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Internationale S a rn rn 1 e r - Z e i t u n g.
Nr. 2
stehenden Kirche fällt. Von einer älteren Lokalgeschichte fehlt
jegliche Spur.
Von Triest aus erreicht man Santa Croce am besten mit
der Siidbahn. Von der Haltestelle Santa Croce, die knapp am
Meere auf einem zum Teile felsigen Abhange zwischen Feigen-
und Olivenbäumen und herrlichen Pergolen gelegen ist, begibt
man sich über eine Steintreppe auf einen steilen Karstweg,
der in das alte Dorf führt. Je höher man steigt, desto spär
licher wird die Vegetation und der angenehme Duft des wild
wachsenden Oripanums, vermengt mit dem reinen Balsam,
den uns das ewige Meer milde zubläst, schläfern uns in einen
Rausch ein, in dem wir die Mutter Natur liebevoll umarmen
und förmlich abkiissen möchten. In wenigen Minuten erreichen
wir Santa Croce, das in der Bauart den typischen Charakter
einer Karstortschaft trägt, wo im Winter die Bora pfeift und
tobt und die Menschen stille, gleichmütige Naturen sind, die
im Verkehr mit Kulturmenschen ihre Weltabgeschiedenheit zu
auffallend zur Schau tragen.
Einfach und eintönig, wie die meist unbemörtelten
Bauernhöfe mit ihren Heilssymbolen und den eingemeißelten
Familiennamen an den Architraven der Mauertore, wirken die
Kirche und das daran anschließende Pfarrhaus. Die Kirche
wurde im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts erbaut, scheint
aber einige Bauperioden bestanden zu haben. Ob an ihrer
Stelle oder in nächster Nähe früher einmal eine Kirche existiert
hat, weiß man leider nicht, unwahrscheinlich dürfte es aber
nicht gewesen sein, schon mit Berücksichtigung auf den be
zeichnend mittelalterlichen Ortsnamen. An der Fassade der
Kirche, die imbcmörtelt den Rohbau und Spuren der
Renaissance aufweist, ist eine Inschrift aus dem Jahre 1613
eingemauert: »A. N. .1. Com. Terg, Peinaldo Scarlicchio A. V.
Sol. MDXIII.« Sie verewigt den berühmten Triester Bischof
Scarlicchio, dessen Büste die Fassade der Basilika von San
Giusto in Triest ziert, und höchstwahrscheinlich von dem ehe
maligen uralten Kirchlein in San Primo, einem alten Besitze
der Triester Bischöfe, oder vom ehemaligen Minoritenkloster
in Grignano bei Miramar, das Scarlicchio iin Jahre 1626 diesem
Orden geschenkt hat, herrühren dürfte. Die Chronik der
Gegend erzählt, daß die Minoriten daselbst große Weingelände
hatten, und ihr Wein so berühmt wurde, daß bei einem ge
legentlichen Besuche Kaiser Leopolds I. im Jahre 1660 der
Fürst voll des Lobes über den guten Wein der Patres war.
Die Kirche der Minoriten wurde später demoliert, das Kloster
wird heute als Villa*) bewohnt. San Primo befindet sich un
gefähr eine halbe Stunde von Santa Croce entfernt und war
ursprünglich eine Castelliere, worauf ein Kirchlein zu Ehren
eines der ersten Christenmärtyrer von Triest erbaut wurde,
und zwar nach Aussage der Archäologen an Stelle eines heid
nischen Tempels, was die Ausgrabungen verschiedener prä
historischer und römischer Gegenstände zu deutlich kundtun.
Die Längswand der Kirche besitzt eine Tür mit spätgotischem
Bogen und einem Wulste an dessen Rande. Oben in der
Bogenrandung ist das Jahr 1489 eingemeißelt. Sonst bietet die
Kirche nichts von archäologischer Bedeutung. An die Kirche
gliedert sich das einstöckige Pfarrhaus an, das unser be
sonderes Interesse erregt. Der Sturz des Untergeschosses
wird an den Wandungen von zwei stilistisch merkwürdigen
Trägern gestützt und trägt die Jahreszahl 1489, also dieselbe,
wie die Seitentüre der Kirche. Er hat außerdem rechts ein
sogenanntes »Glücksrad« flach eing.emeißelt, das in der
Struktur wie ein Radfenster aus der Uebergangszeit aus
schaut. Derlei Glücksräder (rota fortunae, rota fatalis, rota
nativitatis nostrae) gelten als symbolische Darstellung des
Wechsels der menschlichen Schicksale unter der Gestalt des
Rades, auf welchem mitunter menschliche Figuren aufsteigen
*) Jetzt Villa Brandi. Interessant ist es auch zu er
wähnen, daß unten am Meere ober Grignano im Mittelalter
drei Weimnoli gewesen seden.
und hinabstürzen, oder der zwölf Himmelszeichen. Christlich
wäre das Glücksrad dahin zu lösen, daß in der Mitte Christus
(Deus in rota) gedacht wird, während zwischen den Speichen
Propheten und Evangelisten u. s. w. als Symbole des Bleiben
den mitten im Wechsel der zeitlichen Dinge gedacht werden.
