Rümmer 22
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 343
Sammlung ins Kunstgeroerbe-lTluseum gewandert, das für
solche Objekte sicher der beste Plaß ist,
Wie Charlottenburg, so besitzt auch JTlonbijou ein
kostbaies Porzellanzimmer. Hier bildet das astasiatische
Porzellan ebenfalls die Ulehrheit, und zwar in ausgezeich
neten Geschirren non höchster Farbenpracht und interes
santesten Formen, manches mag aus der oranischen Erb-
schaft stammen. Andere Stücke, deren Zahl sich auf etcoa
hundertundfünfzig beläuft, sollten ein Geschenk der Handels
kompagnie oon Friesland an Friedrich den Großen bilden.
Die Kompagnie hatte das Seroice, dessen einzelne Teile
mit dem großen Staatsroappen Preußens in aollen Email
farben bemalt sind, in China hersteilen lassen. Das mit
der Überführung des Geschirrs nach Europa betraute Schiff
scheiterte jedoch angesichts der Heimat an der ostfriesischen
Küste. Was uan der Fadung gerettet wurde, uerfiel nach
damaligem Recht als Strandgut — Friedrich hat nie ein
Stück des kostbaren Tafelserrnces erhalten, mehr als
hundert Jahre roaren schon nergangen, als einzelne Stücke
auftauchten und hinsichtlich ihres Ursprungs und ihrer
ehemaligen Bestimmung keinen Zroeifel liefen. Dem
Hohenzollern-niuseum gelang es, im Jahre 1885, nicht
weniger als 84 Stück des Seruices zu erwerben. Seitdem
ist diese Zahl noch erheblich oermehrt worden, so daß
jeßt fast anderthalbhundert Stück beisammen sind. Eine
stattliche Anzahl anderer chinesisch-japanischer Porzellane,
unter ihnen große Vasen, befinden sich im Reuen Palais
zu Sanssouci, ferner im chinesischen Paoillon, den sich
Friedrich der Grafje mit einem Kostenaufwand oon fünfzig
tausend Talern erbauen lief], und im Potsdamer Stadt-
schlaf], das überhaupt an Perlen des Kunstgewerbes un-
gemein reich ist, insbesondere an solchen aus der Zeit
des Rokoko.
Und nun das Kaiserschiaß an der Spree. Es birgt
an keramischen Erzeugnissen Kostbarkeiten ersten Ranges.
Insbesondere ist eine Auswahl ausgezeichneter Stücke in
der alten Kurfürsten-Galerie oereinigt. Der malerisch-schöne
Raum liegt im zweiten Geschol] des an der Spree sich
hinziehenden Flügels und schließt sich den Dielfach bei
festlichen Gelegenheiten benutzten Braunschweigischen
Kammern an. ln den Rischen, zu denen die ehemals nach
dem Hofe hinausgehenden Fenster umgewandelt sind, und
auf einem mächtige: Büfett hat der Reichtum an Vasen
und sonstigen Gefäßen in berückender Anordnung Platz
gefunden. Seores, ITleifjen, Berlin, Wien, St. Petersburg
und oiele andere Rlanufakturen, deren Gründung in das
achtzehnte Jahrhundert fällt, sind mit neuen und älteren
Arbeiten trefflich oertreten. FReist sind diese keramischen
Prachtleistungen Geschenke oermandter und befreundeter
Höfe. Viele oon ihnen sind reich oergoldef und mit
meisterlich ausgeführten ntalereien geschmückt. Auf die
einzelnen Stücke näher einzugehen, ist bei der Fülle des
Vorhandenen unmöglich. Den Eindruck nimmt wohl jeder
mit hinweg, dafj sich die europäische Porzellanindusfrie
hinter der ostasiatischen nicht zu oerstecken braucht. Das
gilt besonders in bezug auf die Porzellane oon Berlin,
FAeißen und Seores, die sogar den sehr oerwöhnten
Chinesen Achtung abgewinnen. Es war denn auch keine
schlechte Idee unseres Kaisers, dem Vizekönig £i Hung-
Chang, der besuchsweise nach Deutschland gekommen war,
aus diesem Anlafj als Erinnerungsgabe eine moderne
Kunstleistung der Kgl. Porzellanmanufaktur, eine kostbare,
fast zwei Bieter hohe Standuhr, überreichen zu lassen.
