Hummer 8
Internationale Sammler-Z ei tu ng.
Seite 123
Chronik.
Bibliophilie.
(Von der Vatikanischen Bibliothek.) Wie uns aus
Rom gemeldet roird, ist Pater Sranz Ghrle S. J. Präfekt der
Vatikanischen Bibliothek seit 1895, oon diesem Amte zurückgetreten,
um Zeit für die Herausgabe des lange erroarteten zroeiten Bandes
seiner Geschichte der päpstlichen Bibliothek (Historia bibliothecae
Pontific. tan Bonifationae tum Avenionensis“ 1899) zu geroinnen.
Pater Ghrle, geb. 1845 zu Isny, ist auch Verfasser nerschiedener
kunstgeschichtlicher Schriften, u. a. über die Srcsken des Pinturic-
chio in den Appartamenti Borgio im Vatikan. Seit einer Reihe
oon Jahren gibt er ein „Archio für Citeratur und Kirchengeschichte“
heraus. Gr ist Chrendokfor der Unioersitäten Oxford, ITlünster
und Cambridge. Zu seinem llachfolger als Ceiter der Vatikanischen
Bibliothek ist der bisherige Direktor der Ambroiana in ITlailand,
JTlonsign. Ratfi, ausersehen.
(Klassikerausgaben und Grstdrucke.) Jm Antiquariat
oon ITlax Perl in Berlin fand in der Vortooche die Versteigerung
der Bibliothek eines rheinischen Bücherfreundes statt. Das Haupt
interesse sammelte sich auf die seltenen Goethe-Ausgaben soroie
auf die Grstdrucke. Die erste oon Goethe selbst besorgte, acht
bändige Ausgabe seiner Schriften (Ceipzig 1787- 90) erzielte 510 111k.;
die erste, ohne Goethes Vermissen in Berlin bei Himburg 1775
herausgekommene Sammelausgabe seiner Schriften 140 Ulk.
Von einzelnen Crsfausgaben brachten: „Claoigo“ und „Westöstlicher
Dioan“ 141 JTtk. „Saust“ Cotta, Tübingen 1808, 250 ITlk. „Saust“
zmeiter Teil, Cotta, Tübingen 1833, 160 Alk. „Göt? oon Bcrlichin-
gen“ (erste auf Goethes Kosten besorgte Ausgabe), 1773, 415 Ulk.
Taschenbuch für 1798 mit „Hermann und Dorothea“ somie zroei
spätere Cxemplare 430 ITlk. „Werthers leiden“ Ceipzig 1774,
„Torquato Tasso“ und „Wahloermandtschaften“ 370 ITlk. Die erste
Ausgabe oon Cessings „ITlinna oon Barnhelm“ (Berlin bei Chr.
Voß 1767), brachte 245 111k. Clemens Brentano: Der Philister oor,
in und nach der Geschichte. Berlin 1811. 210 ITlk. (Das Werkchen
ist gänzlich oerschollen.) 0 Boccaccio: II Decamerane. Condra.
1757, und das Dekameron, übersetzt oon Schaum. 400 1T1.
Bilder.
(Von der „tllühle“ Rembrandfs.) Die „ITlühle“ oon
Rembrandt ist doch trat? aller früheren Ableugnungen an den
ITlillianär Widener in nem-tJork oerkauft morden. Kenner der
Verhältnisse hatten oon Anfang an nicht daran gezmeifelt, daß die
„ITlühle“ in die Hände eines der drei amerikanischen ITlillionäre
mandern roürde, die sich seit Jahren als Rioalen im Ankauf der
großes ITleisterroerke betätigen, nämlich Widener, Srick und Altmann.
(Gin S r e s k o aus der Zeit oon 1500.) In einer Seiten
kapelle der Kirche S. ITlaria delle Grazie in Belinzona ist an
der lAauermand hinter dem Altar ein mohlerhaltenes Sresko oon
künstlerischem Werte zum Vorschein gekommen : S. Bernardino oon
Siena, umgeben oon den Heiligen Sebastian und Rocchus. Der
Heilige hält die Rechte erhoben, in der Hinken ein geöffnetes Buch.
Den Hintergrund der IJJalerei bildet eine phantastische Candschaft.
lJach dem Urteil oon Sachoerständigen dürfte das Werk aus der
Zeit oon etma 1500 stammen.
Hanöscbriften.
