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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 11
Die Kupierstichauktion bei Boerner.
Aus Leipzig wird uns unter dem 24. Mai geschrieben: i
Die Kupfcrstichsammlungen von Rudolf v. S e y d 1 i t z j
,üd Heinrich Främbs haben sich, wie erwartet, als starke j
'.tiraktionen erwiesen. Der Auktion bei Boerner wohnten j
außer zahlreichen Sammlern und Kunsthändlern u. a. Direktor |
Dr. Friedländer aus Berlin, Geheimrat Lehrs aus j
Dresden, Vertreter des Germanischen Museums in Nürnberg, ;
des Städelschen Museums in Frankfurt a. M„ der Hotbibliothek J
in Wien, des Baseler Museums bei. Sogar Amerika war ver- |
treten. Mit der. erzielten Preisen kann Herr Boerner wohl ]
zufrieden sein.
Unter den 320 Nummern des ersten Tages erzielten u. a. I
Zoan Andrea Vavassori, »Tanz von vier jungen Frauen«,
nach Mantegna 4.30 Mark, ein anonymer deutscher Holz- j
schnitt aus dem 15. Jahrhundert. den Apostel Matthäus mit
der Lanze darstellend, 500 Mark, Francesco Bartolozzi,
Lady Smith, im Garten sitzend mit ihren drei Kindern, nacii
J. Reynolds, 510 Mark; Giulio Campagnola, Christus und
die Samariterin am Brunnen, schönes Blatt, wundervolle !
Lagunenlandschaft, vermutlich nach Giorgione, 1200 Mark, j
Auch Chodowiecki stand hoch im Preise: für den kleinen ]
L’Hombre-Tisch wurden z. B. 620 Mark bezahlt.
Bei der Versteigerung der Dfirerschen Blätter am
zweiten Tage stieg ein Kupferstich nach Albrecht Dürer »Die
Geburt Christi«, ein wundervoller Abdruck von unvergleich
licher Schönheit und Frische, der zu den größten Kostbar
keiten gehört, von 3500 Mark auf 1 0.0 0 0 Mark. Er wurde
von dem Händler Gutekunst (Stuttgart) erworben.
Ferner erzielten die »Leidensgeschichte Christi« 2600 Mark,
»Christus am Kreuz mit Maria und Johannes« 1550 Mark, das
»Schweißtuch« 1080 Mark, »Die heilige Jungfrau mit dem
Affen«, ein äußerst seltenes Blatt, 1750 Mark, »Die Madonna
mit der Heuschrecke« 580 Mark, »Der heilige Hieronymus im
Gehäus« 1300 Mark. Das reizende kleine Blättchen »Die drei
Genien« wurde mit 800 Mark angeboten und von einem
amerikanischen Händler für 1350 Mark erworben. Ein anderes
kleines Blatt, »Apollo und Diana«, brachte 720 Mark, ein
früher Abdruck der »Wirkung der Eifersucht« 500 Mark, die
berühmte »Melancholie« in einem besonders schönen Abdruck
2000 Mark, die große »Fortuna« 1850 Mark, das bekannte
Blatt »Ritter, Tod und Teufel« 1850 Mark und das Porträt
Erasmus von Rotterdam 1200 Mark. Es wurden allerdings aucn
Blätter für 300, 200. 100, 50 bis zu 10 Mark verkauft. Der dritte
Tag war vorwiegend Rembrandt gewidmet. Zunächst ging
eine Reihe von Selbstbildnissen des holländischen Meisters »mit
krausem Haar«, »mit der eingeknickten Pelzmütze«, »mit ge
sträubtem Haar«, »mit Pelzmantel« und »mit dem Säbel« za
mäßigen Preisen ab; dann aber wurde für den schönen Ab
druck des Selbstbildnisses »mit der Schärpe um den Hals«
820 Mark bezahlt. Für ein im Jahre 1655 erschienenes spani
sches Buch seines Freundes Manasse ben Israel hatte Rem
brandt vier biblische Biidsr geliefert. Diese sehr seltenen
Blätter wurden für 410 Mark erworben. Ferner erzielten »Die
Rückkehr aus Aegypten« 810 Mark, »Jakob beweint Josefs
Tod« 860 Mark, »Christus am Oelberg« 800 Mark, »Christus
und die Samariterin am Brunnen« 730 Mark, ein wundervoller
früher Abdruck der »Verkündigung an die Hirten« stieg von
650 auf 1280 Mark. Das Bild »Christus predigend«, ein Abdruck
von großer Schönheit und Frische und tief samtartigem Ton, ge
langte auf 3950 Mark. »Der barmherzige Samariter« wurde
für 2550 Mark erstanden. Von zwei heiligen Hieronymie er
zielte der eine »neben dem Weidenstumpf«, aus der Samm
lung Lanna, 1850 Mark, der andere »in Dürers Geschmack«.
