Nr. 10
Internationale Sammler-Zeitung.
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Familien Prags geben, kommt übrigens diesen Stickereien
noch ein besonderes historisches Interesse zu.
Das Kunstgewerbe hat auch in den alten
jüdischen Tempeln prächtige Werke geschaffen. Das
Museum besitzt zum Beispiel die Lade und das Gitter aus
der Zigeunersynagoge, eine wundervolle Schmiedearbeit,
deren charakteristische Verzierung, der Schwedenhut
im Davidsschild, auf eine alte Heldentat der Prager
Judenschaft hinweisen soll. Prächtige Messingluster,
sieben- und neunarmige Leuchter, ewige Lampen, dann
Fig. 9. Hosemann, Im Sturm.
die sogenannten Judenlampen zur Beleuchtung der Wohn
stube an Festtagen, kostbare Thorakronen in Silber,
Thoraschilder, Gewürzbüchsen in Filigranarbeit und den
merkwürdigsten Formen, wie Türmchen, Lokomotiven,
Koffern etc., dann Kunstgläser und Becher mit hebräi
schen Inschriften, alte Verlobungsringe, die Petschafte
des Prager Ober-Rabbiners Rappoport, schön gearbeitete
Chanukalampen mit einem geharnischten Makkabäer ver
ziert, oder in der sonderbaren Bankform mit den Ge
stalten von Moses und Aaron fesseln hier das künst
lerische wie das historische Interesse. Besonders er
wähnt sei auch ein riesiger zinnerner Schlüssel mit dem
Fleischhauerlöwen gekrönt, das alte, aus dem Jahre 1620
stammende Zunftabzeichen der jüdischen Fleischhauer
zunft, zu dem auch eine schöne alte Fahne gehört.
Kunstwerke eigener Art sind endlich die zahlreichen,
künstlerisch ausgeführten, mit Kupferstichen oder Illu
minationen versehenen Thora- und Estherrollen, die so
genannten Megillen, unter diesen letzteren eine von dem
berühmten Kupferstecher Frank gestochene aus dem
Jahre 1700. Eine Hagada auf Pergament weist farben
fröhliche Miniaturen auf. Interessant ist ein in Prag 1613
Fig. 10. Sattler, Frosch und Biene.
gedrucktes Gebetbuch mit dem Prager Gemeindewappen
auf der Titelseite. Anzuschließen sind sodann die alten
Porträtstiche von berühmten jüdischen Schrift
gelehrten und Rabbinern, unter ihnen David Oppenheim.
Jonathan Eibenschütz, der Prager Ober-Rabbiner
Ezechiel Landau und dessen Sohn Samuel Landau, ferner
Eleazar Flekeles, Baruch Jcitclcs und Rappoport, von
dem das Museum auch ein großes Oelporträt, angeblich
von der Hand eines der Maler Manes, besitzt.
Ehe man das Museum verläßt, wird man noch einen
Blick auf die steinernen Dokumente werfen, welche im
Vorraume in die Wand eingelassen sind; es sind De-
denksteine aus dem Fränkischen Stiftüngshaus in Prag
und ein ehrwürdiger Stein mit der Jahreszahl 1342, der
in E g c r ausgegraben wurde. Sie tragen natürlich alle
hebräische Inschriften. —1.
Der Diebstahl von Gainsborough’s „Herzogin von Devonshire“.
Aus den Erinnerungen des Ex-Inspektors Meikleiohn.
Selten hat ein Kriminaivall die Gemüter einer Millionen
stadt so sehr in Atem gehalten, wie in den Siebzigerjahren der
Diebstahl des berühmten Gemäldes von Gainsborough,
»Die Herzogin von Devonshire«. Obwohl seither Jahrzehnte
vergangen sind, war eine genaue und vollständige Darstellung
der einzelnen Begleitumstände dieses sensationellen Dieb
stahls nicht in die Oeffentlichkeit gekommen, und erst jetzt
werden durch die in London eben veröffentlichten Erinne
rungen des Ex-Inspektors Meikleiohn von Scotland Yard
alle Details bekannt.
Georgiana, die Herzogin von Devonshire, nahm zu Ende
des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine hervorragende
Stellung in der gesellschaftlichen und politischen Welt Lon
dons ein. Sie war die Freundin von F o x und eine Stütz®
der Whig-Partei im Lande. Ihr hoher Rang, ein ungeheures
Vermögen, Geist, Witz und ihre außerordentliche Schönheit
machten sie zu einer bedeutsamen Erscheinung im öffentlichen
Leben, und als sie einmal während einer Parlamentswahl
einem Londoner Schlächtermeister für seine Stimme zu
gunsten Foxens einen Kuß gab, war auch ihre Popularität beim
Volke gesichert. Als nun die bekannte Kunsthändlerfirma
Agnew das Meisterwerk Gainsboroughs um den damals hor
renden Preis von 222.600 Mark ankaufte und in ihren Ausstel
lungsräumen in Bond Street aufstellte, da strömte das Publi
kum tagtäglich in Massen herbei, um die berühmte Schönheit
einer früheren Generation bewundern zu können. Eines
Morgens aber fand man einen leeren Rahmen vor, das Bild
war herausgeschnitten worden. Und von den Dieben war keine
Spur.
Die Hauptpolizeistation Scotland Yard wurde sofort ver
ständigt und Meikleiohn erhielt den Auftrag, den Fall in die
Hände zu nehmen. Er fand, daß die Ausstellungsräume im