Nr. 15/16
Internationale Sammler-Zeitung,
Seite 237
blattes der Länge nach der ganze Inhalt von Spitzeln
herausgefallen sein soll.
Es haben sich mehrfache Vereine zur Sammlung von
Zigarrenabschnitten gebildet, um arme Waisenkinder von
dem Erlös zu unterstützen, was zu dem köstlichen Miß
verständnis führte, daß es doch eine Schande sei, den
Kindern'schon das Tabakrauchen beizubringen, denn was
brauchen diese Knirpse schon zu rauchen.
Selbstredend habe ich es auch schon versucht, die
Abschnitte feiner Zigarren in der Pfeife zu rauchen, schon
des Experimentes wegen, aber ich habe manchen diesbe
züglichen Sammler im Verdachte, daß er für sich sammle.
Hat sich doch einmal ein Raucher selbst verraten, indem
er sagte: »Es ist doch merkwürdig, wie jetzt bei den
Leuten der Wohltätigkeitssinn nachläßt; jetzt bin ich
doch so ein eifriger Sammler von Zigarrenspitzeln zum
Besten der armen Waisenkinder, und nicht mal eine Pfeif'
voll bring’ ich mehr zusammen in der Woche.«
Ein unscheinbares kleines Dingelchen, so ein Zi
garrenabschnitt, doch kann es sich summieren. So hat zum
Beispiel der landschaftliche Distriktsarzt Dr. A. Aust in
Gaal 400.000 Spitzchen an das Präsidium des humani
tären Vereines »Kolonie« abgesendet. Das ist aber noch
verschwindend wenig gegen die neun Millionen Spitzeln,
welche Herr Daniel Lucker in Marienbad als Ehren
mitglied des genannten Vereines mit dem Zwecke der Be
kleidung armer Schulkinder in Graz gesammelt hat.
Das war wohl der höchste Rekord auf diesem Ge
biete. Die Zahl ist natürlich approximativ aus dem Ge
wichte von 106S Kilo berechnet. Welch kolossaler Sammel
eifer dazu nötig ist, kann man sich vorstellen, wenn man
erwägt, daß, die Sonntage abgerechnet, täglich 1000
Spitzeln gesammelt werden müssen, um in bestimmter
Zeit die Summe von 9 Millionen zu erreichen.
Auch die deutsche Reichsfechtschule, von ihrem
Wahlspruche:
»Viele Wenig machen ein Viel.
Vereinte Kräfte führen zum Ziel.«
beseelt, sammelt neben Zigarrenbändern, Tabakstanniol
u. s. w. meist Raucherabfälle, ergo auch Zigarrenspitzeln.
Ich verweise auch auf ein Feuilleton der in Prag er
scheinenden »Tribüne« vom 30. August 1881 von H.
Eifinger, das zwar »Zigarrenstummeln« überschrieben,
aber eigentlich von Zigarrenspitzeln und ihren Sammler-
vereinen in Deutschland handelt. So finden wir, daß sich
die Statistik auch schon dieses Themas bemächtigt.
Der oberbayerische Dialektdichter Peter A n z i n-
g e r schildert diesen Sammelsport in dem in seiner
Sammlung »Es feit si nix!« enthaltenen Gedichtchen:
Zigarrenspitzeln.
Im Herrenstübel, im Wirtshaus drunFn
Haben heunt viel Herrn si z’sammag’fund’n,
Da lingans und zwoa spiel’n Gitarr’n,
Die Meist’ roachen a a Zigarr’n. —
Am Tisch, da hab’n s’ a SchachtT g'habt,
Nach dera hat a jeder tappt,
Der’s Zigarr’ o’kennt und schmeißt fei’
Dees Spitzl, dees. a oo’schneid’t ’nei. —
Da Sepp und and’re Buama g'nua
San drauß beim Fcnsta und schaug’n zua,
Und drucka d' Nas'n hin an d’ Scheib’n
Und lass-n si net weitatreib’n:
Akrat wia d’ Flieg’n san s’ — kaum jagst s’ weg —
San s’ wieda da am alt’n Fleck. •—
Jatzt wia da Sepp die Schachtl sicht,
Machta a ganz dastaunli’s G’sicht
Und stößt den oan: »Du, da schaug’ nei’!
