Nr. 14
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 219
Steinneltvpe stellt einen großen Fortschritt dar, da hiedurch
deutlichere Abdrücke erzielt werden. Nur die Darstellung der
Aufgabestunde ist etwas unklar. Es werden nämlich die
Stunden von Mitternacht bis Mittag durch römische Ziffern
mit folgendem Querstrich, jene von Mittag bis Mitternacht
durch arabische Ziffern mit vorangehendem Ouerstrich darge
stellt, was bei der geringen Verbreitung der römischen Ziffern
nicht allgemein verständlich sein dürfte.
(E in U n i k u nt.) Der Philatelist Franz Reichenheim
in London hat eine Marke erworben, die in ihrer Art höchstwahr
scheinlich nur noch einen Partner hat, sofern dieser überhaupt
noch existiert. Er schreibt darüber der »Revue Philateliquc Fran-
gaise«: »Soeben habe ich eine sehr interessante französische
Briefmarke erworben, ein gestempeltes Exemplar des
80 Cts.-Wertes, Ausgabe 1853, ungezähnt, dessen Rückseite mit
zwei Hälften eines »Tete-bcche«-Paares, des 1 Franken-Wertes
der gleichen Emission bedruckt ist. Ich habe die Marke genau
geprüft und die Rückseite auf das sorgfältigste mit einem
Tete-beche-Paar meiner Sammlung verglichen, ebenso mit dem
1 ete-beche-Neudruck desselben Wertes zu 1 Er., und habe
dabei keinerlei .Unterschiede herausgefunden. Aus der Tatsache
jedoch, daß dieser rückseitige Aufdruck, wie er hier vorliegt,
von etwas blässerer Färbung ist als bei der gewöhnlichen Marke,
schloß ich, daß ein Abfallbogen des 1 Fr.-Wertes durch Zufall
unter das Druckpapier der Wertstufe zu 80 Cts. gelaugt sein
mag, welcher dann ebenfalls bedruckt und ausgegeben wurde.
Herr E. D. B a c o n, eine der ersten Autoritäten Englands in
philatelistischer Beziehung, dem ich das Stück unterbreitete, nach
genauer Prüfung desselben, verhielt sich reserviert. Die Prü
fungskommission der Royal Philatelie Society jedoch kam dazu,
das Stück für authentisch zu erklären; sic schloß sich
überdies meiner Auffassung, wie das Unikum entstanden sein
könnte, an. Da eine Platte von 300 Stücken der Weitstufe zu
I Fr. nur ein Tete-beche-Paar enthält, und da cs sehr wenig
wahrscheinlich ist, daß mehrere derartiger Makulaturdruckbogen
durchgeschliipft sind, so ist es möglich, daß nur noch ein Exem
plar derselben Art existiert (das unten anschließende). Dagegen
müssen, falls die hievor geäußerte Ansicht richtig ist, im Maxi
mum 298 Marken zu 80 Cts., rückseitig mit zwei Hälften von
aufrechtstehenden 1 Fr.-Marken bedruckt, existieren. Herr Franz
Reichenheim, 29 Holland Villas Road, Kensington, London W.,
wäre für Mitteilungen, die das Vorhandensein derartiger Marken
bestätigen, dankbar.
(Marokko-Marken.) Marokko hatte bisher keine
eigenen Postwertzeichen, und die einzigen dort für Fran
kierungen nach dem Auslände erhältlichen Briefmarken waren
deutsche, französische und spanische Wertzeichen mit einem
entsprechenden schwarzen Uebcrdruok der fremden Post-
ansalten in Tanger. Nun aber, da es mit der souveränen Selb
ständigkeit des Sultans vorbei und das französische Protek
torat etabliert ist. soll das alte nordafnikanische Reich eigene
»nationale« Postwertzeichen erhalten, die sich bereits in der
Pariser Staatsdruckerei im Druck befinden. Diese neuen Brief
marken werden rechteckig im Format sein und die Zeichnung
o : ns maurischen Portikus tragen, dessen Architektur den
Blick auf eine typische marokkanische Landschaft, mit dem
unvermeidlichen' Minarett, Palmbaum u. s. w„ frei läßt. Die
Inschriften sind arabisch gehalten und die Wertbezeichnung
wird in »Mouzana«, dem lokalen Aequivalent für den Centime,
gegeben werden.
(Auf der Suche nach Raritäten.) Wir erhalten
von einem Freunde unseres Blattes folgende launige Zuschrift;
»Die Suche werde ich bald aufgeben müssen. Ich bin selbstver
ständlich Sammler, und zwar sammle ich Briefmarken, und
meine Spezialität sind alte Marken auf Briefen. Es macht mir
ein besonderes Vergnügen, diese alten Briete, Zeugen längstver
gangener Zeiten, durchzulesen und in manchen Privatbriefen An
klänge an die ewig menschlichen Leiden und Freuden zu finden.
Bisher habe ich die Suche nach Raritäten zumeist bei den
Wiener Briefmarkenhändlern betrieben. Diesmal wollte ich
meinen Urlaub, den ich in Beiovar in Kroatien verbrachte,
dazu benützen, uni alte Marken auf Briefen aufzustöbern. Wie
es mir dabei ergangen ist, sei hier wahrheitsgemäß geschildert.
