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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 18 
an der ganzen modernen Entwicklung des künstlerisch 
geschmückten Porzellans teilnahm. In den Jahren 1869 
bis 1885 war nach dem Tode Juels der Vizepräsident der 
dänischen Kunstakademie Heinrich Hansen künstleri 
scher Leiter der Porzellanfabrik Bing & üröndahl und 
hat namentlich durch dekorative Entwürfe im Stil der 
holländischen Renaissance Bedeutendes geleistet. Sein 
hervorragendstes Werk war ein Tafelservice, dessen 
Original sich in der Sammlung des königlichen Schlosses 
Rosenberg in Kopenhagen befindet. Zur selben Zeit 
wurde eine 1871 in London ausgestellte, in Biskuit aus 
geführte Nachbildung der Hebestatue von T horwald- 
sen für das Londoner South-Kensington-Museum er 
worben. Im Jahre 1886 trat Professor Pietro Krohn 
als Direktor des Kopenhagener Museums der dekorativen 
Künste an die Spitze der Anstalt. Krohn war es, der die 
Dekoration des Porzellans in leuchtenden Farben vor 
dem Brand dort einführte und damit auf der Pariser Aus 
stellung von 1889 Aufsehen, erregte. Sein berühmtestes 
Werk war das »Reiherservice« (Fig. 1), das auf den in 
blauem Email dekorierten Stücken Reiher in verschie 
denen Stellungen zeigte. Da die Manufaktur durch Krohn 
in der Jury vertreten war, stand die Meisterarbeit natür 
lich hors de concours. Sehr bedeutende Anstrengungen, 
die auch mit Erfolg gekrönt waren, machte die Kopen- 
hagener Porzellanmanufaktur zur Pariser Weltausstel 
lung im Jahre 1900. 
Einen gewaltigen künstlerischen Aufschwung nahmen 
Bing &. Gröndahl, als darauf J. F. Willumsen, der 
jetzt nach Amerika gegangen.ist, die Leitung dieser An 
stalt übernahm. Von nun an zeigen fast alle Arbeiten 
das Streben nach einer Art monumentaler Wirkung. Ein 
fach, kräftig erscheinen die Formen, und ihr Dekor, meist 
in flachem Relief, hebt sich kraftvoll von der schönen 
weißen Grundfarbe des Materials ab. Etwas Wickingisch- 
Nordisches steckt in diesen Arbeiten, ein cnergischcr 
künstlerischer Wille spricht aus ihnen und sichert ihnen 
im Gegensatz zu den vielen charakterlosen Flauheiten, 
mit denen die übliche moderne Porzellanindustrie ope 
riert, eine bedeutende Wirkung. Die technische Leistung 
des Chemikers Hall in unterstützt in glücklicher Weise 
diese künstlerischen Bemühungen, und einige Nuancen, 
wie das zarte Rosa, ein prächtiges helles Blau und Oxy 
dationen, die dem Ton der Bronze nahekommen, sind 
»I rouvaillen« der Kopenhagener Fabrik, die .andere ihr 
noch nicht gleich gut nachzumachen vermögen. 
Eine Gruppe für sich stellen neben diesen, den Geist 
von Willumsen atmenden Arbeiten die auf naturali 
stische Weise dekorierten Vasen, durchbrochenen Krüge 
dar, in deren Erfindung und Dekoration talentvolle 
Künstler und Künstlerinnen miteinander erfolgreich wett 
eifern. Noch eine andere Gruppe von Erzeugnissen der 
Fabrik Bing & Gröndahl hat durch eine bewußte An 
lehnung an die dekorative Art des dänischen Architek 
ten B i n d e s b ö 11 ihr Gepräge erhalten. Die charakteri 
stischen Beispiele dieser wirkungsvollen Manier zeigen 
auf dem blendenden Weiß der schönen Kopenhagener 
Porzellanmasse sinnreich verschlungene Ornamente m 
dichter Anordnung als breite Borten um die Gefäßkörper 
gelegt. Man wird bei dem Anblick dieser Stücke an die 
alte Weise der irischen Bandverschlingungen aus der 
Tierornamentik erinnert. 
Bing & Gröndahl verfügen über einen eigenen Stil, 
in welchem das plastische Moment eine wichtige Rolle 
spielt, ohne daß darum die farbigen Qualitäten vernach 
lässigt würden. Von ungemeiner Lebenswahrheit sind 
die mit wenigen Farben leicht getönten Tierfiguren, in 
denen die plastische Richtung der Fabrikation am ent 
schiedensten und vorteilhaftesten zum .Ausdruck kommt. 
Ein wie hoher Grad der Charakteristik in diesen Figuren 
erreicht wird, läßt sich an unserer Abbildung (Jaguar, 
Fig. 2) erkennen. 
Der dilettantische Zug, der den zahllosen Nach 
ahmungen anhaftet, welche als »dänisches Porzellan« 
überall gezeigt werden, die sich aber zu Originalen ver 
halten etwa wie der Esel im Löwenfell zum Löwen, ist 
ihnen gänzlich fern und es wäre zu wünschen, daß mehr 
von den guten Stücken zu uns wandern wie bisher. Sie 
werden fördernd wirken, beweisen sie doch, welch vor 
nehmer Schmuck des Innenraumes durch künstlerische 
Behandlung des Porzellans gewonnen werden kann, 
wenn strenge Selbstzucht, ernstes künstlerisches Wollen 
durch technische und materielle Hilfsmittel in kluger 
Weise gefördert werden. Sie zeigen die schönen Resul 
tate, welche erzielt werden können, wenn die künstleri 
schen Ideen sich auf einem Boden entwickeln, auf 
dem eine fortschrittliche Technik die verschiedenen 
Schwierigkeiten der Ausführung sehr hochgespannter 
Forderungen überwinden gelernt hat und die Freiheit 
der Entfaltung nicht durch traditionelle Bedenken oder 
dem Mangel an materieller Hilfe gehemmt wird. Nur dort 
kann eine solche Stufe der Vollkommenheit erreicht wer- 
Fig. 2. Bing & Gröndahl,. Jaguar.
	        
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