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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 15/16
wichtixen Hauses erhalt. Unter den »Miszellen« registriert
Theod Distel eine Melduhg Frorieps an B ö 11 i g e r,
in der Goethes Mißtrauen gegen die Studenten nach der Er
mordung Kotzebues durch den Jenaer Studenten Sand doku
mentiert wird. Daß Goethe nach der Affäre, die natürlich
nicht spurlos an ihm voriitergehen konnte, seelisch sich be
drückt fühlte, ist auch aus anderen Quellen schon bekannt.
Unter den zahlreichen Beiträgen, die weiterhin hier nieder
gelegt sind, beanspruchen die Arbeiten Frankels über
»Goethes Maus beim Säkulartage 1849«, die »Erinnerung an
Bernhard Suphan« von Ludwig Geiger, sowie »Alma von
Goethes Sterbehaus« von Ottilie Franzos Interesse. Den
Schluß des Bandes bilden die üblichen bibliographischen Mit
teilungen.
(Schauspieler-Bibliotheken.) In den Schau
spielerkreisen ist eine Bewegung im Gange, die die Errichtung
von Schauspieler-Bibliotheken betreiben will. Es wird vorge-
sehlagen, eine Sammlung zu veranstalten und für deren Er
trag in den Ortsverbänden Bibliotheken zu errichten. Haupt
sächlich sollen Bücher, die sich mit den geschichtlichen, recht
lichen, wissenschaftlichen und sozialen Fragen des Schau
spielers befassen, gesammelt und den Künstlern zugänglich ge
macht werden. Demnächst wird ein offizieller Aufruf zur Be
gründung der Bibliotheken erlassen werden.
Bilder.
(Ein unbekanntes Jugend werk Lionardos.)
Der Name L i c n a r d o da Vincis wird jetzt bei einer köst
lichen Maria mit dem Kinde genannt, die sich in der Sammlung
der Frau Benöis in St. Petersburg befindet und die vor einiger
Zeit von Professor Hauser im Berliner Kaiser Friedrich-
Museum restauriert worden ist. Auf Grund eines umfangreichen
Materiales weist der Direktor der Kasseler Gemäldegalerie in
der Zeitschrift für bildende Kunst nach, daß sich diese Lionardo-
sclie Komposition gegen Ausgang des 15. Jahrhunderts und den
Beginn des folgenden einer außerordentlichen Beliebtheit er
freut. Denn es gibt eine ungewöhnlich große Zahl mehr oder
minder freier Benützungen des Bildes. Für die Urheberschaft
Lionardos entscheidender ist eine Federzeichnung im Britischen
Museum, die den Entwurf des Künstlers für die Manengruppe
darstellt, nur daß die Mutter auf dem Bild unterhalb der Knie
abgeschnitten ist. Nicht nur Italiener, wie Lorenzo di Credi und
Albertinelli, haben das Bild kopiert, auch Niederländer. Für die
Feststellung der Entstehungszeit wichtig ist es, daß Credi in
seiner 1480 entstandenen, in der Dresdener Gemäldegalerie be
wahrten Maria sich an die Arbeit seines großen Mitschülers in
der Werkstatt des Verrocchio hält. So muß die Madonna Benois
damals schon Vorgelegen haben, was auch aus der Benützung
von Requisiten und Motiven der Verrocchio-Werkstatt hervor
geht.
(Ein Shakespeare-Fund.) Ans Ne w y o r k wird
ein interessanter Shakespeare-Fund gemeldet. Der ver
storbene Frank de Hey mann hat ein Bild hinterlassen, das,
wie es scheint, Shakespeare und Ben Jonson beim Schach
spiel darstellt. Der Dramatiker Jonson, neun Jahre jünger als
Shakespeare, stand bekanntlich mit ihm in freundschaftlichem
Verkehr und hat für die Folioausgabe von dessen Werken die
poetische Einleitung geschrieben, in der er den »Schwan von
Avon« voll Herzlichkeit preist. Das stark nachgedunkelte Bild
rührt offenbar von Isaac Oliver, einem englischen Schüler
des römischen Malers Zuecaro, her. De Heymann hat es vom
Obersten Ezra Miller erworben, der seinerzeit 18.000 Schil
linge dafür gezahlt hatte. Von Kennern der überlieferten BJd-
nisse Shakespeares wird zugegeben, daß die Züge des einen
Dargestellten starke Aehnlichkeit mit diesen Bildnissen auf-
weisen.
