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Seite 348 
Internationale Sainm 1 er-Zeitung, 
riummer 22 
flutographen. 
(Eine flutographensteuer.) Die Breslauer Ortsgruppe 
der „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ hat den Ent- 
schluf3 gefallt, die Autogramme zu besteuern, welche theater 
schwärmende Backfische oon ihren Bühnenlieblingen zu erbitten 
pflegen. Der „Breslauer Generalanzeiger“ plaudert darüber: Unseren 
lieben jungen Damen oder uielmehr ihren manchmal nicht allzu 
reichlich gespickten Geldbörsen droht ein schweres Unheil, das die 
böse Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger auf sie herab- 
bcschmoren hot. ln der weisen Erkenntnis, daß die einträglichsten 
Steuern stets solche sind, die man auf die unentbehrlichen Ilof- 
mendigkeiten des Eebens legt — eine Erkenntnis, die uns oon den 
Finanzministerien der oerschiedenen Eänder freundlichst zur Ver 
fügung gestellt wurde - , hat die Ortsgruppe Breslau dieser Ge 
nossenschaft die Verfügung getroffen, dafj die lltitglieder der Ver 
einigten Theater unserer Stadt nur auf solche eingesandte Bilder 
und Photographien ihren heiß begehrten Damen setzen dürfen, die 
in einem „flutographensfeuer-Couoert“ der Genossenschaft 
eingesandt werden. Solche Eouuerfs sind gegen ein Opfer oon 
80 Pfennig in einer hiesigen Buchhandlung zu haben, fleh, so 
werden die idealsten Bestrebungen der deutschen weiblichen Jugend 
zu Geschäftszwecken ausgeniißt! Es ist kaum auszudenken, was 
geschehen soll, wenn die jungen Damen gegen Ende des Itlonats 
dringend des Damenszuges eines ihrer Eieblinge bedürfen, — zu 
einer Zeit also, wo die Backfische gewöhnlich ebenso auf dem 
Trockenen sitzen wie ihre männlichen Altersgenossen. Er ist dann 
einfach nicht zu haben, und leise weinend mu(3 sie sich ent 
schließen, bis zum nächsten Ersten die schwerste aller Künste, die 
Geduld, zu üben. Oder wird es am Ende oorkommen, daß der 
heiße Wunsch stärker ist als die gute Erziehung und daß Schulden 
gemacht werden, um ihn zu befriedigen? Er ist geradezu gefähr 
lich, dieser oerhängnisoolle Beschluß. Daß der Ertrag der Steuer 
den Wahlfahrtskassen der Genossenschaft zufließf, ist zwar ein 
Trost, nimmt der Sache aber nichts oon ihrer Schärfe. Wenn es 
so weiter geht, wird eine Künstlerhaarlocke demnächst nur mehr 
für ITtillionärstöchter zu erschwingen sein. Wäre es übrigens nicht 
angezeigt, oon nun an eine ITlark für die Erlaubnis zu oerlangen, 
einem großen Sänger die Pferde aus- und sich selbst dafür ein 
spannen zu dürfen? Dieses Vergnügen ist doch wahrhaftig eine 
solche Summe reichlich wert! 
Bilder. 
(Das erste authentische Porträt der Eucrezia 
Borgia.) Unter den Frauengestalfen der Weltgeschichte, deren 
leidenschaftliche Schönheit und dämonische macht uns als Symbol 
eines ganzen Zeitalters erscheint, uerkörpert Eucrezia Borgia 
für uns Heutige das Wesen der Renaissance. Diese oerführerische 
Gentildonna, oon deren Gewalt über die lllännerherzen Historiker 
und Dichter uns berichtet haben, die die würdige Schwester ihres 
Bruders, des oon lließsche oerherrlichten Cesare war, ist so recht 
das Symbol einer zur Freiheit der Persönlichkeit durchgedrungenen 
ITtensdiheit, die im stolzen Hochgefühl des eigenen Willens bacchan 
tisch rast und sich über alle Schranken der Dafür hinwegseßen 
möchte, fluch ihr Charakterbild schwankt in der Geschichte Ulan 
hat aus ihr „ein liebenswürdiges und sanftmütiges, ein leichtsin 
niges und unglückliches Weib“ machen wollen, das, wie ihre Briefe 
bekunden, sogar „Seele und Gemüt“, aber „keine geistige Tiefe“ 
besaß. Doch diese „Rettung“, wie sie Gregorooius oersuchte, 
scheitert an den nackten Tatsachen; sie bleibt die göttlich schöne 
Teufelin einer riesenhaft gearteten Zeit, der wir mit unseren lllnß- 
stäben nicht nahen dürfen. Soniel wir aber auch oon Eucrezia 
wissen, wir besaßen kein authentisches Bild oon ihr, und gerade 
ihr Porträt mußte man besonders ersehnen, denn es konnte uns 
vielleicht einen Abglanz jenes Eiebreizes oorspiegeln, der die Herzen 
so uieler entzündet. Das erste authentische Porträt der Eucrezia 
aufzufinden, ist nun dem Kunsthistoriker Dr. Emil Schaeffer ge 
glückt; er oeröffentlicht das Werk, eine Kopie aus dem 16. Jahr 
hundert, nach dem oerlorenen Original, zum ersten Iflal in der 
schönen Ausgabe oon Gobineaus „Renaissance“ im tnseloerlag 
und widmet dem Gemälde zugleich eine ausführliche Besprechung 
im Jnselalmanach. Alle Bildnisse, die man bisher als Porträts 
der Eucrezia in Anspruch genommen hatte, so zwei Werke im 
Ferraresischen Priuatbesiß, eins im Dluseum zu llimes u. a. 
stammten aus so später Zeit und zeigten so armselig matte Züge, 
daß ihnen die Forschung mit zweifelndem mißtrauen begegnete. 
