Nr. 11
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 169
in Italien gesehene Schöne und Gewaltige auf künstleri
schem Gebiete nicht zu bloßer Nachahmung verführen
lassen und dadurch seine eigene kraftvolle künstlerische
Persönlichkeit aufgegeben. Außer in der Malerei hat
Dürer auch im Holzschnitt Großartiges geleistet. Leb
haft erinnerten mich übrigens die. in der alten Pinakothek
* in München hängenden vier Evangelisten an zwei Werke
unseres chinesischen Meisters Wu-Tao-tse aus der Tang-
Dynastie, nämlich an seinen »Unsterblichen« und seinen
»Buddha«, die ebenso prachtvoll charakterissiert sind
wie jene.
Als fernere bedeutendere Künstler jener Zeit sind in
Deutschland zu nennen: Baidung und Grünwald. Von
letzterem sind mir insbesondere zwei Darstellungen des
heiligen Antonius im Gedächtnis geblieben, die einen
ganz eigenartigen Eindruck auf mich gemacht haben.
Derselben Zeit gehören der 1470 geborene ältere und der
1510 geborene jüngere Holbein an, die das oft beobachtete
Gesetz Lügen strafen, daß große Väter unbedeutende
Kinder hervorbringen. Beide sind glänzende Porträt
maler, ihre Werke sind unvergänglich schön, spotten
jeder Mode und gehören zu dem Glänzendsten, was je
auf diesem Gebiete geleistet worden ist.
Nach dieser Blütezeit deutscher Malerei setzt dann
ein Niedergang ein, der mit dem politischen Niedergang
und mit Deutschlands Verarmung infolge des Dreißig
jährigen Krieges zusammenfällt. Eine neue Blüte erfolgte
erst wieder zu Beginn des 19. Jahrhunderts; hier ist vor
allem Schwindt zu nennen, dessen Verkörperungen der
deutschen Märchen uns so tiefe Blicke in die deutsche
Volksseele tun lassen; ferner Eckenbach, Feuerbach,
Makart, Kaulbach, sodann Böcklin mit seinen farben
glühenden Landschaften, bevölkert mit Fabelwesen, von
denen keines ohne einen Zug deutschen Humors ist; der
Porträtmaler I.snbach, namentlich bekannt durch seine
Bismarck-Bilder, Menzel, der Darsteller preußischer und
Hohenzollernscher Geschichte und Größe, und sein
Gegenfüßler Liebermann. Nicht unerwähnt soll auch der
Dichter-Zeichner Wilhelm Busch bleiben, den jeder
kennen sollte, der sich mit deutschem Wesen vertraut
machen will.
Wenn nun auch die deutsche Malerei naturgemäß
vielfache Anregungen und Beeinflussungen durch das
Ausland, Italien, die Niederlande, Frankreich und Eng
land, erfahren hat, so ist sie doch ein echtes Gewächs
deutschen Bodens, erwachsen aus einem Dürer und Hol
bein, von denen auch die modernen Maler noch viel
lernen können.
Ebenso ist es in China. Wenn auch hier die moderne
Malerei große Fortschritte gemacht hat, so wurzelt sie
doch in den alten Meistern der Tang-, der Sung-, der
Yiiang- und der Ming-Dynastie, die sie sich immer noch
zum Muster nimmt.
Die deutsche Malerei hat in der letzten Zeit harte
Kämpfe auszufechten gehabt. Nachdem schon geraume
Zeit hindurch zwei Richtungen bestanden hatten, kam cs
vor ungefähr zwei Jahrzehnten zwischen diesen zum
offenen Bruch, die Sezession trennte sich von der »Alten
Richtung« und organisierte sich selbständig, um fortan
ihre eigenen Ausstellungen u. s. w. zu haben. Die Sezes
sion warf der »Alten Richtung« vor, daß sie über der
Pflege der alten Meister in Schablonenhaftigkeit geraten
sei, daß sie dadurch künstlerische Individualität unter
drücke und jeden Fortschritt und jede Weiterentwicklung
hindere. Dieser Standpunkt, der ja sehr viel Richtiges
hat, wurde nur aber ins Maßlose übertrieben, und bald
hingen allenthalben zum belustigten Staunen der einen
und zur unwilligen Entrüstung der anderen die von den
Sezessionen veranstalteten Ausstellungen voller Land
schaften, auf denen der Schnee blau, der Himmel gelb
und die Blätter rot gemalt waren, und voller Akte, deren
Haar grünlich und deren Haut lila schimmerte. Hinter
diesen und ähnlichen Absonderlichkeiten versteckte sich
aber auch leider sehr viel Dilettantentum, Sensations
lüsternheit, Effekthascherei und Nichtkönnen. Doch wies
und weist die Sezession auch eine ganze Menge von
tüchtigen Künstlern auf, und viele ihrer Anregungen haben
reinigend und auch auf die Anhänger der »Alten Richtung«
befruchtend gewirkt.
