Seite 130
Rummel' 9
internationale Sammler-Zeitung.
naturperlen und Korallen zu sticken, roar man über die |
farbenarmut derselben sehr bestürzt, umsomehr als die j
immer mehr entcoickelte ölasmasaikkunst eine ungleich
reichere farbenpalette gestattete. So kam die Glasperle
zur Geltung und man bediente sich hauptsächlich zroeier
Techniken:' Der Glasperlen in Verbindung mit kleinen
ITletallblechen oder Emailplättchen im 12. und im 13. Jahr
hundert, roo man pompös wirkende liturgische Gewänder,
Behänge und Geräte in dieser Technik oerfertigte und
der andern Technik, die die Glasperle fast ausschließlich
dominieren läßt, wie es unsere Abbildung (fig. 1) zeigt,
die einen Teil aus grünen Seidenbehanges darstellt, der
mit Aflasstiften — Schmelzperlen — bestickt ist. Derselbe
wurde später zu einem Christkindkleid uerschnitten und
befindet sich jeßt in dieser form im königl. Kunstgewerbe
museum in Dresden.
Venedig war zu jener Zeit die Perlenlieferantin der
ganzen Welt. Aber die Cntdeckung Amerikas, die für
Venedigs Handel einen schweren Schlag bedeutete, war
auch für die Perlenfabrikation der Ruin. Zunächst freilich
war Venedig mit Aufträgen überhäuft, denn gerade die
Indianer waren es, die sich oon den kleineren Glasgebilden
besonders entzückt zeigten. Die alten Techniken der deko-
ratioen Kunst Alexandriens lebten wieder auf und die
Aggryperlen, die aussieben gefurchten Schichten oon blauer,
kupferroter und weißer färbe bestanden, bildeten wegen
ihrer zweifelhaften Herkunft sogar einen Zankapfel in der
Citeratur.
Aber nicht nur die Wilden, sondern auch die italieni
schen Tandsleute fanden an Glasperlenschnüren oiel Gefallen.
Dafür liefern die Porträts Boticellis, die Perlenschnüre und
mit Glasperlen gestickte Halstücher fast auf jedem frauen-
bildnisse zeigen, Beweis. Ja, die Vorliebe für Perlenschnüre
und Perlenbehänge ging auf das Volk über, bei dem sie
nicht nur als farbiger, sondern auch als Trauerschmuck
Verwendung fanden. Der Reiseschriftsfeiler J. G. Keyßler
berichtet um das Jahr 1730, daß die Jungfrauen in Genua
bei Beerdigungen Bänder oon Schmelzwerk, also offenbar
Bänder aus gehacktem, schwarzem Stiffenschmelz tragen.
Derselbe Gewährsmann meldet auch oon merkwürdigen
Bildern im „llluseum Kircherianum in Rom“, aus kleinen
Glasperlen oon oerschiedenen färben, so man „IRargaritini“
nennt, zusammengeseßt. Diese waren die Vorläufer der
späteren Solomosaik-Technik in Braunschweig. Zu den
interessantesten Arbeiten aus IRargaritini zählen die oielen,
heute im Wiener k. k. kunsfhistorischen Hofmuseum
sorgfältig behüteten Rosenkränze und Halsschnüre, die in
den Inoentaren bis auf den kunstsinnigen (Erzherzog
ferdinand oon Tirol zurück oerfolgt werden können.
Bei der zunehmenden Konkurrenz nahm die Rach-
frage bei den oenetianischen Perlen ab und die oenetiani-
schen Perlhafter oersuchten ihr Glück troß der drakonischen
Geseße gegen die Auswanderung in der fremde. So
wurde die Kunst zuerst nach Ampezzo, und unter Kaiser
Ceopold I. nach Wien gebracht, wenn auch ein großer
Teil der Auswanderer oom Dolche der ihnen nachgesandten
Rlörder ereilt wurde.
Die Qualität der Perle sank infolge der geringen
Rachfrage immer mehr und die nach französischem Illuster
hergestellten Perles de Rluran waren die Kennzeichen des
Rückschrittes. Erst im 19. Jahrhundert hob sich die oon
der Fllode begünstigte oenetianische Produktion so weit,
daß im Jahre 1888 in Venedig über 2000 lllenschen in
dieser Branche beschäftigt waren. Die Empirezeit brachte
kleine, farbige Stick- und Strickperlen wieder in Diode und
die Biedermeierzeit erhob die Glasperlenstickerei zu einer
oorher nicht erreichten Blüte. Aber Venedig war es nicht
mehr allein, das die kleinen farbigen Dinger erzeugte.
| Schon trat Rordböhmen auf und hatte bald in Hieben au,
Gablonz und den kleinen Orten im Isergebirge einen so
regen Wetteifer und eine so oielseitige Produktionstätigkeit
entwickelt, daß die Venetianer nicht nur bald erreicht
wurden, sondern, da Böhmen auch geschliffene Strick-
perlen oon großer feinheit und Zartheit in den Handel
brachte, sogar bald übertroffen wurde.
