Nr. 18
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 281
Pui'purvitrine (59) rechts in besseres Licht gerückt. In den
Vitrinen 60, 36 bis 45 schließen sich immer rechter Hand die
späteren Bibeln und Evangelienbücher an. Hervorzuheben
wäre die Kärntner Bearbeitung der beiden ersten Bücher Mosis
in deutschen Versen aus dem 11. Jahrhundert in einer hundert
Jahre jüngeren Handschrift. Die älteste hochdeutsche
Bibel aber ist um die Wende des 8. und 9. Jahrhunderts zu
Mondsee in Oberösterreich entstanden, freilich nur bruch
stückweise in Vitrine 39 zu sehen. Das oben aufliegende Blatt
war einst für Einbandrücken in Streifen zerschnitten und wird
jetzt, mühsam zusammengeklebt, zum erstenmal ausgestellt.
Auch hier sind feine Zeichnung und bunte Farbe durch Seiten-
beleuchtung gehoben. Eine Sehenswürdigkeit für sich bildet das
schwarzgefärbte Pergamentgebetbuch von Galeazzo
Sforza, Herzog von Mailand, dessen Tochter die Frau
Kaisers Maximilian I. wurde. Dazwischen bringt Kirchenmusik
reiche Abwechslung mit Autographen von Haydn, Mozart
und Schube r t.
Zum Rückweg wenden wir uns nun zur rechten Seite.
Vitrine 48 enthält eine Darstellung aus der durch Schillers
Ballade »Der Qraf von Habsburg« bekannt gewordenen Er
zählung. Von de V o s entworfen und von Sadler gestochen,
fesselt in Vitrine 50 die Mutter Gottes in Aegypten, dem Jesu-
kind auf ihrem Schoß einen Löffel voll Nahrung reichend, ln
dem Gebetbuch der Tochter von Agnes Sorel, Marie
de Valois, fällt die Landschaft der Kreuzigung auf
(Vitrine 52). Alle, auch moderne Abbildungen übertreffen an
Naturtreue die in Flandern für Salisbury gemalten Stief
mütterchen mit Libelle. Der Holzschnitt wird Würdig von
Schäufelein, Graf und Wechtlin vertreten. Auch die
Stiche an den Wänden zeigen die Wirkungen der Eucharistie.
In der katechetischen Gruppe sieht man neben der ersten
Ausgabe des großen den kleinen Katechismus von
Ca n i si u s (1559).
Neben den Katecheten kommen auch die Prediger zum
Wort: B e r t h o Ld von Regens.bürg, der berühmteste,
auch in Oesterreich bekannte Prediger des Mittelalters, der
Wiener Hofprediger P e w e t n e r von Guntramsdorf
und der Prediger im Straßburger Münster Geiler von
Kaisersberg. Der Rundbau führt uns zu den Drucken des
15. Jahrhunderts zurück. Ein farbiger Blockdruck des Hohen
Liedes gefällt infolge der zarten Linien schlanker Frauen
gestalten. Im Gegensätze dazu die urkräftigen Züge eines
David und Goliath. Beim Fenster liegt die erste bei M e n t e 1
in Straßburg 1466 gedruckte deutsche Bibel mit dem Bilde
einer vollbesetzten Tafel. Stiche an den Wänden stellen den
Besuch Papst Pius VI. beim Osterfest in Wien im Jahre 1782,
Wiener Bischöfe und besonders malerisch die Kirchen Wiens vor.
Mit dem Langhaus nähern wir uns wieder der Konzils
abteilung. Ein Kunstwerk, wofür der Maler Hoefnagel von
Erzherzog Ferdinand 5000 Dukaten erhielt, ist das nach
dem Beschluß des Konzils 1570 textlich festgesetzte Meßbuch.
An Kardinal Serizando, den Berater dos Präsidenten
Kardinal Mantua, erinnert der eigenhändige Entwurf einer
Geschäftsordnung für Theologen mit beratender Stimme. Es
folgen Einzeldrucke von Konzilsreden und Sitzungsberichten,
die erste Ausgabe des »r ömisehen« K a t e c h i s-
rn u s 1566, die erste-Konzilsgeschichte von Kardinal
Pole, zugleich das erste Werk der vatikanischen
Druckerei, endlich Bilder von Sarpi und P a 11 a v i c i n o,
den zwei wichtigsten Geschichtsschreibern des Konzils. Ueber
den Vitrinen entzückt uns ein mächtiges Bild von der ewigen
Stadt.
