Nr. 15/16
Internationale Sammler-Zeitung.
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meines Sohnes eher zu befördern, als zu beschränken, und ich
habe mich zeither wohl dabey befunden. In einzelnen Punkten
bleibt dabey mancher Wunsch unerfüllt, aber ist einmal der
Keim des Outen vorhanden und entwickelt, so kann man im
Ganzen zufrieden seyn. Und ein Jüngling, der allein zu gehen
gewohnt ist, wird auch nicht so leicht von seinen Jugend
freunden beherrscht. Die kolossale Büste von Dannec-ker
wünschte ich zu sehen. Was Sie mir von ihrer Entstehung
schrieben, ist sehr interessant und macht mir Dannecker
doppelt schätzbar. — In Ihren Nachrichten über Stuttgard
bemerke ich eine Lücke. Es scheint wenigstens ein Blatt beym
(franc) Couvertiren des Briefs zurückgeblieben zu seyn. Ich.
habe nur 3. Blatt außer dem Schillerschen Gedichte erhalten.
Haben Sie doch die Güte, unter Ihren Papieren nachzusehen.
Das Fehlende scheint Nachrichten über Schiller und Aufsätze
von ihm zu betreffen. H u m b o 1 d ist nicht über Dresden ge-
reißt. Abei' sein Sohn war hier in Begleitung seines Lehrers
und eines Barons von Röder. Das Aeußere des jungen Hum-
bold ist recht angenehm. Vorjetzt scheint er viel Lust zum
Soldatenleben zu haben. Bey mir geht noch alles im Wesent
lichen recht gut. Meine Frau ist mit den Wirkungen des Carls-
bads sehr zufrieden und viel gesunder, als vorher. Meine
Schwägerin, die einen Monat bey der Herzoginn von Cur-
land war, ist jetzt wieder bey uns. Mein Sohn, studiert in
Leipzig. Emma macht uns viel Freude, sowie der Sohn.
Beyde treiben die Künste, jedes auf seine Art. Goethe war
hier sehr guten Humors, und äußerst freundlich und mit
theilend. Er macht uns Hoffnung im Frühjahr wieder herzu-
kommen. Leben Sie recht wohl. Die Mehligen empfehlen sich
Ihnen bestens. Körner.«
Bibliophilie.
(Eine libysche Staats-bibliothe k.) Einer Mit
teilung des »Corriere della Sera« zufolge, hat das italienische
Oberkommando die Errichtung einer Bibliothek in der Stadt
Tripolis beschlossen, die alles enthalten wird, was seit den
frühesten Zeiten auf dem Gebiete der Politik, wie der allge
meinen Wissenschaften über Libyen geschrieben und gedruckt
worden ist. Die Bibliothek soll in ihren Beständen bis in die
Tage des alten Griechenland zurückreichen, und die Be
geisterung für diese Neugriindung (st in allen Kreisen Italiens
eine große, wenn man sich auch nicht verhehlt, daß die Aus
führung dieses Gedankens nicht nur der Zusammenarbeit der
hervorragendsten Gelehrten bedarf, um allen wissenchaftlichen
Ansprüchen genügen zu können, sondern daß sie auch ganz be
trächtliche Kosten beanspruchen wird, um d-:e zum großen
Teil außerordentlich seltenen Werke anzukaufen.
(Das neue Goethe-Jahrbuch) bringt wieder
eine schöne Kunstbeilage: das Miniaturbildnis Minchen Herz
liebs, im Jahre 1805 in Jena von Johanna Frommann,
der Pflegemutter der Genannten, gemalt. Das Bildnis gehört
zu den wertvollsten Neuerwerbungen des Archivs aus den
letzten Jahren. An »Neuen Mitteilungen« enthält das Jahr
buch zwei Beiträge: Jean-Marie Carre, »Quelques Inedits de
Goethe, Wieland, Knebel et Mme. D’Einsiedel, und interessante
Bruchstücke aus Briefen von Zeitgenossen Goethes«
über ihn und verschiedene seiner Arbeiten. Die Briefe um
fassen die Jahre 1773—1804 und sind sämtlich an V o ß ge
richtet, aus dessen Nachlaß sie von Dr. W r olfgang Stemm-
1 e r ans Tageslicht gezogen worden sind. In ihnen ist viel
Ergötzliches und für das Verhältnis der einzelnen darin ge
nannten Personen oder der Briefschreiber selbst zu dem
Dichter Bezeichnendes zu finden. So schreibt u. a. Christian
Stolberg unterm 19. September 1773 aus Altona an Voß und
Gramer: ». . . Was sagst Du, mein liebster Cramer, daß Klop-
stock Uber den Götz ebenso urteilt wie mein Bruder und ich?
