Verklärung Christi,
ein Stifterbild mit ähnlichen lllotioen oermerkt.
Von den bekannten Hamen der böhmischen Kunst
geschichte aus der folgenden Zeit sind Skreta, Brandl
und Reiner in Strahow mehrfach oertreten. Karl Skreta,
den eine Sonderausstellung im Prager Rudolfinum oor
zwei Jahren geschlossen oorführte, zeigt sich nicht nur in
einem „Heil. Kajetan“ und einem „Cruzifixus“ oon der
besten Seite, es scheint, daß ein oerlorenes Bild des
Kleisters — eine „Bekehrung Sauls“ - in einer Kopie
hier erhalten ist, dessen Verfertiger kein geringerer als
Peter Brandl wäre, penn der alte Katalog recht hat.
Jedenfalls besißt die Galerie noch eine zweite Kopie oon
Brandts Hand, die den „Bethlehemitischen Kindermord“
des Lu ca Giordano zum Gegenstand hat. Auch Brandl
tritt gerade in diesen Tagen mit einer Sonderausstellung
oor das große Publikum, zu der auch aus Strahow mehrere
Bilder entnommen wurden. Ceider hat man ein so oirtuoses
und unbezweifeltes Werk des Künstlers wie die Strahower
„Röstung des heil. L'aurentius“ nicht mit ausgestellt. Wenzel
Reiner hat in Strahow ein nobles, kraftoalles Selbst
porträt und interessanterweise findet sich unter den minder
wertigen Bildern die Arbeit eines gewissen Stern, die ein
oerlorenes Deckengemälde Reiners für den Grafen Czernin,
den „Sturz der Verdammten“ darstellend, wenigstens zum
Teile wiedergibt.
Und nun zu den weniger bekannten Kleistern, einer
oon ihnen, Joh. Baptist Bouttats aus Antwerpen,, der
manchmal dem JHelchiar d’Hondecoeter nahekommt, gibt
Gelegenheit zu erweisen, daß die Kunstgeschichte immer
noch neue Wege erschließen kann, um ihr Quellenmaterial
zu oermehren. Der Künstler, oon dem in Strahow auch
naturalistische Geflügelbilder oorhanden sind, muß in Prag
geweilt haben, da er für den Grafen Sternberg in Troja
bei Prag oiele andere Tierbilder geschaffen hat; allein ein
aktenmäßiger Kachmeis dieses Aufenthalts war bisher nicht
gelungen. Paul Bergner, der schon genannte Prager Kunst
forscher, war nun kürzlich in ganz anderem Zusammen
hänge auf den Gedanken gekommen, die Krankenmatriken
des Spitals der Barmherzigen Brüder in Prag, die bis in
das Jahr 1631 zurückgehen, einer Durchsicht zu unter
werfen. Diese Klatriken waren mit außerordentlicher
Gründlichkeit geführt worden, nicht nur Geburtsort und
Alter des aufgenommenen Kranken, sondern die Kamen
und Stellung seiner Cltern war genau aufgezeichnet worden;
so bilden jeßt diese Klatriken eine Sammlung oon 300.000