Dee sammeln ZigarrnspitzTn ei!
Zweg'n was denn dees?« so fragt da Sepp:
»Ja woaßt du dees no net? Du Depp!
Jöi, du bist dumm!« lacht der den aus:
»Woaslkinda machan s’ draus!«
Um nun die Zigarrenspitzen abzuschneiden, gibt es
eine ganze Reihe der verschiedensten Zigarrenabschneider
allerlei Systeme, vom primitiven Abbeißen, das die Zi
garren ruiniert, abgesehen, einfachster bis elegantester
Art, vom einfachsten Zigarrenmesserchen oder der Zi
garrenschere an bis zur komplizierten Zigarrenguillotine,
wieder ein nicht uninteressantes Sammelobjekt für sich.
Manche Abschneider sind gleich mit einem Behältnis ver
sehen, worin sich die Spitzeln ansammeln. Ich habe auch
schon gesehen, wie sich scherzweise ein Herr seine Zi
garre vom Kondukteur kupieren ließ. Hier müssen auch
die neueren Zigarrenstocher oder Zigarrenlocher erwähnt
werden, bei welchen aber die Spitzelsammler zu kurz
kommen, ebenso wie bei jenen Zigarrensorten, die keine
Spitze haben.
Da viele die Gewohnheit haben, die Zigarre vor dem
Abschneiden im Munde zu befeuchten, so wurde auch bei
diesen Apparaten in öffentlichen Lokalen schon die hygie
nische Frage ventiliert. Mancher Raucher pflegt dann noch
ein Tempo einzuschalten, er nimmt nämlich nach dem Ab-
schneiden der Spitze die Zigarre verkehrt in den Mund,
um etwa entstandenen Tabakstaub auszublasen, bevor
er anzündend zu ziehen anfängt. So ist es das Los der Zi
garren, zuerst geköpft zu werden, bevor man sie dem
Feuertode übergibt.
Hier sei auch eine historische Anekdote von einem
hohen Spitzelsammler eingeflochten. Im Frühjahre des
Jahres 1890 weilte Erzherzog Josef in Debreczin, und
da geschah es, daß nach dem Diner der Kellner die Spitze
der Zigarren für den Erzherzog abschneiden wollte,
»Lassen Sie«, sagte Ser kaiserliche Hoheit, »das pflege ich
selbst zu tun, da ich die Enden sammle.« Der Kellner
entschuldigte sich, er wolle dies ebenfalls aus demselben
Grunde tun, da er seit 1870 Zigarrenenden zu wohltätigen
Zwecken sammle. Der Erzherzog belobte ihn, was den
Kellner so sehr ermutigte, daß er seine letzjährige Enden
sammlung dem hohen Herrn anzubieten sich erlaubte. Erz
herzog Josef dankte im Namen der Waisen, die aus dem
Erlöse dieser kleinen Tabakkegelchen bekleidet werden
sollen. Als nun der Kellner zu Ende des Jahres seine Zi
garrenendensammlung tatsächlich nach Alcsuth gesendet
hatte, wurde er zu seiner Freude vom Obersthofrneister-
amt verständigt, daß der Erzherzog die Zigarrenspitzel
sammlung huldreich angenommen habe.
Wie die Wurst, hat nun auch die Zigarre zwei Enden
und auch das eigentliche Zigarrenende, der Zigarren
stummel ist ein beliebtes Objekt der Abfailsammler, ja,
noch erträglicher als das der Spitzen, wie wir ein anderes
Mal zeigen wollen.