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Rummel' 9 
internationale Sammler-Zeitung. 
naturperlen und Korallen zu sticken, roar man über die | 
farbenarmut derselben sehr bestürzt, umsomehr als die j 
immer mehr entcoickelte ölasmasaikkunst eine ungleich 
reichere farbenpalette gestattete. So kam die Glasperle 
zur Geltung und man bediente sich hauptsächlich zroeier 
Techniken:' Der Glasperlen in Verbindung mit kleinen 
ITletallblechen oder Emailplättchen im 12. und im 13. Jahr 
hundert, roo man pompös wirkende liturgische Gewänder, 
Behänge und Geräte in dieser Technik oerfertigte und 
der andern Technik, die die Glasperle fast ausschließlich 
dominieren läßt, wie es unsere Abbildung (fig. 1) zeigt, 
die einen Teil aus grünen Seidenbehanges darstellt, der 
mit Aflasstiften — Schmelzperlen — bestickt ist. Derselbe 
wurde später zu einem Christkindkleid uerschnitten und 
befindet sich jeßt in dieser form im königl. Kunstgewerbe 
museum in Dresden. 
Venedig war zu jener Zeit die Perlenlieferantin der 
ganzen Welt. Aber die Cntdeckung Amerikas, die für 
Venedigs Handel einen schweren Schlag bedeutete, war 
auch für die Perlenfabrikation der Ruin. Zunächst freilich 
war Venedig mit Aufträgen überhäuft, denn gerade die 
Indianer waren es, die sich oon den kleineren Glasgebilden 
besonders entzückt zeigten. Die alten Techniken der deko- 
ratioen Kunst Alexandriens lebten wieder auf und die 
Aggryperlen, die aussieben gefurchten Schichten oon blauer, 
kupferroter und weißer färbe bestanden, bildeten wegen 
ihrer zweifelhaften Herkunft sogar einen Zankapfel in der 
Citeratur. 
Aber nicht nur die Wilden, sondern auch die italieni 
schen Tandsleute fanden an Glasperlenschnüren oiel Gefallen. 
Dafür liefern die Porträts Boticellis, die Perlenschnüre und 
mit Glasperlen gestickte Halstücher fast auf jedem frauen- 
bildnisse zeigen, Beweis. Ja, die Vorliebe für Perlenschnüre 
und Perlenbehänge ging auf das Volk über, bei dem sie 
nicht nur als farbiger, sondern auch als Trauerschmuck 
Verwendung fanden. Der Reiseschriftsfeiler J. G. Keyßler 
berichtet um das Jahr 1730, daß die Jungfrauen in Genua 
bei Beerdigungen Bänder oon Schmelzwerk, also offenbar 
Bänder aus gehacktem, schwarzem Stiffenschmelz tragen. 
Derselbe Gewährsmann meldet auch oon merkwürdigen 
Bildern im „llluseum Kircherianum in Rom“, aus kleinen 
Glasperlen oon oerschiedenen färben, so man „IRargaritini“ 
nennt, zusammengeseßt. Diese waren die Vorläufer der 
späteren Solomosaik-Technik in Braunschweig. Zu den 
interessantesten Arbeiten aus IRargaritini zählen die oielen, 
heute im Wiener k. k. kunsfhistorischen Hofmuseum 
sorgfältig behüteten Rosenkränze und Halsschnüre, die in 
den Inoentaren bis auf den kunstsinnigen (Erzherzog 
ferdinand oon Tirol zurück oerfolgt werden können. 
Bei der zunehmenden Konkurrenz nahm die Rach- 
frage bei den oenetianischen Perlen ab und die oenetiani- 
schen Perlhafter oersuchten ihr Glück troß der drakonischen 
Geseße gegen die Auswanderung in der fremde. So 
wurde die Kunst zuerst nach Ampezzo, und unter Kaiser 
Ceopold I. nach Wien gebracht, wenn auch ein großer 
Teil der Auswanderer oom Dolche der ihnen nachgesandten 
Rlörder ereilt wurde. 
Die Qualität der Perle sank infolge der geringen 
Rachfrage immer mehr und die nach französischem Illuster 
hergestellten Perles de Rluran waren die Kennzeichen des 
Rückschrittes. Erst im 19. Jahrhundert hob sich die oon 
der Fllode begünstigte oenetianische Produktion so weit, 
daß im Jahre 1888 in Venedig über 2000 lllenschen in 
dieser Branche beschäftigt waren. Die Empirezeit brachte 
kleine, farbige Stick- und Strickperlen wieder in Diode und 
die Biedermeierzeit erhob die Glasperlenstickerei zu einer 
oorher nicht erreichten Blüte. Aber Venedig war es nicht 
mehr allein, das die kleinen farbigen Dinger erzeugte. 
| Schon trat Rordböhmen auf und hatte bald in Hieben au, 
Gablonz und den kleinen Orten im Isergebirge einen so 
regen Wetteifer und eine so oielseitige Produktionstätigkeit 
entwickelt, daß die Venetianer nicht nur bald erreicht 
wurden, sondern, da Böhmen auch geschliffene Strick- 
perlen oon großer feinheit und Zartheit in den Handel 
brachte, sogar bald übertroffen wurde. 