Von den alten chinesischen Meistern aus den früheren
Dynastien gibt es leider nur noch sehr wenige Werke.
Dies kommt daher, weil sich leider bei uns Staat und Ge
meinden ihrer Pflichten auf diesem Gebiete noch gar
nicht bewußt geworden sind, sondern alles dem privaten
Unternehmersinn überlassen und die Errichtung von
Sammlungen und Museen nicht selbst in die Hand
nehmen. Gerade auf diesem Gebiete versagt aber die
Privathilfe, da die Sammlungen von Kunstfreunden bei
ihrem Uebergang in die Hand nicht kunstverständiger
Erben stets eine beschränkte Lebensdauer haben müssen.
Wiedergaben alter Meisterwerke sind zahlreich vor
handen; aber dadurch, daß Sie sehr oft nicht nach dem
Original, sondern ihrerseits nach einer Wiedergabe
kopiert sind, derart verwässert, daß von der Schönheit
des Originals nicht mehr allzu viel übrig geblieben ist.
Diese Tatsache zusammen mit dem Umstand, daß das
Urheberrecht so gut wie gar nicht geschützt ist, trägt
natürlich wenig zur Erziehung guten künstlerischen Ge
schmackes und Verständnisses bei.
Eine der Hauptsachen in technischer Beziehung in
der chinesischen Malerei ist die Art des Pinselstriches.
Dagegen tritt Naturtreue in den Hintergrund, wie ja auch
bei uns im Gegensätze, zu Europa nur wenig nach der
Natur und nach dem Modell gemalt wird, sondern nach
der Phantasie oder nach einer Vorlage.
Man unterscheidet in der chinesischen Malerei drei
Manieren:
1. Die Kou-shan-Manier, die ungefähr dem deutschen
Kolorieren entspricht. Die Umrisse und sonstigen scharfen
Linien des Bildes werden mit Tuschestrichen vorge
zeichnet und dann werden die Flächen gemalt.
2. Die Mo-ku-, wörtlich »knochenlose«, Manier, die
etwa der in Deutschland und überhaupt in Europa üb
lichen Mahveise entspricht, wobei nur Farben, und keine
Tusche, Verwendung finden.
3. Die Hsieh-yi-Manier, eine Art Skizzen- oder Kari-
katurenmalerei, die nur die Hauptmerkmale des darge
stellten Gegenstandes mit wenigen Pinselstrichen flott
hinw'irft.
Als Erfinder der Kou-shan-Malweise wird Huang-
Chuan aus der Sung-Dynastie angesehen, dem sehr viele.
Schüler nachfolgten, als deren bedeutendste Chao-Tse-
ang, Wang-Sho-hsüeh und Lü-Ti Erwähnung finden
mögen.
Als Erfinder der Mo-ku-Ma!weise gilt Fen-Shü-hsi.
Chou-Chi-mien malte in beiden Manieren. Wang-Tsin-
chung hat zuerst nur die zweite Manier angewendet-;
überhaupt verlor allmählich das Kou-shan an Boden.
Der größte Maler, den unsere Heimat hervorgebracht
hat, ist Yün-Chou-ping gewesen, ein Universalgenie, Lio-
nardo da Vinci vergleichbar, der Maler, Dichter und
Schriftsteller in einer Person war. Er stellt alle anderen
chinesischen Maler bei weitem in den Schatten. Er lebte