Nr. 15/16
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 245
Da sowohl mit der Armbrust als mit der Büchse ge
schossen wurde, sind für beide Arten getrennte Vor
schriften erlassen. Für die Armbrustschützen waren
40 Schüsse bestimmt, die nur mit solchen Bolzen er
folgen durften, die geprüft und von der Hand des ver
eidigten Stadtschreibers mit dem Namen des Schützen
versehen waren. Der Schuß selbst geschah aufrecht mit
freiem schwebendem Arme und mit abgetrenntem
Aermel, damit die Armbrust keinerlei geheimen Stütz
punkt hatte; auch durfte der Schaft nicht die Achsel und
der Drücker nicht die Brust berühren. Kurz, es mußte
alles »ohne gefährlichen (--■ unerlaubten) Vorteil« vor
sich gehen. Dem Schützen, der unverschuldet eine Be
schädigung seiner Armbrust erlitt, wurden je nach der
Art des Schadens 1 oder 2 weitere Schüsse erlaubt. Auch
für die Büchsenschützen, welche nur 22 Schüsse ab
geben durften, war die Vorlage und Bezeichnung der
Waffe sowie ein völlig freies Schießen ohne irgend eine
Stütze oder eine sonstige Unredlichkeit zur strengsten
Pflicht gemacht. Wer diese Vorschriften .nicht beob
achtete, verlor nicht nur sein »Schießzeug«, sondern hatte
auch weitere Strafe zu erwarten, vor deren Erleidung er
München nicht verlassen durfte. Zur Entscheidung über
derartige Vergehen und zur Schlichtung etwaiger son
stiger Streitigkeiten mußte zu Anfang des Schießens ein
Neunerausschuß bestellt werden, zu dem die Schützen
selbst sieben und der Rat zwei Mitglieder ernannte.
Neben diesen Bestimmungen, die mit kleinen Aendc-
rnngen sich bei fast allen Festen wiederholen, enthalten
die Briefe weitere Angaben über die Länge der Schieß
bahn und die Größe der Scheibe, um den auswärtigen
Schützen Gelegenheit zu geben, sich vorher einzu
schießen. Da man vorher ein allgemein gütiges Längen
maß noch nicht kannte, so wurde meistens die Ori
ginalgröße der Zielscheibe, die getroffen werden mußte,
damit der Schuß überhaupt bei der Berechnung in Be
tracht kam, sowie das Einbeitsmaß, nach welchem die
Entfernung der Scheibe vom Schützenstand bestimmt
war, mit dem Zirkel und mit Tusche auf der Vorder
oder Rückseite des Blattes aufgezeichnet. Vereinzelt,
wie bei den Briefen von St. Gallen, München, Landshut,
Rottwcil und Leipzig sind diese Maße aufgedruckt, wäh
rend bei anderen, nämlich denen von Nördiingen,
Zwickau und Heideiberg, die Länge der Bahn durch je
eine »eingelegte Schnur« angegeben war, von denen die
des Nöndlinger Ausschreibens heute noch dem Blatte an
geheftet ist.
Die Preise, hier »Kleinode« oder »Abenteuer« ge
nannt, über welche ebenso eingehend berichtet wird,
waren sehr verschiedener Art. Vorwiegend waren es
Geldpreise, deren Höhe sich nach der Größe der Stad;
und des Festes richtete. Die höchsten Preise bot Mün
chen 1486 mit 102, 90, 80, 70 u. s. w. rheinischen Gold
gulden; ihm nahe kamen 1489 Zwickau, 1492 Landshut
und 1498 Leipzig, deren erste Gewinne je 100 Gulden
betrugen. Bei den anderen wechselten die höchsten
Preise zwischen 60 lind 10 Gulden und gingen herab bis
zu je 1 Gulden. In einzelner Fällen, wie 1480 in Würz
burg, 1486 in Neustadt a. H., 1488 in Bamberg u. a., wurde
die Festsetzung der Preise den Schützen selbst auf
Grund der jeweiligen Einlagen in Verbindung mit dem
von der Stadt selbst geleisteten Zuschüsse anheimge
stellt. Nur wenige Städte hatten an erster Stelle andere
als Geldpreise, so Volkach 1488 und Zeil 1499, die je
einen »verdeckten« (das heißt, mit einer mehr oder min
der kostbaren Decke verhüllten) Ochsen, und Freiburg
i. B. 1491, das einen verdeckten silbernen Becher aus-
kot. Dem Schützen, der aus dem entferntesten Orte ge
kommen, war ein besonderer Preis, gewöhnlich 1 bis
2 Gulden, zugedacht; in Offenburg 1483 bestand dieser
Fernpreis in einer Gans. Fast überall waren auch nocli
einige kleinere Geldpreise ausgesetzt, um welche die
jenigen Schützen schießen sollten (sogenannte »Ritter
schüsse«), welche sich sonst keine Preise errangen
hatten. Neustadt a. H. setzte 1486 ein Paar Bundschuhe
und eine »lebendige Sau« für denjenigen aus, der nach
dem letzten Preisträger die meisten Schüsse erzielt hatte;
mit diesen Gewinnen wurde der Besitzer dann feierlich
zur Herberge geleitet.
