Nr. 2
Internationale Sammler-Zeitung.
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auf ein Alter von vier und fünf Jahrhunderten zurückblicken
können. Die Verwaltung des Britischen Museums ist von dem
gücklichen Fund bereits verständigt worden und hat einen
Teil ihrer Manuskripte und Bücher geprüft. Unter den Manu
skripten befinden sieh ein »Missale Secundum Morem
Romanae Curiac«, ein Oktavband, Pergament mit Musiknoten
auf roten Linien, wahrscheinlich aus dem Jahre 1480; eine
prachtvolle Vulgatabibel, ebenfalls Pergament, Foliogröße,
zweispaltig, mit schönen gotischen Buchstaben, reich illuminiert
und mit Federzeichnungen geschmückt, die Heilige und Teufel
darstellen, mehrere Abhandlungen über Aristoteles und über
Kirchengeschichte, ausgezeichnet erhaltene seltene Druckwerke
aus dem 15. und 16. Jahrhundert und vor allem eine ganze
Reihe scholastischer Manuskripte, die von Kartäusermönchen
verfaßt und geschrieben wurden. Sehr gut erhalten ist auch
eine von Anton Koberger im Jahre 1496 in Nürnberg ge-
dtucktc Predigt »Sermonum quadragesimalium Thesaurus
novus« und ein Exemplar des 1513 zu Straßburg gedruckten
Werkes des Venezianer Bischofs Peter von N a t a 1 i s, »Cata-
logi Sanctorum«, eine Druckarbeit von Anton Flach. Die
meisten Werke haben Folioformat, sind in geglättete feste
Fichentafeln gebunden, die durch kräftige Lederflechtereien
zusammengehalten werden. Viele der kostbaren Stücke tragen
den Namenszug »Cuthbert Sherbrooke«, der wahrschein
lich zur Zeit König Philipps II. und der Marie von Eng
land Vikar von Rockland war und die schöne Sammlung
kirchlicher und kirchenhistorischer Werke zusammenbrachte,
die jetzt wieder der Vergessenheit entrissen sind.
Bilder.
(Auffindung der »Heiligen Familie« von
Raffael.) Russische Blätter melden, daß in Moskau das
Bild »Die heilige Familie« von Raffael aufgefunden wurde.
Ein kleiner Bauunternehmer hatte dieses Bild bei einer Lizita
tion von alten Sachen erstanden. Der Bauunternehmer brachte
das Bild zu dem bekannten Moskauer Restaurateur Mutti;
nach vorgenommener Reinigung des Bildes kam die heilige
Familie, die Madonna mit dem Jesukindc am Arme und
Johannes den Täufer im Purpurgewand darstellend, zum Vor
schein. Der Moskauer Antiquitätenhändler Werkmeister
erwarb später das Bild um 1400 Rubel. Gegenwärtig sind in
Moskau Kunsthändler aus London, Paris, Berlin und Nürnberg
eingetroffen, um das Bild zu erwerben.
(Rubens »Krönung der heiligen Katharin a«.)
Der Herzog von R u 11 a n d hat aus seiner Galerie »Die
Krönung der heiligen Katharina« von R u b e n s an einen ameri
kanischen Sammler verkauft. Als Kaufpreis wird die Summe
von 3,280.000 Mark genannt, die uns aber als stark über
trieben erscheint, da der Pariser Händler, der das Bild über
den Ozean brachte, überhaupt nur 800.000 Mark verlangte. Es
ist also eher wahrscheinlich, daß das Gemälde um einen
niedrigeren, als höheren Preis an den Mann gebracht wurde. —
Rubens hat das Bild im Jahre 1633 für den St. Barnabas-Altar
in der Kirche von St. Augustin zu Mecheln gemalt. Für seine
Herstellung steuerte die Gerber-Innung der Stadt 100 Gulden
bei, und schließlich kam durch anderweitige Sammlungen die
Summe von 620 Gulden zusammen. Von diesem Kloster er
warb es nachher der Chevalier V e r h u 1 s t im Jahre 1765 für
9500 Gulden und zwei Gebinde Wein im Werte von 120 Gulden.
Später kaufte es der damalige Herzog von R u t 1 a n d auf einer
Auktion für 12.000 Gulden.
