Hummer 4
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 57
Chronik.
Plutographen.
(ein interessanter Auktionshampf.) flus Berlin wird
berichtet: Jn der Autographenauktion bei Karl ernst Henrici
spielte sich in der Vorwoche ein ungewohnter Kampf zwischen
zwei Herren ab: einem Berliner Sammler und dem Vertreter der
Wiener StadtbilViothek. Vs handelte sich nämlich um die (Erwerbung
des kostbaren Briefes, in dem Kaiser ITlaximilian uon ITlexiko
sein Verhältnis zu Grillparzer streift. Diesen Brief bat Henrici
mit 75 lllark an, worauf die beiden Herren immer höher gingen,
bis der Berliner meinte: „Verständigen wir uns doch über den
Preis.“ — „Gut,“ antwortete der Wiener. Und die folge war, C aß
in ein paarSekunden die Höhe des „uereinbarten“ Preises uerdoppelt
war, bis schließlich der Wiener bei 500 ITIark - erlahmte und
dem Berliner das feld überließ . . . Von den übrigen Stücken der
interessanten Auktion wurde ein Bismarck-Unikum, das Protokoll
einer „sehr schweren Sißung“ Anno 1844 im Cafe national bis
600 !Tlark gesteigert: ein Autograph des amerikanischen Präsi
denten Grant wurde für 90 ITIark, ein Autograph Cincolns für
85 IDark oerkauft. Die : Berliner llafionalgalerie sowie das Ger
manische niuseum in Dürnberg erwarben einige Kiinstlerjauto-
graphen,
Bibliophilie.
(Plan einer Hamann-Ausgabe.) Die Berliner Akademie
der Wissenschaften will jeßt dem großen Anreger unserer klassi
schen Citeratur, dem Königsberger Johann Georg Hamann durch
eine große Ausgabe seiner Werke ein bleibendes Denkmal seßen.
Diese Gesamtausgabe der Arbeiten des „ITtagus des Tlordens”,
dessen Cinfluß auf unsere Bildungsgeschichte besonders durch
seine Beziehungen zu Herder oder auch in der folge zu Goethe
außerordentlich ist, soll seine Werke und Briefe mit dem hier un
erläßlichen Kommentar bringen. Vorläufige Verhandlungen sind
bisher uon seifen der Akademie mit den jeßigen besten Kennern
Hamanns, War d a und R. Unger, dem ITlünchener Dozenten, ge
pflogen worden, der bereits Hamanns Sprachtheorie im Zusammen
hang seines Denkens bearbeitet und dessen sibyllinische Blätter
herausgegeben hat.
(mikroskopische Bibliotheken.) Der enormen Bücher-
produkfion sind die Bibliotheken nicht mehr gewachsen. Um eine
wirksame Abhilfe zu schaffen, hat man die Jdee gefaßt, eine
mikroskopische Bibliothek einzurichten. Zu dem Zweck sollen
werfoolle literarische Dokumente, die einen großen Raum in den
Bibliotheken ausfüllen, photographiert und die Diapositioe auf
Ceinwand reproduziert werden, nach dem B. T. arbeiten der
belgische Ingenieur Goldschmidt und der Aduokat Otelet die
Jdee aus. Sie hoffen, die Bibliotheken wesentlich entlasten zu
können. Auch ist das Verfahren oiel billiger als der lleudruck
seltener (Exemplare, die buchhändlcrisch keine (Erfolge hätten,
natürlich müssen Bücher, die noch die geseßliche Schußfrist ge
nießen, uon der photographischen Reproduktion ausgeschlossen
bleiben.
(Eine mexikanische Bibliothek unter dem Hammer.)
Jm Antiquariat oon J. A. Stargardt in Berlin wurde die Biblio
thek des Barons Kaska, die die seltensten mexikanischen und
spanischen Handschriften enthielt, «ersteigert. Den höchsten Preis
mit 5100 Olk. erzielte eine „Azfekische Handschrift“ aus dem
Jahre 1536 in der nauhall-Sprache, auf Pflanzenfaserpapier, mit
uielen IJlalereien, und uier mexikanische Handschriften non 1596
und 1710 in spanischer Sprache. Sie gehörten ehemals dem Kaiser
I ITlaximilian uon ITlexiko. (Eine Genealogie des spanischen
' und mexikanischen Adels, mit uielen Porträts und gemalten
I Wappen, ebenfalls aus der Bibliothek des Kaisers, brachte 520
ITIark; zwei mexikanische ITtanuskripte uon 1789, die Überseßung
| der Cuangelien in der Sprache uon Tarasca 1596, und zwei Hand
schriften über die Kolonialuerwaltung uon 1794 brachten 1500 lllark.