Über drei Jahrzehnte wollte man oon der Perlen
arbeit nichts mehr wissen : erst die Biedermeiermode in den
leßten Jahren hat wieder Wandel geschaffen: Dian erinnert
sich wieder der Perlenarbeifen wenigstens aus der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts und beginnt sie wieder zu
sammeln. Als charakterisch hebt Pazaurek heroor, daß
z. B. Silbermarenarbeiter gern alte, gut erhaltene Perlen
beutel aufkaufen, um sie mit ihren alten — häufig sogar
nur neuen — Silberbügeln zu oereinigen, und daß auch in
den Auktionskatalogen derlei Arbeiten, die man früher links
liegen ließ, abgebildet werden, zum erstenmale bei der
Auktion K. Bachmeier—Vilshofen (IRünchen, Helbing 1909).
Rur auf einem Gebiete haben sich die Glasperlen
arbeiten, oon IRodeschmankungen ziemlich unbeeinflußt,
seit Jahrhunderten behauptet, nämlich unter den Bauern,
welche Reste früherer städtischer Trachten noch sehr lange
konseroieren, nicht selten auch in eigener, nach Gegenden
abgegrenzter Weise weiter entwickeln, für die Perlen
stickerei in oerschiedenen deutschen Gauen kommen na
mentlich Hauben, Tücher und Schürzen in Betracht. Die
oolkskundlichen IRuseen und Ausstellungen der leßten
Jahre haben hier für weitere Studien IRaterial zusammen
getragen. Häufiger sind derartige Spielereien bei den
Slaoen und Rtagyaren, bei denen man aber auch höchst
interessante Glasschmelzperlenarbeiten findet. Die russi
schen Glasperlenstickereien zeigen auch perlengestickte
Schablonen für die „schwarzen DJuttergotfesbilder“. In
teressante russische Glasperlenstickereien kann man na
mentlich in der Sammlung S. oon Gahlnbäck (Peters
burg) studieren.
Ungleich größer aber ist die Verbreitung und das
Verarbeitungsgebiet der Glasschmelzperle in der Volkskunst
anderer Weltteile, namentlich bei den Indianern und Regem
in West-, Ost- und Südafrika.
Die Wiederbelebung der Perlenarbeifen in unseren
Tagen ist nicht leicht, zumal man nicht einmal mehr die
feinen, dünnen Stricknadeln erzeugt, die oor hundert
Jahren zu diesen Arbeiten benüßt wurden. Auch können
die Perlenarbeiten nur durch originelle moderne Kunst
kräfte einer gedeihlichen Renaissance zugeführt werden.
Gustao E. Pazaurek weiß oiel über Ramen, die bei einer Wieder-
belebung der Perlenarbeif in Befracht kommen, zu berichten.
Was zunächst das einfache Auffädeln größerer Schmuck
perlen betrifft, so haben in Wien der Architekt Hans Ofner
mit dem Dichter Peter Altenberg den Anfang gemacht und
Gertrud Gngau in Düsseldorf, Ludwig Vierthal er in Hanna
oer. friedrich Offermann in Eoschwiß und EmmaGold-
schmidf in frankfurf sind ihnen gefolgt. An Stelle der
alten Rosenkranzmotioe sind nun llluff- und Torgnetfen-
ketten getreten. Wichtiger sind die komplizierten Kolliers
und Gehänge, bei denen mehr das Arrangement der ein
zelnen Schnurlagen, als die schlichte, doch meist kleine
Perle ins Auge fällt. Amalie Szeps in Wien, die troß
ihres hohen Alters Jahr für Jahr neue Perlenarbeiten oon
ganz besonderer Eigenart herstellt, mag hier ganz speziell
erwähnt sein. Die zarten, transluziden Halsbänder, die
duftigen Blumen- Pfauen-, fasanen- und Eibellenmotioe,
die grazilen Biedermeierkränze, die die reizenden Gebilde
ihrer fantasie schmücken, haben ihre Erzeugnisse mit
Recht dem wertoollen echten Schmucke und den echten
Spißen ebenbürtig zur Seite gestellt.