MAK
Zenfralblaff für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Herbert ehrlich und 3. Hans Prosl. 
3. Jahrgang. 
Wien, 15. IToüember 1911. 
Hummer 22. 
Beschnittene Steine. 
Von Paul ende 1.* 
gibt Sammler, die, roie Oskar Wilde, mit 
Vorliebe auf den samtüberzogenen fächern 
ihrer Vitrinen geschnittene Steine aneinander 
reihen, da es ihrem überfeinerten ästhetischen 
Gefühl erlesenes Organen bereifet, die olioen- 
grünen Chrysoberylle, die im Campenlicht rot 
leuchten, die mit dünnen Silberfäden durch 
aderten Cymophane, die rosafarbenen, roein- 
gelben, rauchgrauen, essiggrünen Topase, die 
scharlachenen Rubine, die seltenen Amethyste, 
die die farbentiefe und feuchtkraft non Rubinen 
und Saphiren haben, und die andern oer- 
schiedenen Krystclle, die oom hellen Rot zum 
Orange und bis Violette nuanciert schimmern, 
die irisierende Opale und die roie Cenzhimmel 
blaßblauen Türkise behutsam aus den Behältern 
ans ficht zu heben und ihre gleichsam gefrorenen färben 
und ihren edlen Schnitt zu beschauen. 
„Unter allen Kunstsammlungen kann es keine 
schönere und anmutigere geben als eine Sammlung non 
geschnittenen Steinen. Cine Gemäldesammlung, eine Samm 
lung non Bildhauer-Werken, ja selbst eine Kollektion non 
Kupferstichen erfordert einen großen Raum, ja zuroeilen 
ein ganzes Gebäude, eine Gemmensammlung hingegen, u. zro. 
eine non sehr bedeutendem Werte, kann in einer einzigen größe 
ren Schatulle beroahrtroerden“ schrieb ein begeistefer Gemmen 
sammler. Und in der Tat roaren antike geschnittene Steine 
zu allen Zeiten bei Sammlern besonders beliebt. 
Der Steinschnitt ist schon im hohen Altertum geübt 
morden — es sind auf uns babylonische Zylinder und 
ägyptische Skarabäen, persische Kegel, etrurische und phö- 
nizische Kameen oererbt morden — seine künstlerisch 
höchste Vollendung aber erreichte er in Griechenland im 
5. und 4. Jahrhundert oor unserer Zeitrechnung. Außer 
dem materiellen und ästhetischen Werte kommt den besten 
griechischen Gemmen noch eine besondere Bedeutung da 
durch zu, daß ihre Darstellungen zur Kenntnis griechischer 
Geschichte, griechischen febens und griechischer Sitte über 
aus (nichtige Beiträge liefern, Reben mythologischen, alle 
gorischen Darstellungen rourde im Steinschnitt auch das 
Porträt in hervorragender Weise gepflegt. -- tm 2. Jahrh. 
oor Christi ließ die schöpferische Kraft im künstlerischen 
Steinschnitt nach, aber noch hielt sich diese griechische 
ITliniaturskulptur auf einer Höhe, die selbst oon den besten 
Steinschneidern der Renaissance nicht roieder erreicht 
* Wir entnehmen diesen interessanten flufsatj des Verfassers I 
ausgezeichnetem, oon uns schon gewürdigtem Buche „falscher- , 
künsfe“ (Verlag oon fr. W. örunoro, Ceipzig). ] 
roerden konnte, Schon die non den Römern geschnittenen 
Steine stehen den griechischen nach, obroohl noch oerein- 
zelt roahre ITtusterroerke meisterlicher Glyptik geschaffen 
rourden. Rach der Zeit Caracallas und Alexander Severus’ 
wandten sich die Steinschneider nach Byzanz, das nieder 
gehende Rom verlor sie völlig, aber auch in der oströmi 
schen Rletropole kam es leider zu keiner neuen Blüte. 
Vor dem gänzlichen erlöschen bewahrte die Glyptik forenzo 
dei lltedici. Gr berief griechische Steinschneider nach 
florenz und ließ sie nach antiken Vorbildern arbeiten. 
Gs entstanden nun herrliche Stücke, die nicht nur als 
Schmuck der Prunkgemänder Verwendung fanden, sondern 
auch zur Verzierung oon IRöbeln, Waffen, Kossetten, 
Krügen, Kelchen usro. dienten, oder auch bloß zu Sammel- 
zroecken. Jm 17. Jahrhundert nahm die fiebhaberei in 
diesem Kunstzmeig roieder ab und erreichte im 18. Jahr 
hundert ihren gröfjten bisherigen Tiefstand. Schuld daran 
war zu nicht geringem Teile die fälschung, die sich auch 
des Steinschnittes bemächtigt hatte. 
Gefälscht rourden geschnittene Steine allerdings schon 
im Altertum. Ulan bediente sich dazu der Pasten, das 
sind Ulineralflüsse, Kompositionen oder farbige Gläser, 
meistens der leßteren. Sie sind nicht so glänzend, roie 
echte Stücke, reiben sich beim Gebrauch an erhabenen 
Stehen bald ab und lassen im Innern oft fuftbläschen 
erkennen. Wenn man sie mit einem echten Steine zugleich 
in kaltes Wasser taucht und dann unter die Zunge legt, 
fühlen sie sich minder kalt als die echten an. Haucht 
man sie an, so wird an ihnen, da sie langsame Wärme 
leiter sind, der Hauch länger als an den echten Steinen 
bleiben. Sie roeiden von der feile, dem Stahlstiche), uon 
Kristall oder feuerstein leicht angegriffen und zeigen einen 
weißen Strich, während an der scharfen Kante eines Gdel 
steines, der gerißt roird, die Späne des Stahles, der feile 
oder des IRessers hängen bleiben. Jm Durchscheinen 
zeigen Pasten fast immer die färben des Spektrums und 
geben beim Vorhalten einer Stecknadel nie ein doppeltes 
Bild, d. h. sie haben immer einfache Strahlenbrechung. 
Jn neuerer Zeit versuchte man diesen Kennzeichen 
der fälschung entgegenzuarbeiten, indem man z. B. auf 
violettes Glas oben ein Blatt Kristall seßte, wodurch das 
Ganze das Aussehen des Amethyst und beim Polieren der 
Oberfläche auch seine Härte zeigt. Diesen Betrug, den 
man Doublierung nennt, erkennt man, roenn man den 
Stein nach seinen Seiten vor das Auge hält, oder roenn 
er gefaßt ist, schief auf seine Tafel hinsieht, wo sich bald 
eine falsche Spiegelung zeigt. 
Gin anderer Trick der falscher besteht darin, daß sie
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.