! Von den Büchern erzielten Vocubalario cn lengua de Mecliueän
I uon Gilberti, 1559, 1000 lllark; Vocubalario en fengua Mexicana
y Castellano. ITlexiko 1571, 800 lllark. Oonl'esionario en lengua
Mexicana uon 1565 und Doctrina cristiana, Illexiko 1578, kamen
auf 900 lllark. Le Tract d’Union, .Tonninl universal, ein uoll-
sländiges (Exemplar dieser für lllexikos Geschichte sehr wichtigen
Zeitung, uon 1868 bis 1874 erzielte 250 ITIark, und ein Buch uon
Dumonf d’Uruille „Voyage au I'ol Sud“, Paris 1842, 285 lllark.
ßilöer.
(Bin ]Tleistermerk Rembrandts uon Condon nach
Paris uerkauft.) Die britischen Kunstfreunde haben wieder
Grund zu schmerzlichen Sorgen: wieder ist ein unerseßlicher Kunst
schoß den (Engländern uerloren gegangen. (Es handelt sich um ein
meistermerk Rembrandts, das nach dem Urteil der Kenner der
Glanzzeit des Künstlers entstammt. Bis oor wenigen lahren war
das Gemälde so gut wie unbekannt. Auf einem Candgute des
Cord Asburnham, in Shernfold House bei front, hing das Werk
jahrelang, ohne daß ihm Beachtung geschenkt worden märe. Als
dann der bekannte finanzmann Benjamin üewgaß den Besiß des
Gutes erwarb, ließ er einen Teil der möbel und Kunstschäße in
sein eigenes Heim überführen, darunter auch das Rembrandtsche
Gemälde, das auch jeßt noch in seinem wirklichen Werte nicht er
kannt wurde. Doch inzwischen fanden Kunstkenner und Sach-
oerständige Gelegenheit, dos Gemälde zu prüfen, und kamen über
einstimmend zu dem (Ergebnis, daß das Bild eines der schönsten
ITleisterwerke Rembrandts ist, das die Welt besißt. ITewgaß hat
nun das Bild für 400.000 lllk. dem bekannten Pariser Kunsthändler
Charles Sedelmeyer uerkauft. Cs war früher als Scipio bekannt
und stellt einen römischen Krieger zu Pferde dar, der uor einer
festung auf dem Schlachtfelde seinen Sohn grüßt. Die Sochuer-
ständigen behaupten ober, daß der dem Werk gegebene ITame
nicht zutrifft, und daß es eine im Cioius erwähnte Szene darstellt.
(Re mb ran dt und uan Dyck im Berliner Kunsthandel.)
Bei Agnew and Sons, Berlin, Unter den linden 51, sind zur
Zeit zwei bedeutende Werke Rembrandts ausgestellt, die aus
der Pariser Sammlung der Herzogin uon Broglie stammen. Das
eine der beiden Bilder ist der wiederholt publizierte „Raub der
Curopa“, der an den „Raub der Praserpina“ im Kaiser-friedrich-
ITluseum erinnert und in Komposition und Kolorit uon fesselndem
Reiz ist. Der zmeite Rembrandt ist das Bildnis eines Offiziers,
etwa um 1655 gemalt, und durch seine prachfoolle Charakteristik
den besten Werken des Kleisters zuzuzählen. Außer diesen beiden
Rembrandts zeigen Agnew and Sons einen interessanten uan Dyck,
das Porträt eines Anfwerpener Sfadfrafs in seiner tiefschwarzen
Amtstracht.
(Vandalismus.) Jn der Ausstellung der lllünchner Künstler
gruppe „Die Autonomen“ zu Düsseldorf (in der Kunstabteilung
des Hauses Tieß) wurde das große Gemälde „Christus und
ßarrabas“ oon Curt Witte uon einem unbekannten fanatiker
durch llTesserschnitfe zerstört,