MAK
Nr. 19 
Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g. 
Seite 297 
Die zähnefletschenden Löwen sitzen mit gekrümmtem 
Rücken dicht nebeneinander, die Hinterpranken liegen 
zwischen den vorderen; die Mähne des linken ist ge 
strählt, die des rechten geringelt. Die geschwungene 
Außenkontur der Gestalten mutet fast frügotisch an, doch, 
zeigen die stilisierten schnauzbärtigen Köpfe noch rein 
romanischen Charakter. Immerhin kann das Stück noch 
dem Anfang des 13. Jahrhunderts angehören. 
Der Zeit der entwickelten Gotik verdankt das 
Kaiser Friedrich-Museum zwei weitere Denkmäler, von 
denen eins aus der römischen Cosrnatenschule hervor 
gegangen ist. Die Marmorarbeit zeigt in liegender Stel 
lung die Gottesmutter mit dem Kind in ungefähr halber 
Lebensgröße. Die Figur ist vollständig rundplastisch ge 
bildet, auf der Rückseite jedoch nur grob ausgeführt. 
Hieraus und aus der sorgsamen Ausarbeitung der 
Schmalseiten ist zu entnehmen, daß die Gruppe 
wohl an eine Wand angerückt gestanden hat, aber 
nicht zu dicht von einer Nische umgeben war. 
Sie hat vielleicht eine Art Freigruppe gebildet, 
und wir haben in den beiden Figuren das Haupt 
stück vor uns. Die Kompostion ist vielleicht durch die 
Anbetung der Könige zu vervollständigen, hält doch das 
Kind ein edelsteingeschmücktes, kostbares Gefäß in den 
Händen und ist, ebenso wie die Mutter, dem Beschauer 
voll zugewandt. Beweisend für diese Annahme scheint 
die unlängst durch Venturi erfolgte Auffindung der 
Ueberreste des Presepe, das Arnolfo di Cambio für die 
Reliquienkapelle von St. Maria ad Praesepe geschaffen 
hat, zu sein. Zu den fehlenden Figuren gehören hier die 
Gottesmutter und das Kind, während Josef, die Köpfe 
antiker Formensprache erhalten. Die unorganische Um- 
wcndung des Oberkörpers bei der Berliner Gruppe wirkt, 
durch die Gewandung wenig verhüllt, härter, den etwas 
zu kurz geratenen Armen und dem ieerbiiekenden Antlitz 
fehlt die feine Belebung. Die Gewandung zeigt die 
Trockenheit des Cosmatenstils mit seinen geraden 
Faltenziigen und spitzen Brüchen. Die regelmäßige 
Fältelung des Bettes mit dem quastengeschmückten 
Kopfkissen ist der gotischen Grabplastik entnommen. 
Bemerkt sei noch, daß die Nasenspitze Marias und der 
Kopf des Kindes ergänzt sind, letzterer jedoch an 
scheinend schon im 17. oder 18. Jahrhundert. 
Ein leider mangelhaft erhaltenes figuriertes Doppel 
kapitell aus weißem Marmor bildet die letze Neu 
erwerbung des Museums. Der Wert des Werkes lieg! 
mehr auf ikonographischem als auf stilistischem Gebiet. 
Die Darstellungen der nach oben etwas ausladenden 
Flächen schildern die letzten Ereignisse des Marien 
lebens. Die eine Schmalseite gibt in gotischem Bildtypus 
die Todesverkündigung durch den. Engel wieder, der mit 
dem Palmzweig in das Gemach zu der betenden Maria 
geflogen kommt. Die zweite Schmalseite zeigt den Ab 
schied der Apostel von der Gottesmutter in ähnlicher 
byzantinischer Auffassung wie ein Predellenstück Duc- 
cios. Die am Sterbebett versammelten Apostel umarmen 
und begrüßen sich, Johannes reicht der liegenden Maria 
den Palmzweig. Die eigentliche Sterbeszene auf der 
linken Breitseite ist ziemlich genau nach dem byzan 
tinischen ikonographischen Schema der »Koimesis« kom 
poniert. Christus mit der kleinen Gestalt der Seligen im 
Arm steht, umgeben von den Aposteln, hinter dem Lager 
Fig. 8. Porcellis, Seestiick. 
von Ochs und Esel und die drei Könige erhalten sind, und 
zwar kniet der älteste tatsächlich mit gefalteten Händen; 
wir haben uns ihn nach der Gruppe des Kaiser Friedrich- 
Museums vor dem Kopfende des Bettes zu denken. Bei 
stilvergleichender Betrachtung wird klar, daß die neuer 
worbenen Figuren jedoch nur das Werk eines Nachahmers 
teind. Vergleicht man sie mit den beiden Marien Arnolfos 
von der alten Florentiner Domfassade, erkennt man klar 
deren höheren und lebensvolleren Reiz, den sie durch 
frischere Naturauffassung und durch stärkeren Einschlag 
der Maria, zu der Johannes sich niederbeugt, während 
die übrigen Apostel sich ihrem Schmerze überlassen. Die 
andere Breitseite geht wieder zu rein gotischer Ikono 
graphie zurück. Christus drückt Maria die Krone auf das 
Haupt, oben schweben zwei Engel anscheinend mit 
einem Kreuz. Alle Figuren zeigen den Stil der reifen 
Gotik des 14. Jahrhunderts. Nach den ikonographischen 
und stilistischen Tatsachen dürfte man für die Herkunft 
des Kapitells mit seinen byzantinischen und sienesischen 
Beziehungen auf Neapel schließen.
	        
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