Das Kompliment an den Trompeter und andere solche Worte
verwirft er ganz . . .« Miller schreibt unterm 17. Oktober
1774: ». . . Götz von Berlich.ingen, den Weygand auch verlegt
hat, scheint von geringer Bedeutung zu seyn . . .« Welchen
Sturm der Begeisterung dagegen der »Werther« erregte, geht
aus einem Briefe Stolbergs an Voß hervor; er schreibt da
unterm 31. Dezember 1774 aus Kopenhagen: ». . . Noch ein
Glück haben Sie — daß Sie Werthers Leiden au einer Zeit
gelesen haben, da Sie schon mitempfinden konnten. 0 ich kann
Ihnen nicht sagen, wie ich das Büchlein liebe, es legt sich
ganz um mein Herz herum, und so harmoniert es mit mir, daß
ich in jedem raisonnement und in jedem Gedicht mich er
kenne. O der gute Goethe, ich halt ihn schon manches mahl
dafür zärtlich umarmt. Das ist ein rechts National Buch. Denn
wahrlich niemand als ein Deutscher konte es schreiben, und
kein andrer kann es nachempfinden. Aber leider wie vielen
unserer Landsleute wird es Thorheit oder Acrgerniß seyn . . .«
Von großer Heftigkeit sind die Angriffe, die der alternde
G1 e i m in seinen Briefen an Voß gegen Goethe und Schiller
namentlich wegen der »Xenien« richtet: ». . . Was sagt mein
Voß zu den Xenien?« heißt es einmal. »Sind sie nicht eines
Robespeters würdig? Solche Katzbalgereien sollten der
Goethe und der Schiller, die man für die Verfasser hält, ver
abscheuen . . .« Dann an anderer Stelle: ». . . Ich habe die
Zeit nicht die Todsünden, die Schiller und Goethe . . . be
gangen haben sollen, zu lesen, und zu enträthseln, denn es
sollen Dunkelheiten in ihnen Vorkommen; hab ich aber einmal
Zeit, und find' ich, daß die beyden großen Männer, wie fran
zösische Tiger, auch auf dem Parnasse tirannisieren, dann,
lieber Voß, ist’s dem ältesten im Hiittchen auf dem Parnasse,
nicht zu verdenken, wenn er, keine Tirannen zu seyn, die Ti-
rannen, bittet, und wenn die Bitte nicht gewehrt wird, mit
anderen ehrlichen Leuten, nicht mit unehrlichen, auf sie loß
schlägt! . . .« Noch heftiger nimmt der Alte gegen Goethe
Stellung, indem er Voß' »Luise« zu »Hermann und Dorothea«
in Gegensatz bringt. Nach einem Ausfall gegen die Vorrede,
die er »eine der häßlichsten Xenien, deren Sünden sie als
verzeihlich vorstellen wollten« nennt, schreibt er: »Dieser
Hermann und Dorothea ist eine Sünde wider meinen heiligen (!)
Voß, ist zu Goetter Helden und Wieland das Scitenstiick, ist,
ich laß es mir nicht ausreden, eine gottlose (!) Satire, meines
Voß Luise will der Buhe (!) lächerlich machen.« So geht es
noch in einer Reihe von Briefen in anmutigem Gezeter fort,
ein Glück für den Briefschreiber, daß der Olympier von diesen
Ausfällen keine Ahnung hatte. — In den »Abhandlungen« ist
manches Wertvolle, aber hauptsächlich Studienhaftes, Kontern-
platorisches. Bisher zum Teil noch nicht Bekanntes bietet
Ke k ule von Stradonitz in seinem Aufsatz: »Neue Bei
träge zur Kenntnis von Goethes Rittertafel und dem
0 rden des Uebergangs zu Wetzlar«. Die bislang
bereits bekannten Abhandlungen über die Materie von Gloel
und Wernekke ergänzt der Verfasser auf Grund weiterer
Forschungen des ersteren, in dem neue Details über den
Orden geboten werden. Diese finden sich in einem Büchlein,
das sich gegenwärtig in Weimar befindet. Dessen offizieller
Titel lautet: »Der hoeere Ruf.« Als Verfasser galt bisher
G o u e, die Seele der Tafelrunde und seines Zeichens braun
schweigischer Legationssekretär. Da die einzelnen Abschnitte
des Büchleins mit verschiedenen Anfangsbuchstaben gezeichnet
sind, so dürfte auf verschiedene Verfasser zu schließen sein,
während üouc als Herausgeber zu gelten hat. Ueber etwaige
Rituale des Ordens ergibt das Büchlein anscheinend nichts.
Nach den lesenwerten Darlegungen von Stradonitz hatte
Goue den Ehrgeiz, der Stifter und Schöpfer einer eigenen
»humanistischen Kultgesellschaft«, eines eigenen »Ordens« zu
sein. Bemerkenswert ist auch die folgende Studie von Adolf
D o e b b e r über das »Innere des Alten Weimarer Theaters«,
in dem er auf Grund einer bislang unbekannten, im Beuth-
Schinkel-Museum zu Cbarlottenburg befindlichen Arbeit mit
beigefügten zeichnerischen Skizzen eines jungen Architekten
namens Schinkel, der im Jahre 1798 die thüringischen Lande
durchstreifte und bei dieser Gelegenheit das im Bau be
griffene Theater besichtigte, neue interessante Details an
führt, nach denen man ein lückenloses Bild vom Innern dieses
längst entschwundenen, für die deutsche Theatergeschichte so