2550 Mark: ein anderer Abdruck desselben Blattes brachte
1010 Mark. Am höchsten im Preise stand aber ein Blatt von
größter Seltenheit und herrlichem Druck, der »Ecce homo«,
eine Darstellung im Querformat. Das erste Gebot war
4000 Mark und es stieg in raschen Sprüngen bis auf 6000 Mark.
Nach den Rembrandtschen Blättern kam noch die
Sammlung von 98 Blättern der Rubens-Schule zur Ver
steigerung, die wohl im 18. Jahrhundert erschienen ist und von
den besten Stechern herrührt. Dieses schöne Werk wurde für
950 Mark verkauft. Ferner erzielte der Kuhhirt von Paul
Pott er 520 Mark und die heilige Cäcilie von Raimondi
nach Raffael 1100 Mark.
Die Entwicklung der Malerei in Deutschland und China.
Von Dr. Yao-Pao-ming/j
Zwischen dem Auftreten der ersten bedeutenderen
Maler 1 im fünfzehnten Jahrhundert und in der Gegenwart
in Deutschland liegt ein weiter Entwicklungsgang, der
naturgemäß viele Fortschritte brachte. So fehlt der.
Werken eines Moser, Franke, Lochner und Witz die Per
spektive und Tiefe, die Bilder sind flach gemalt, vielfach
ohne, oder wenigstens ohne genügende Naturbeobach
tung, so daß einem modernen Menschen, der an schärfste
Naturbeobachtung von seiten der Maier gewöhnt ist,
unwillkürlich bei Betrachtung beispielsweise von Wellen
bewegung in den Gewässern, von Faltenwurf u. s. w.,
ein Lächeln entlockt wird. An Innigkeit und Gemütstiefe
*) Wir entnehmen diesen interessanten Vortrag, der in
der Chinesisch-Deutschen Vereinigung in Peking gehalten
wurde, dem »Ostasiatischen Lloyd«. Die Red.
jedoch sind diese alten Meister kaum jemals übertroffen
worden.
Technische Fortschritte sind bereits bei Herlin,
Schiicklin, Schorigauer, Zeitblom, Striegel, Fries und
Packer zu bemerken. Ein ungeheuerer Sprung in der
Entwicklung indes setzt mit dem Auftreten Albrecht
Dürers ein. Sein Name bedeutet einen Abschnitt, eine
Epoche in der deutschen Malerei, die erste Blütezeit.
Fr ist als Sohn eines Goldschmiedes in Nürnberg am
21. Mai 1471 geboren und hat schon als Kind in der Werk
statt seines Vaters reiche künstlerische Anregung er
halten. Aus seinem Lebenslauf mag erwähnt werden,
daß er nicht nur Reisen nach Colmar und Basel-, sondern
auch nach Venedig unternahm, was für seine Entwick
lung. von großer Bedeutung gewesen ist. Und doch ist
I er ein Eigener geblieben und hat sich durch das viele