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Nr. 10
Internationale
Großmeister des Witzes, Humors und Satyre, den un
übertroffenen Volksdichter Johann Nestroy auf eine ihm
eigene, aber unverantwortliche Weise zu tadeln. Wenn
das nicht Neid ist, nähmlich daß Nestroy in Humor und
Satyre den »Humoristen« bei weitem übertrifft, so kann
es nur der Banquerott des letzten Spaßmachers genannt
oder als Ironie betrachtet werden. Ist beides nicht der
Pall, so müßte es gelogen sein, und man könnte fragen:
Wer kann von Saphir ein christliches Urtheil erwarten?
Aber das köstlichste an der Sache ist, daß das Publikum,
das gebildete Wiener Publikum, das frei und demo
kratisch gesinnte Publikum, doch in Massen zu Nestroy
zieht; — die köstlichste Rache, die Publikum und Nestroy
an den schwarzgelben Neidhammel nehmen kann.«
In den weiteren Ausführungen lobhudelt das Flug
blatt Nestroy in einer Weise, die wohl vermuten läßt,
daß er selbst der Sache nicht ferne stand und das
spätere Witzwort Dingelstedts antizipierte: »Sie
ahnen nicht, wie viel Lob ich vertragen kann.« Wir
zitieren nur einen Satz: »Ein Monument dem braven
Nestroy! Er würde es eher verdienen als andere, deren
Haupt mit dem Lorbcerkranze geschmückt wurde. Er
vermacht dem Volke seine Liebe, eine Lehre!«
Ein starkes Stück als Pamphletist gegen Saphir
leistete sich auch Rema y, Regisseur am Stadttheater
in Baden, der am 14. August 1848 ein mit vollem Namen
untcrzeichnetes Flugblatt, gedruckt bei Franz Edlen von
Schrnid, gegen ihn veröffentlichte. Den Anlaß bot ein
Extempore Remays auf dem Theater in der Badener
Arena. Er sagte im »Verwunschenen Prinzen«: »Was,
ein Friseur, und keine Arbeit? Er soll Zöpfe ab-
schneiden, da hat er zu tun genug! Besonders sind die
Riesenzöpfe des Herrn Ebersberg, Endlich, Landsteiner
und Raudnitz zur Kassation reif!« Die genannten vier
Journalisten und Schriftsteller gehörten der konservativ-
klerikalen Richtung an, und waren damals unter die best
gehaßten Männer Wiens zu zählen. Saphir sendete einen
Nationalgardisten, Mandl, zu Remay, um ihn zur Rede
zu stellen und ihm mit dem Einsperren und mit Insulten
zu drohen, wenn er es wagen sollte, in den Park zu
gehen. Dies gab den Anlaß zu dem Flugblatte, das folgen
den Titel führt:
»Man dreht den M a n t e 1 na c h de m W i n d,
oder der große Herr Saphir, als Schildknappe der
berühmten Herren Ebersberg, Endlich, Landsteiner und
Raudnitz, oder die ersten Waffenthaten eines
Badner Nationalgardisten als Polizeimann engagiert —
wahrscheinlich bei Herrn Saphir - un-d genannt Herr (?)
Han dl junior. Charaktergemälde in Abteilungen,
welche noch nicht bestimmt anzugeben sind. Verfaßt von
E. Remay, Opfer des Schildknappen und Polizeimanns.
Die Scene beginnt in der Badner Arena und endet im
Parke, während welcher kurzen Frist der Schildknappe
verschiedene Farben und Mäntel produ-
zirte, es läßt sich daraus entnehmen wie viele Farben
er bereits'getragen und wie oft er die Mäntel in seiner
Lebenszeit gedreht.«
Der Text des Pamphletes beginnt wie folgt: »Ritter
Don Quixote von La Mancha warb sich bekanntlich einen
Bauer Sancho Pansa als Schildknappen, der, mit einem
Vorrathssacke ausgerüstet und einem Mäntelchen von
Sammler-Zeitung.