Mein erster Weg führte mich zum Direktor des Bclovarer Komi-
tatsspitales. Das Krankenhaus besteht schon viele Jahrzehnte
und ich dachte mir, daß ich vielleicht auf dem Dachboden irgend
welche alte Schriften, die längst Makulatur geworden, finden
könnte. Ich lernte in Herrn Dr. Marko w i c, dem Leiter des
Spitales, einen sehr liebenswürdigen Herrn kennen, der mir ohnc-
weiters es gestattete, aui dem Dachboden Nachschau zu halten.
So sauber und rein, wie das ganze Spital, war auch die Dach-
abteilung, wo ich bald eine Kiste mit alten Schriften fand. Zu
erst ein Paket aus dem Jahre 1850. Mein Sammlerherz schlug
höher, als ich das dicke Konvolut mit der Jahreszahl 1850 in
Händen hielt, ich sah im Geiste schon die schönsten Einkreuzer
reihen, gelb, 1850, in meinen Händen. Ich öffnete das Paket,
es enthielt durchwegs amtliche Schreiben, die aber, ach. alle
— portofrei waren. Alle Korrespondenzen, die ich in die Hand
nahm, waren Ex offo-Sachen, alle portofrei. Ich habe nie so sehr
die Portofreiheit der Behörden als einen Debelstand empfunden,
wie in dieser Stunde der Suche. Endlich fand ich doch einen
Privatbrief, alleidings keine Markenraritäten, denn er stammte aus
dem Jahre 1869. Adressiert war der Brief: »An das löbliche
Spitalskommando Von Ziwill Aufnahme zu Groatien zu Beiovar.«
Das Schreiben kam aus Jauerburg, letzte Post Asling, Ober-
krain, war mehrfach gesiegelt und lautete: »Ich ersuche mir
meine Tochter Maria, 13 Jahre alt, aus Böhmen gebürtig, bei
läufig vor zwei Monaten aus dem nahen Walde ins obgenannte
Spital gebracht, nach Jaucrburg senden zu w'oileti. Wir Eltern
befinden uns in Jaüerburg bei der Kronprinz Rudolfbahn in Ar
beit und bitten, uns unsere Tochter, welche als Harpfeni-
stinin obigem Orte als krank übernommen wurde, herzu
schicken.« Am 25. November laugte der Brief in Beiovar ein
und schon am 26. November wurde er nach einer Anmerkung
auf dem Schreiben dahin beantwortet, daß »die Tochter Maria
durch den Musikanten, welcher dieselbe in das Spital übergeben
hat, auch aus dem Spital übernommen ist und daß derselbe die
Kurkosten berichtigt hat, nach seiner Angabe hat er die Reise
in seine Heimat nach Böhmen angetreten«. Man sieht aus
diesem einfachen Schreiben, daß an der Spitze des Spitales ein
Mann stand, dem Elternweh zu Herzen ging, und der sich sofort
beeilte, den Eltern von ihrem Kinde Nachricht zu geben. Und
dabei handelte es sich nur um einen einfachen Taglöhner, der
weit von Beiovar bei einem Bahnbau beschäftigt war. Dieser
Brief war alles, was ich auf dem Dachboden des Belovarer
Spitales fand. Ich hörte, daß das Archiv der Stadt Bclovar vor.
dem Gymnasiallehrer S u s n i a k geordnet worden sei. Ich
wandte mich an ihn, ich dachte, im Archiv der Stadt müßten
alte Schätze zu finden sein. Professor Susniak erzählte mir, daß
er im Archiv auch nicht einen Privatbrief gefunden habe, lauter
portofreie Dienstsachen, und das habe ihm sehr leid getan, denn
er selbst sei leidenschaftlicher Sammler. Also wieder nichts. Die
Stadt besitzt einige alte Geschäfte, die schon 40 und 50 Jahre
bestehen. Hier mußte also unbedingt auf den Dachböden etwas
zu finden sein. Ich begann beim Großkaufmann E. Hier war
mir leider schon ein Hauptmann des Infanterieregimentes Nr. 16
zuvorgekommen, der ebenfalls Sammler ist. Also zum Kaufmann
I.. Auch hier war schon meine Konkurrenz gewesen. Weiter zürn
Kaufmann X. Ich erzählte ihm, was ich suche, sagte ihm, daß
ich bereit sei, auch einen Waggon alter Schriften zu über
nehmen, wenn sie waggonweise billiger seien. »Herr.« war die
Antwort, »Sie finden auf meinem Dachboden vielleicht Ratten
aus dem Fünfzigerjahr, aber Schriften sicherlich nicht, da nie
welche hinaufgekommen sind.« Ich bin nicht Rattensammler,
i ging daher nicht auf den Dachboden. Aber noch immer nicht ent
mutigt, wandte ich, mich an den Kaufmann Y. »Ja, sagen Sie
mir,« fragte mich dieser, »was wollen denn die Leute alle mit
diesen alten Schriften? Jede Woche verlangt jemand von mir,
ich soll ihm gestatten, auf meinem Dachboden nachzuschauen.
Ich habe ja auf dem Dachboden nichts.« Ich hatte von meiner
Raritätensuche genug, ich war zur Lieberzeugung gekommen,
daß man die Raritäten am sichersten in den Bricfmarken-
( geschähen findet. Dr. Julius Hugo Tauber (Wien).