Das Ganze gibt eine Vorstellung des geschichtlichen
Ereignisses, so gut es eben eine Sammlung von Büchern,
Schriften und Bildern vermag.
Die Ausstellung ist täglich von 9 bis 5 Uhr gegen mäßiges
Entree geöffnet.
Chronik.
Bibliophilie.
(Die Bibliothek Lanna.) Am 17. d. M. und den
folgenden Tagen wird der letzte Teil der berühmten Samm
lung Lanna (Prag) in Rudolf Lepkes Kunstauktionshaus
in Berlin versteigert. Dieser Teil enthält die Bibliothek des ver
storbenen Freiherrn, die sich hauptsächlich aus kunstwissen
schaftlichen Büchern und Mappenwerken zusammensetzt. Alle
Materien der Kunstwissenschaft sind vertreten. Besondere An
ziehungskraft besitzen die Reproduktionssammlungen von Ge
mälden und, Zeichnungen, Werken der Plastik und Architektur.
Zeitschriftenreihen und größere Sammelwerke, wie der Pan
u a. wechseln mit seltenen Holzschnitt- und wertvollen numis
matischen Werken ab. So scheint uns diese Bibliothek in ihrer
Geschlossenheit und Reichhaltigkeit von besonderem Interesse.
(Die erste Leihbibliothek.) In alten Zeiten, als
man die Bücher nicht druckte, sondern mit großer Sorgfalt
schrieb, wurden diese als Raritäten und Kostbarkeiten be
trachtet, die man mit allen Mitteln vor Diebstahl schützte.
Namentlich die Kirche besaß alle Bücher und Schriften von
Bedeutung, und durch Schenkungen und Ankäufe geistlicher
Personen wurde dieser Schatz vermehrt. Es ist selbstver
ständlich, daß zu diesen Zeiten ein Verleihen solcher Bücher
und Schriften große Schwierigkeiten verursachte. Nur ganz
ausnahmsweise findet man in alten Chroniken, daß Bücher
oder Schriften gegen nicht unerhebliche Zahlungen geliehen
wurden. Außerdem wurde eine Reihe von Klauseln aufgesetzt,
die als Vorsichtsmaßnahmen gegen ein Fortkommen der
Bücher aufzufassen sind. Der Ruhm, den Anstoß zur
Schaffung einer Bibliothek gegeben zu haben, gebührt aber
einem gewissen .1 o hannes von G m u n d e n, der seine große
Bibliothek im Jahre 1435 der artistischen Fakultät in Wien
vermachte und testamentarisch für das Ausleihen von
Bänden und Schriften eine bestimmte Taxe festsetzte, die auch
getreulich innegehalten wurde. Zu etwa gleicher Zeit lieh
dann das Basler Domkapitel Bücher gegen Entgelt aus. Wie
vorsichtig man vor dieser Zeit mit der leihweisen Abgabe von
Büchern vorging, und wie hoch man ihren Wert einschätzte,
dafür gibt es eine Reihe von ergötzlichen Beispielen. Im
Kloster St. Mesmin bei Orleans brachte der Abt H e 1 i a s die
Chronik des heiligen Hieronymus, welche er von einem
Mönch hatte schreiben lassen, am Gründonnerstag auf den
Altar dar und verfluchte feierlich jeden, der sie dem Kloster
entfremden würde. In Münster war 1362 verordnet, daß nur
zuverlässigen geistlichen Personen Bücher geliehen werden
sollten, in. anderen Fällen aber die Genehmigung des Dom
kapitels einzuholen sei. Gerhard Grote (gest. 1384) vermachte
seine Bücher den »Brüdern des gemeinsamen Lebens«, damit
sie dieselben mit Vorsicht an die Brüder und Schüler aus-
behen. Einer der vornehmsten englischen Biichcrsammler, der
zu Anfang des 14. Jahrhunderts lebende Richard de B u r y,
ein Freund Petrarkas, verordnete, daß Bücher, von welchen
kein Duplikat vorhanden war, durchaus nicht aus dem Hause
gegeben werden sollten. Er mahnt die Studenten in eindring-