Eine eigene Art von Schießpreisen begegnet uns auf
den Schützenfesten der fränkischen Städte, die soge
nannten »La n d k 1 c i n o d e«. Es waren dies für be
stimmte Orte eines Gebietes »aufgeworfene« Preise, die
1486 und 1488 aus einem silbernen Schilde mit Beigabe
bestanden und als Wanderpreise erst dann in den stän
digen Besitz eines Ortes übergingen, wenn sie von ihm
»ganz und zutede«, das heißt, zum drittenmal gewonnen
waren. Der gewinnenden Stadt erwuchs daraus die
Pflicht, binnen Jahresfrist ein neues Landkleinod »aufzu
werfen«. So wurde 1480 in Würzburg, 1483 in Bamberg,
I486 wieder in Würzburg und 1488 sowohl in Volkach
wie in Bamberg um ein solches Landkleinod geschossen.
Doch mit dem Schießen allein begnügte man sich
nicht. Die Mehrzahl der Feststädte hatte damit ebenso
wie heutzutage eine Reihe von Belustigungen allgemeiner
Art verbunden, von denen der »Glückstopf« oder
»01 ü c k s h a f e n« am häufigsten vorkam. ln nicht
weniger als 18 der Schützenbriefe wird dieser Vor
läufer der heute noch üblichen und zumal in Süddeutsch
land auch den gleichen Namen tragenden Lotterien ge
nannt, die Art seiner Behandlung erwähnt und die Reihe
seiner Preise aufgezählt. Während Nördiingen, Bamberg
(1478), Speyer, Passau, St. Gallen, Heidelberg, Worms
und Rottweil nur Geldpreise in verschiedener Höhe aus
setzten, boten die anderen Silbergeschirre, Becher,
Degen, Ringe, Hüte u. a. in bunter Abwechslung, die
alle gegen eine nur geringe Einlage gewonnen werden
konnten. Am reichsten bestellt war der Doppel-Glücks
hafen des Leipziger Schützenfestes von 1498, dessen Ge
winnliste nicht nur in dem Schützenbrief aufgeführt ist,
sondern auch sich noch in eigenem, besonders splendid
gedruckten Plakate erhalten hat, was bei dem Feste
selbst wohl angeschlagen war. Während der »grosse
topft« nur Geldpreise im Betrage von 1000 bis 10 Gulden
enthielt, waren in den »deinen« Geld- und andere Preise,
wie 20 Ellen Samt, eine goldene Kette, ein vergoldeter
Kelch, ein Meßgewand u. a. irri Werte von 100 bis
5 Gulden zu gewinnen.
Von anderen Belustigungen war das Würfelspiel für
Offenburg, Neustadt a. H., Speyer, Heidelberg und Worms
vorgesehen, während St. Gallen und Rottweil Wett
laufen, Wettspringen und Steinstoßen, Neustadt a. H.,
Speyer, Heidelberg und Worms auch Kegelschieben ver
anstaltet hatten, für welche alle Geld- und andere Preise
geringerer Art festgesetzt waren. Eine eigenartige,
wenig geschmackvolle »Kurzweil« bot die Stadt Speyer
im Jahre 1487 zum Schlüsse ihres Schießens, indem sie
ein Schwein im Werte von 2 Gulden aussetzte, welches
demjenigen Blinden zufallen sollte, der es »nach geord
netem Sitten« totschlagen würde; das gleiche Schauspiel
wiederholte Heidelberg am Schlüsse seines Schützen
festes von 1490.
Nur kurze Streiflichter sind es, die in den vorstehen
den Auszügen aus den frühesten gedruckten Zeugnissen
deutscher Schützenherrlichkeit geboten werden konnten,
aber sie zeigen doch, welch reiches Material die letzteren
zur Geschichte des Schützentums sowohl wie zur
Kultur-, Lokal- und nicht zum mindesten zur Druckge-