An Reiz wetteifert mit der alten Kurfürsten-Galerie
des Kaiserschlosses nur noch das Teezimmer im grofjen
Orangeriegebäude zu Sanssouci. Hier hat die Königin
Elisabeth, Gemahlin Friedrich Wilhelms des Vierten, ihrer
Vorliebe für FReißener und Berliner Rippes freien Tauf
gelassen. Auf Konsolen und Konsölchen paradieren an den
Wänden die entzückendsten Gruppen und Einzelfigürchen,
die das Rokoko in Porzellan geschaffen hat. Rach einem
solchen Anblick oon naioer Grazie und Anmut in Porzellan
wird jeder mit Vergnügen auf die Besichtigung nüchtern
sich ausnehmender Vasen oerzichten.
Die königlichen Schlösser sind so reich an ausge
wählten Porzellanen, dal] sich ein staatliches Rluseum
damit anfüllen ließe. Sie repräsentieren eben den Sammel
eifer einer langen Reihe kunstsinniger Generationen und
zahlreicher Rlitglieder unseres Herrscherhauses. Den Wert
dieses keramischen Besitzes in Zahlen auszudrücken, ist
unmöglich, wie es ebenso unmöglich ist, den Wert der im
königlichen Besitz befindlichen achttausend Gemälde in
Geld zu fixieren. Rur gut, daß dieser wertoolle, gleichwohl
sehr zerbrechliche Besitz an gesicherter Stätte steht und
sorgsam gehütet wird. So ist er gewissermaßen ein tech
nisches und künstlerisches Archio der Keramik, das noch
nach Jahrhunderten einen lehrreichen Einblick in das
Schaffen der Vergangenheit gestattet, H. Fr.
Die 5ammlung fHoscheles.
an der großartigen Autographensammlung des
Pianisten Ignaz IRoscheles war schon in oari-
ger Rümmer die Rede (s. Artikel „FRusikeraufo-
graphen“, pag, 328 u. 329). Es ist auch er
wähnt worden, daß Illoscheles einen ausgedehn
ten und herzlichen Verkehr mit den ersten
FRusikern seiner Zeit hatte, oon denen sich in
seiner nun bei Ceo Fiepmannssahn in Berlin
zur Versteigerung gelangenden Sammlung eigenhändige
FRusikmanuskripte befinden. Ein Blatt aus dem Skizzen
buch Beethooens, wie einen Jugendbrief Richard Wagners
haben wir reproduziert, hier sei noch zwei interessanten
Blättern Raum gegeben.
Fig. 9 zeigt das IRanuskript des oan Brahms
komponierten Volksliedes „Guten Abend, guten Abend,
mein tausiger Schaß“. Die Rotenschrift rührt oon Brahms
her, der Text wurde oon Clara Schumann, der oertrau
ten Freundin des FReisters, geschrieben. Das Blatt ent
stammt einem FAanuskriptheft, das 33 deutsche Volks
lieder, hieoon 24 für eine Singstimme mit Pianaforte-
Begleitung und oier für gemischten Chor a capella geseßt,
enthält.
Die Vorliebe Brahms für die Vertonung oolkstümlicher
Texte ist bekannt und so findet sich auch der größte Teil
dieser Fieder in seinen beiden Valksliedersammlungen
„Deutsche Volkslieder mit Klaoierbegleitung“ und „Deutsche
Volkslieder für oierstimmigen Chor“ geseßt, jedoch stimmt
keines der im IRanuskript Darkommenden Fieder oollsfän-
dig mit der gedruckten Fassung überein, üielfach sind die
Fieder transponiert und die Begleitung ist stets eine andere,
wie die der gedruckten Ausgabe. Sieben Fieder finden
sich im Rlanuskript, die überhaupt noch ungedruckt
sind, u. zw. „Die Schnürbrust“ („Die FRaid, sie wollt
’nen Bullen wert“), „Auf, gebet uns das Pfingstei“, „Die