(Ein Porträt der Mal ib ran.) Aus Feldkirch
(Vorarlberg) wird uns geschrieben: Im Besitze der Frau des
hiesigen Rechtsanwaltes Dr. R. R i c c a b o n a, befindet sich
ein Porträt der berühmten Sängerin Maria Felizitas Ma.li-
bran von Franz Xaver Bo hfl et er. Der Maler hat die
Künstlerin gelegentlich ihres Auftretens in Wien im Jahre
1836 gemalt, und zwar stellte er sie in der blauen Robe der
Desdemona dar, in der sie ihren größten Triumph feierte.
Wie einer Notiz auf der Rückseite des in Oel ausgeführten
Porträts zu entnehmen ist, hat Bobleter das Bildnis fiir sich
selbst gemalt. Das geht übrigens auch aus der von ihm mit
eigener Handschrift angelegten und geführten Gemäldebe
schreibung hervor, die der Großneffe des Künstlers, der hier
lebende Professor Dr. K- Bobleter als teueres Vermächt
nis aufbewahrt. Bobleter gab das ihm besonders wertvolle
Bild bei Lebzeiten nie aus der Hand. Nach seinem Tode —
er starb hier am 2. Mai 1869 - kam das Bild in den Besitz
eines Neffen Bobleters und von dem an Frau Dr. Riccabona.
Das Porträt Bobleters hat neben dem künstlerischen auch
einen Seltenheitswert, weil die damals erst 28 Jahre zählende
Sängerin bald darauf an den Folgen eines Sturzes vom Pferde
— am 23. September 1836 — in Manchester starb und somit
gerade dieses Gemälde wohl als ihr letztes Abbild nach dem
Leben gelten kann.
(Neu aufgedeckte Fresken in einer Mai
länder Kirche.) Aus Mailand ward geschrieben: Eine
der ältesten hiesigen Kirchen ist San Pietro in Gessate, ein
gotisches Bauwerk aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die
Barockzeit hat an diesem bemerkenswerten Denkmal lom
bardisch-gotischer Baukunst stark mitgearbeitet. Die Fassade
wurde ihrer ursprünglichen Reinheit und Einfachheit ent
kleidet und mit allen jenen Schnörkeln ausgestattet, an denen
der Stil des 18. Jahrhunderts so reich ist. Die Wandgemälde
im Innern der Kirche, die von Künstlern wie Bernardim,
Zenale, Butinone und Montorfano herriihrten, wurden pietät
los übertüncht. Jetzt hat ein Komitee von Kunstfreunden
Sammlungen eingeleitet, um die Mittel aufzubringen, welche
die Wiederherstellung der gotischen Fassade der Kirche San
Pietro in Gessate erfordert. Aber auch das Innere der Kirche
wurde untersucht und dabei in der Capelia üriifi die Wand
malerei aufgedeckt, die wahrscheinlich von den Malern
Bernardini aus Treviglio herrührt. Auch in einer zweiten
Kapelle, die dem heiligen Michael geweiht ist, wurden durch
den hiesigen Restaurateur S i 1 v e s t r i wertvolle Fresken
aufgedeckt, die verschiedene Episoden aus dem Leben
Johannis des Täufers darstellen. Senator Luca Beltrami,
dessen Verdienste als Kunstforscher auch außerhalb Italiens
bekannt sind, läßt diese Arbeiten auf seine Kosten unter
nehmen. Die Wölbung der Kapelle ist in Dunkelnd gemalt,
und von diesem Grund heben sich E-rtgelsköpfe ab. ln den
Figurenresten, die aufgedeckt wurden, zeigt sich die aus
drucksvolle Kraft des Cinquecento. Oberhalb des Altars In«
der Maler — es dürfte wahrscheinlich Giovanni Donati (Ja
M o n t o r f a n o gewesen sein — den Kopf Gottvaters ge
schaffen.
(Eine Ausstellung klassischer französi
scher Malerei in Frankfurt a. M.) Die diesjährige
Sommer-Ausstellung des Frankfurter Kunstvereines (Jung-
hofstraße 8) ist der klassischen Malerei Frankreichs im
19. Jahrhundert gewidmet und gibt an ausgewählten Werken
der führenden Meister einen Ueberblick über die Entwicklung
der modernen französischen Kunst von Ingres und Delacroix
''her die großen Impressionisten bis zu van Gogh. Bedeutende
Privatgalerien in Frankreich, Oesterreich, Ungarn und Deutsch
land, vor allem auch die Frankfurter Sammler selbst, haben
nicht weniger als der Kunsthandel dem um die Ausstellung
bemühten Ausschuß ihre Schätze in liberalster Weise zur
Verfügung gestellt, so daß eine Darbietung französischer
Kunst zustande kam, die in gleicher Weise Reichhaltigkeit
und Erlesenheit in Deutschland kaum wieder wird geboten
weiden können. Die Ausstellung ist bis Ende September d. J-
täglich zu besichtigen.