Über drei Jahrzehnte wollte man oon der Perlen 
arbeit nichts mehr wissen : erst die Biedermeiermode in den 
leßten Jahren hat wieder Wandel geschaffen: Dian erinnert 
sich wieder der Perlenarbeifen wenigstens aus der ersten 
Hälfte des 19. Jahrhunderts und beginnt sie wieder zu 
sammeln. Als charakterisch hebt Pazaurek heroor, daß 
z. B. Silbermarenarbeiter gern alte, gut erhaltene Perlen 
beutel aufkaufen, um sie mit ihren alten — häufig sogar 
nur neuen — Silberbügeln zu oereinigen, und daß auch in 
den Auktionskatalogen derlei Arbeiten, die man früher links 
liegen ließ, abgebildet werden, zum erstenmale bei der 
Auktion K. Bachmeier—Vilshofen (IRünchen, Helbing 1909). 
Rur auf einem Gebiete haben sich die Glasperlen 
arbeiten, oon IRodeschmankungen ziemlich unbeeinflußt, 
seit Jahrhunderten behauptet, nämlich unter den Bauern, 
welche Reste früherer städtischer Trachten noch sehr lange 
konseroieren, nicht selten auch in eigener, nach Gegenden 
abgegrenzter Weise weiter entwickeln, für die Perlen 
stickerei in oerschiedenen deutschen Gauen kommen na 
mentlich Hauben, Tücher und Schürzen in Betracht. Die 
oolkskundlichen IRuseen und Ausstellungen der leßten 
Jahre haben hier für weitere Studien IRaterial zusammen 
getragen. Häufiger sind derartige Spielereien bei den 
Slaoen und Rtagyaren, bei denen man aber auch höchst 
interessante Glasschmelzperlenarbeiten findet. Die russi 
schen Glasperlenstickereien zeigen auch perlengestickte 
Schablonen für die „schwarzen DJuttergotfesbilder“. In 
teressante russische Glasperlenstickereien kann man na 
mentlich in der Sammlung S. oon Gahlnbäck (Peters 
burg) studieren. 
Ungleich größer aber ist die Verbreitung und das 
Verarbeitungsgebiet der Glasschmelzperle in der Volkskunst 
anderer Weltteile, namentlich bei den Indianern und Regem 
in West-, Ost- und Südafrika. 
Die Wiederbelebung der Perlenarbeifen in unseren 
Tagen ist nicht leicht, zumal man nicht einmal mehr die 
feinen, dünnen Stricknadeln erzeugt, die oor hundert 
Jahren zu diesen Arbeiten benüßt wurden. Auch können 
die Perlenarbeiten nur durch originelle moderne Kunst 
kräfte einer gedeihlichen Renaissance zugeführt werden. 
Gustao E. Pazaurek weiß oiel über Ramen, die bei einer Wieder- 
belebung der Perlenarbeif in Befracht kommen, zu berichten. 
Was zunächst das einfache Auffädeln größerer Schmuck 
perlen betrifft, so haben in Wien der Architekt Hans Ofner 
mit dem Dichter Peter Altenberg den Anfang gemacht und 
Gertrud Gngau in Düsseldorf, Ludwig Vierthal er in Hanna 
oer. friedrich Offermann in Eoschwiß und EmmaGold- 
schmidf in frankfurf sind ihnen gefolgt. An Stelle der 
alten Rosenkranzmotioe sind nun llluff- und Torgnetfen- 
ketten getreten. Wichtiger sind die komplizierten Kolliers 
und Gehänge, bei denen mehr das Arrangement der ein 
zelnen Schnurlagen, als die schlichte, doch meist kleine 
Perle ins Auge fällt. Amalie Szeps in Wien, die troß 
ihres hohen Alters Jahr für Jahr neue Perlenarbeiten oon 
ganz besonderer Eigenart herstellt, mag hier ganz speziell 
erwähnt sein. Die zarten, transluziden Halsbänder, die 
duftigen Blumen- Pfauen-, fasanen- und Eibellenmotioe, 
die grazilen Biedermeierkränze, die die reizenden Gebilde 
ihrer fantasie schmücken, haben ihre Erzeugnisse mit 
Recht dem wertoollen echten Schmucke und den echten 
Spißen ebenbürtig zur Seite gestellt.
	        
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