(Die Keats-ITlanuskri pte.) Aus Condon mird be
richtet: Als oor kurzem Sir Charles Dilke, der bekannte Sammler
und Politiker, aus dem Heben schied, ermartete man mit Spannung,
roelche Bestimmung der Verstorbene über den kostbarsten Schaß
seiner mertuollen Sammlungen, über die berühmten Keats-lTlanus-
kripte getroffen haben roürde. Das Testament ist nun eröffnet
morden. Die gesamten Handschriften oon Keats, seine Bücher,
Korrekturen und auch die ITlaske des Dichters, sind durch Ver
fügung Dilkes der Bibliotheksoermaltung oon Hamesfead oer-
machf morden, mo Keats lange gelebt hat und roo auch der Groß-
oater des oerstorbenen Sammlers ansäßig gemesen mar. - Das
Porträt oon John Stuart Uli II, das als eines der besten Werke
oon Watts gilt, ist dem Stadtrat oon Westminsfer zugeroiesen
morden.
(Gine Schaßkammer alter ITlanuskripte.) Bei
Sofheby in Condon gelangt am 24. d, ITT. eine roahre Schaß-
kammer alter lllanuskripte zum Verkaufe. Gs handelt sich um
einen Teil der Sammlung oon Sir Thomas Phillipps, den Gladestone
den „gefräßigsten Bibliomanen aller Zeiten“ genannt hat. Gin
Velin-lTlanuskript in folioformat oon 132 Seiten Umfang aus dem
Jahre 1614 datiert enthält mertoolle ?amiliendokumente der
Familie Borghese und unterrichtet unter anderem darüber, mie
das Cand der familie Colonna dem Papste Paul V. oerpfändet
roürde und er es schließlich an seinen lleften Scipio Caffarelli, den
nachmaligen Kardinal Borghese, oerkaufte. Aus der Zeit der Königin
Glisabeth stammen die Staatspapiere des Ritters Julius Caesar,
der eine ganze Reihe der höchsten Staatsämter bekleidete; über
die englischen Blei- und Silberminen in Cornroall im Jahre 1516 17
berichtet ein kostbares Dokument. Wenig jünger sind Dokumente,
über ein Rittergut in Deoonshire, die mit 1552 beginnen und bis
1551 reichen. Zur Zeit Jakob II. bekleidete Sir William Dugdale
das Amt eines Garfer-King-at-Anns. ln seinen Papieren in der
Philippsschen Sammlung befinden sich königliche Befehle, die die
Auslöschung des Abzeichens des Herzogs ITtonmouth, des roegen
Hochoerrafs zum Tode oerurteilten Thronprätendenten, anordnen.
Besonders merkroürdig ist das Haushaltungsbuch Gduards I. für
das Jahr 1298, das unter anderem die Ausgaben für das Heer
enthält. Bei der Krönung Heinrichs VIIT. morden einige fenster-
scheiben zerbrochen. Gin anderes ITlanuskript der überaus reich
haltigen Sammlung berichtet über das Cinseßen der neuen bei
dieser Gelegenheit. Gin Haushaltungsbuch oon lllaria I. enthält
eine ausführliche Beschreibung eines Stuhles für die Königin. Das
Krankenjournal oon Sir Theodore ITlayerne, eines berühmten Wunder
arztes des 16. Jahrhunderts, beschreibt ausführlich die Behandlung
einer Dame roegen Gesichtsröte und erzählt auch oon einer Patenf-
emaillierung. Außerordentlich roertooll und merkroürdig ist ein
unoeröffentlichtes ITlanuskript oon Reginold Pecock, Bischof oon
St. Asaph, aus dem Jahre 1445, das sich gegen die Unfehlbarkeit
des Papstes richtet. Aus dem 15. Jahrhundert stammt eine hand
schriftliche Geschichte des Königs Richard Cöroenherz in den
Kreuzzügen.
Dumi5matik.
(ITTünzauktion in lllünchen.) Vom 11. bis 13. ITlai findet
in lllünchen durch den bekannten Gxperten Dr. Jacob Hirsch die
Auktion des Sammlungen der Red. Percy Baron (Whyteleafel) und
eines bekannten englischen Gelehrten statt. Die Sammlungen um
fassen oorroiegend griechische und römische münzen. Wir kommen
nach dem erscheinen des Katalogs auf die Auktion noch zurück.
(Der ITleister der ITledaillen kunst) Der Tod des großen
französischen JTledailleurs Couis Oskar Rofy beraubt das moderne
Kunstleben eines llleisters, der, mie roenige andere seiner Gpoche,
Vollendetes geschaffen und einen geroaltigen Ginfluß ausgeübf hat.
Roty mar mirklich groß in den kleinen Werken, die seine kunst
reiche Hand entstehen ließ. Ihm ist es oor allem zu oerdanken,
daß ein Kunstzroeig, der in der Renaissance so herrlich geblüht
und im 19. Jahrhundert oöllig in Verfall geraten mar, roieder zu
neuer Pracht und Schönheit auferroeckt roürde. Die Renaissance
der ITledaille, die mir auch bei uns in den letzten Jahren
mit so freudigem Grstaunen erleben durften, ist durch ihn
begründet morden. Cr seßte an die Stelle der früher üblichen
geprägten ITledaille mit dem hohen Rand, der polierten fläche, dem