Wie sollte man mit solchen Darstellungen das Zeugnis eines flriost 
oereinigon, der da singt: 
„Eucrezia Borgia, die mit jeder Stunde 
An Schönheit wuchs . . .“ 
wie die Eobeshymnen der beiden Sfrozzi und all der anderen 
Poeten, die die strahlende Herzogin oon Ferrara bald mit Juno, 
bald mit Pallas, meistens aber mit der Eiebesgöttin Venus selber 
oerglichen? Das aufgefundene Werk gewährt uns dach immerhin 
eine Vorstellung oon ihrer Schönheit und ist oor allem ganz 
zweifellos ein Bild der Fürstin, wie die Arbeit selbst und ihre 
Herkunft beweisen. Das lebensgroße ITtedaillonporträt wird oon 
einer gemalten Sfeinarchitekfur umrahmt, in deren Sockel, wie bei 
antiken Grabmälern, mit prachtooll großen Eettern Damen und 
Titel Eucrezias eingegraben scheinen. Und diese Inschrift ist keine 
Zutat oon fremder Hand, wie etwa bei dem Porträt in Dimes, das 
oielleicht auf das nämliche Porträt zurückgeht, sondern sie ent 
stand gleichzeitig mit dem Gemälde, dessen Wirkung ja gerade 
auf dem Kontrast zwischen dem farbenfrohen Prunk des Kostüms 
und der grauen Strenge dieser Umrahmung, auf dem Gegensaß 
der frauenhaften Anmut Eucrezias und der ITlonumentalität des 
Sockels beruht Überdies stammt jenes Porträt aus dem „museo“ 
des Paolo Giooio, einer berühmten Sammlung oon Bildnissen, die 
der große Historiker in seiner Vaterstadt Como angelegt hatte. 
Dort befindet es sich noch heute, es gehört einem Dachkommen 
Giooios, der zu den intimen des Gatten der Eucrezia, Alfonsos 
oon Ferrara, gehörte und nach der Tradition das Bildnis oon 
diesem selbst zum Geschenk erhielt. Dieser Umstand bürgt für 
die Treue der Darstellung, denn der oielgelesene Geschichtsschreiber 
nahm in sein „museo“ nur authentische und ganz ähnliche Porträts 
auf. Und was zeigt uns nun dies echte Bildnis der zauberischen 
Verführerin? Eine Frau oon reifer Schönheit und edelstolzer Hal 
tung, ein charakteroolles, interessantes Gesicht, aber doch nichts 
oon jenen Wundern der flnmuf, die wir uns erträumt. Der Blick 
des lAalers, der oielleicht Dosso Dossi oder ein anderer berühm 
ter Ifleister der Zeit war, war schärfer als das geblendete Auge 
der Poeten; er befreit uns auch oon einer kleinen „Geschichtslüge“, 
die bisher das Haupt der Eucrezia umgoldete. Wieoiel hat man 
gefabelt oon der höllenfeurigen Glut und der gleißenden blonden 
Eockenpracht dieses Hauptes, und nun ist es ganz deutlich: 
Eucrezia hatte hellbraunes Haar. Die goldschimmernde Eocke, die 
noch heute die flmbrosianische Bibliothek in HJailand mit neun 
Schreiben Eucrezias an ihren Geliebten Pietro Bembo bewahrt, 
dies zarte Eiebespfand, das oon allen Reisenden so oiel bewundert 
wird, es stammt oon einem anderen Kopfe. Wir müssen den 
Glauben aufgeben, eine Flechte oon Eucrezias Haar zu besißen, 
dafür ist uns aber nun etwas Wichtigeres geschenkt worden: das 
erste authentische Porträt dieser berühmtesten Frau der Renaissance. 
numismatik. 
(Das Bartgeld oon Tahiti.) Der französischen llational- 
sammlung oon Dlünzen und Aledaillen ist oon einem Prioafen oor 
kurzem eine ganz eigenartige Sammlung geschenkt worden. Sie 
umfaßt 400 Geldstücke, die unter Eudwig XIV. für die französi 
schen Kolonien in Ostindien und Dordamerika und für die 
Insel IDartinique geprägt wurden. Die wertoollsten Stücke der 
Sammlung sind einige der seltenen „Bartmünzen“ oon Tahiti. Als 
die Franzosen auf die Insel kamen, fiel ihnen die besondere Ver 
ehrung des Volkes gegenüber alten Eeufen auf. Es wurde dort 
den Greisen nach dem Tode der Bart abgenommen und als Reliquie 
sorgfältig aufbemahrf. Die Franzosen stellten nun, als sie für 
Tahiti Illünzen prägten, auf ihnen Haarbüschel dar, um dem 
neu eingeführten Geld etwas Feierliches zu sichern.
	        
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