(Ein zerstörter M u r i 11 o.) Eines der berühmtesten
Bilder von M u r i 11 o, die »Unbefleckte Empfängnis«, im
Museum von Sevilla, ist infolge einer fahrlässigen Reini
gung zum Teile zerstört worden. Besonders sind die
Fleisch töne der Cherubinen, die mit dünnen Lasuren ge
malt sind, durch den Spiritus, den der Restaurateur Virgilio
M a t o n i angewandt hat, vollständig aufgelöst und v e r-
n i c h t e t worden. Der ungeschickte Künstler ist verhaftet
worden und erwartet jetzt seinen Prozeß wegen Verletzung
des Gesetzes, das in Spanien jedermann verbietet, die Restau
ration eines Bildes in einer öffentlichen Galerie ohne die aus
drückliche Ermächtigung durch die Akademie der Künste vor
zunehmen.
(Entdeckung alter Wandmalereien.) Aus
Kassel wird uns gemeldet: In der Kirche des Dorfes
Lippoldshausen bei dem benachbarten Hann.-Münden
sind alte Wandmalereien entdeckt und zufolge einer Ver
fügung des Provinzialkonservators freigelegt worden. Dabei
zeigte sich, daß man einen künstlerisch wertvollen Fund ge
macht hat. Die Fresken — es sind Darstellungen aus der Ge
schichte des Neuen Testaments — stammen nachweislich aus
dem Jahre 1494. Sie sind gut erhalten und sollen aus Staats
mitteln wieder aufgefrischt werden.
(Soll man Gemälde unter Glas halten?) Im
Museum von Gent sind seit kurzem alle alten Gemälde
unter Glas gebracht worden. Ueber die Gründe zu dieser
Maßnahme berichtet jetzt der Konservator des Museums,
L. Maeterlinck, im »Bulletin für alte und moderne Kunst«.
Seine Ausführungen bilden einen interessanten Beitrag zu der
vielumstrittenen Frage, ob die Museumsverwaltungen die in
ihrer Obhut stehenden Schätze alter Malerei durch Verglasung
vor dem Verfall schützen sollen. »Man weiß,« so führt Maeter
linck aus, »daß das Sonnenspektrum, das wir sehen, nicht das
ganze Spektrum ist. Jenseits der blauen Ntiance, der letzten,
die wir wahrnehmen, folgt eine violette und ultraviolette
Zone, die unsere Augen nicht mehr aufzunehmen vermögen.
Sie ist nun leider vollkommen erwiesen durch ihre Wirkung,
die sich in chemischer Aktivität offenbart; diese zeigt siel:
nicht nur in der Einwirkung auf photographische Platten,
sondern auch in einer schädlichen Wirkung auf die Augen.
Man hat umfassende und systematische Versuche über die
Bedeutung dieses violetten Teiles des Spektrums angestellt
und auch Vergleiche zwischen der Wirkung des Sonnenlichtes
und starken elektrischen Beleuchtungen vorgenommen.
Ueberall ist das Streben darauf gerichtet, diese unsichtbare,
aber chemisch stark wirksame Beeinflussung zu verhindern.
Dabei hat sich herausgestellt, daß gelbe Gläser und auch
ungefärbte Gläser gegen violette lind ultraviolette
Strahlen fast undurchlässig sind. Man weiß, daß diese
Strahlen nicht nur das Auge angreifen, sondern auch alle
Farbenpigmente auf Bildern und Kunstwerken. Die Farbeti-
veränderungen auf Bildern und das »Verschießen der Farben«
an Stoffen sind das Werk der violetten und ultravioletten
Strahlen, die sozusagen die Gewebe »verzehren«. Infolge
dessen ist für alle Bilder, Aquarelle und alte Tapisserien eine
Glashülle ein wichtiger Schutz gegen die gefährlichen ultra
violetten Strahlen, die beim Eindringen durch die Fenster nur
unvollkommen filtriert worden sind und infolgedessen die
Kunstwerke schädigen, so lange sie nicht unter Glas gebracht
werden.
Handschriften.
(Ein interessanter Fund.) Im Nachlaß Karl August
Varn'nagens von Ense, der sich in der königlichen
Bibliothek in Berlin befindet, wurde eine von Varnhagen selbst
noch vorbereitete, ganz außerordentlich erweiterte Auflage
des Werkes »Rahel. ein Buch des Andenkens für ihre Freunde«,
das bekanntlich die schönsten und geistvollsten Briefe und Auf
zeichnungen Rahels enthält, aufgefunden. Das Werk, das viele
unbekannte Briefe enthält, wird von Dr. Kurt P i n t h u s
(Leipzig) herausgegeben werden.