Nr. 19
Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
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Die zähnefletschenden Löwen sitzen mit gekrümmtem
Rücken dicht nebeneinander, die Hinterpranken liegen
zwischen den vorderen; die Mähne des linken ist ge
strählt, die des rechten geringelt. Die geschwungene
Außenkontur der Gestalten mutet fast frügotisch an, doch,
zeigen die stilisierten schnauzbärtigen Köpfe noch rein
romanischen Charakter. Immerhin kann das Stück noch
dem Anfang des 13. Jahrhunderts angehören.
Der Zeit der entwickelten Gotik verdankt das
Kaiser Friedrich-Museum zwei weitere Denkmäler, von
denen eins aus der römischen Cosrnatenschule hervor
gegangen ist. Die Marmorarbeit zeigt in liegender Stel
lung die Gottesmutter mit dem Kind in ungefähr halber
Lebensgröße. Die Figur ist vollständig rundplastisch ge
bildet, auf der Rückseite jedoch nur grob ausgeführt.
Hieraus und aus der sorgsamen Ausarbeitung der
Schmalseiten ist zu entnehmen, daß die Gruppe
wohl an eine Wand angerückt gestanden hat, aber
nicht zu dicht von einer Nische umgeben war.
Sie hat vielleicht eine Art Freigruppe gebildet,
und wir haben in den beiden Figuren das Haupt
stück vor uns. Die Kompostion ist vielleicht durch die
Anbetung der Könige zu vervollständigen, hält doch das
Kind ein edelsteingeschmücktes, kostbares Gefäß in den
Händen und ist, ebenso wie die Mutter, dem Beschauer
voll zugewandt. Beweisend für diese Annahme scheint
die unlängst durch Venturi erfolgte Auffindung der
Ueberreste des Presepe, das Arnolfo di Cambio für die
Reliquienkapelle von St. Maria ad Praesepe geschaffen
hat, zu sein. Zu den fehlenden Figuren gehören hier die
Gottesmutter und das Kind, während Josef, die Köpfe
antiker Formensprache erhalten. Die unorganische Um-
wcndung des Oberkörpers bei der Berliner Gruppe wirkt,
durch die Gewandung wenig verhüllt, härter, den etwas
zu kurz geratenen Armen und dem ieerbiiekenden Antlitz
fehlt die feine Belebung. Die Gewandung zeigt die
Trockenheit des Cosmatenstils mit seinen geraden
Faltenziigen und spitzen Brüchen. Die regelmäßige
Fältelung des Bettes mit dem quastengeschmückten
Kopfkissen ist der gotischen Grabplastik entnommen.
Bemerkt sei noch, daß die Nasenspitze Marias und der
Kopf des Kindes ergänzt sind, letzterer jedoch an
scheinend schon im 17. oder 18. Jahrhundert.
Ein leider mangelhaft erhaltenes figuriertes Doppel
kapitell aus weißem Marmor bildet die letze Neu
erwerbung des Museums. Der Wert des Werkes lieg!
mehr auf ikonographischem als auf stilistischem Gebiet.
Die Darstellungen der nach oben etwas ausladenden
Flächen schildern die letzten Ereignisse des Marien
lebens. Die eine Schmalseite gibt in gotischem Bildtypus
die Todesverkündigung durch den. Engel wieder, der mit
dem Palmzweig in das Gemach zu der betenden Maria
geflogen kommt. Die zweite Schmalseite zeigt den Ab
schied der Apostel von der Gottesmutter in ähnlicher
byzantinischer Auffassung wie ein Predellenstück Duc-
cios. Die am Sterbebett versammelten Apostel umarmen
und begrüßen sich, Johannes reicht der liegenden Maria
den Palmzweig. Die eigentliche Sterbeszene auf der
linken Breitseite ist ziemlich genau nach dem byzan
tinischen ikonographischen Schema der »Koimesis« kom
poniert. Christus mit der kleinen Gestalt der Seligen im
Arm steht, umgeben von den Aposteln, hinter dem Lager
Fig. 8. Porcellis, Seestiick.
von Ochs und Esel und die drei Könige erhalten sind, und
zwar kniet der älteste tatsächlich mit gefalteten Händen;
wir haben uns ihn nach der Gruppe des Kaiser Friedrich-
Museums vor dem Kopfende des Bettes zu denken. Bei
stilvergleichender Betrachtung wird klar, daß die neuer
worbenen Figuren jedoch nur das Werk eines Nachahmers
teind. Vergleicht man sie mit den beiden Marien Arnolfos
von der alten Florentiner Domfassade, erkennt man klar
deren höheren und lebensvolleren Reiz, den sie durch
frischere Naturauffassung und durch stärkeren Einschlag
der Maria, zu der Johannes sich niederbeugt, während
die übrigen Apostel sich ihrem Schmerze überlassen. Die
andere Breitseite geht wieder zu rein gotischer Ikono
graphie zurück. Christus drückt Maria die Krone auf das
Haupt, oben schweben zwei Engel anscheinend mit
einem Kreuz. Alle Figuren zeigen den Stil der reifen
Gotik des 14. Jahrhunderts. Nach den ikonographischen
und stilistischen Tatsachen dürfte man für die Herkunft
des Kapitells mit seinen byzantinischen und sienesischen
Beziehungen auf Neapel schließen.