[ verschiedenen Farben behängt, hoch zu Esel, dein
Ritter von der traurigen Gestalt nachfolgen mußte. Was
thut Herr Saphir in Baden? der liberale,
demokratische oder bloß scheinende (?) für
Constitution und Freiheit kämpfende (?)
Saphir!! Er trat freiwillig (???) als Schildknappe für
das Kleeblatt: Ebersberg, Endlicher, Landsteiner und
Raudnitz in die Schranken — und soll sogar geäußert
haben - (Hört!) »Wenn der Name so würdiger um
die Freiheit verdienstvoller Männer nicht geschont wird,
wohin soll es noch kommen.« Das ist Satyre, wird ganz
Wien ausrufen! Doch ich glaube es ist bittere Wahr
heit, denn die weiteren Belege dafür wird wohl die
Fortsetzung liefern. Doch was W u n d e r, seit der
12. August vorüber ist — muß man sein Mäntelchen
nach allen Seiten drehen, es scheint für eine g e-
wisse Partei ein günstigerer Wind zu
gehen, also muß man sich ihr freundschaftlich
nähern, um im Falle des günstigen Windes sich ihr
gänzlich anschließen zu können. Warum soll man auch
nicht eine Lanze für Jemanden brechen, welchem man
vor einigen Tagen eine Katzenmusik votirte?!« Remay
erzählt dann den Sachverhalt und den darauffolgenden
Streit mit Saphir, und fügt hinzu: »Als ich weg war, soll
der große Saphir sich geäußert haben: »Lassen Sie die
Sache fallen, meine Herren, es ist ja nicht der Mühe
werth, wegen einem Schauspieler!« »freilich nur
Herr Saphir und sein Anhang und auch die Herren E. R.
L. E. dürfen die Freiheit genießen, alles Bestehende, was
ihnen nicht gefällt, anzugreifen. Herr Saphir nennt in
seinen Vorlesungen beliebige Namen von
Männern, er schreibt über wen er Lust hat, die Herren
Endlich, Ebersberg, Raudnitz und Land
steiner entblöden sicli nicht, über unser jetziges
freisinniges Ministerin m, welches alles
Vertrauen besitzt, zu raisonieren, den geehrten
Herrn Professor F ä s t e r zu verdächtigen, den
S i c h e r h c i t s a u s s c b u ß, dem wir a 11 e s d a n k e n,
mit Plakaten zu beschimpfen; allein Herr
Saphir und sein Polizei mann Handl — meinen
jetzt, nach dem 12. August — dürfe ein Schau
spieler über solche Herrn nichts vom Zopfstutzen
sage n.«
»Auch ein gewaltiger Zopfheld — ein gewisser
K a r s c h i n oponirte und lärmte gegen mich. — So
viel für jetzt — vielleicht folgt noch etwas nach.«
Man sieht; die wildbewegte Stimmung der ersten,
leider sehr kurzen Freiheitsepoche machte von der
Preß- und Zensurfreiheit einen schrankenlosen Gebrauch
auch mißliebigen Personen gegenüber. So groß auch
das Sündenregister Saphirs sein mochte, eines ist doch
zu betonen: er hatte seine Angriffe stets mit seinem
Namen gedeckt. Auf dem Gebiete der Pamphletenliteratur
aber erstanden ihm anonyme Gegner, die sich zwar an
ihm revanchierten, ihm aber die Chance einer Revanche
vorenthielten. Die Reminiszenzen, die in unseren
Auszügen aus den uns vorliegenden Blättern an die
stürmische Zeit des 48er-Jahres sich anknüpfen, geben
uns freilich nur einige karge Striche zu den Charakter
zeichnungen bekannter Figuren, sie gestatten aber doch
einen Schluß auf die Leidenschaftlichkeit, mit welcher
nicht nur die Meinungen und Parteirichtungen, sondern
auch ihre Träger bekämpft wurden.