Ober dem Torsturze befinden sich drei aufeinander
liegende längliche Inschriftsteine mit folgenden Legenden: der
erste Stein trägt eine Zusammenstellung von merkwürdigen
Steinmetzzeichen, die einen geheimen Sinn besitzen und wohl
schwerlich je gelöst werden. Sie stammen aus der romanischen
Stilperiode. An der Hand vieler mir zur Verfügung stehender
Alphabete und Tabellen geheimer Sozietäten konnte ich zwar
einige Zeichen lesen, die mir aber keinen eigentlichen Sinn
gaben. Von den acht Zeichen sind das fünfte, sechste und
siebente bekannte Steinmetzzeichen, die man an Bauten de»
12. und 13. Jahrhunderts oft antrifft. Der zweite Stein ent
hält die vielsagende Verewigung: »Jacobus fecit«, die sich
auf dem dritten Steine darunter fortsetzt: »Magister scotus«.
Nach dem Charakter der Buchstaben rührt die Inschrift vor
1200 her. Die freie Uebersetzung lautet: »Jakob, der schottische
Meister, hat es erbaut.« Mithin bekundet diese Inschrift, daß
ein schottischer Baumeister eine Kirche oder eine Abtei in
dieser Gegend erbaut hat. Vielleicht rühren diese Steine von
San Primo oder Grignano her, oder bestand in Santa Croce
schon vorhin eine Kirche! Wer weiß cs? Da vor Jahrhunderten
jegliches Verständnis zur Archäologie mangelte, wurden diese
Steine vielleicht aus Laune in der Pfarrhausmauer miteingelegt.
Nun legen wir uns die äußerst interessante Frage vor,
ob es denn möglich sei, daß in dieser Gegend (sei es in Triest
oder in dessen Umgebung) auch schottische Baumünche —
denn nur ein solcher kommt nach der Inschrift in Betracht!
gewirkt hätten! Ueber ihre Tätigkeit in Triest fehlte bis jetzt
ein urkundlicher Beleg. Man hatte nur Vermutungen, daß diese
berühmten Baumönche, die im 11. Jahrhundert aus ihrer
Heimat Irland nach dem Kontinent gewandert sind, auch
unsere Gegend besucht hätten. Und aus diesem Grunde sind
die Inschriftsteine des schottischen Meisters Jakob von her
vorragender lokalhistorischer und baukundlicher Bedeutung.
Die Gegend von Santa Croce gehörte im 11. und 12. Jahr
hundert den Bischöfen von Triest. Es ist jedoch sehr leicht
möglich, daß die schottischen Baumönche durch den bekannten
Kirchenvogt Grafen Engelbert von Görz im 12. Jahrhundert
veranlaßt wurden, nach dem Süden zu kommen, zumal die
Grafen von Görz und ihre bis nach Bayern weitverzweigte
Verwandtschaft die Vogteien der berühmten Benediktiner
abteien von St. Paul und Millstatt (vielleicht auch Gurk) inne
hatten und eine segensreiche Tätigkeit irn Dienste der Kirche
auch im Gebiete der Bischöfe von Triest und in Istrien (durch
eine Heirat) und als Vögte von Aquileja bekundeten. Es ist
bekannt, daß in St. Paul und Millstatt in Kärnten zwei inter
essante romanische Kirchen und Abteien von Hirschauer
Mönchen erbaut wurden. Man kann demzufolge für unsere
Santa Croce-Inschrift zwei Annahmen aufstellen: entweder
wurde der uns leider gänzlich unbekannte romanische Kirchen-
oder Abteibau von Hirschauer Baumönchen unter Anleitung
eines dortigen 1 itular- oder echten irischen (hier wohl Regens
burger) Baumeisters, oder von einem echten Schotten er
baut.*) Für die erste Annahme spricht der Umstand, daß der
berühmte Abt Heinrich von Hirschau, bekanntlich der Stifter der
deutschen Bauhütte, aus der Regensburger Schottenschule her
vorgegangen ist und daher im Besitze ihrer Baumysterien war
und als Eingeweihter ihrer Kunst auch »schottischer« Bau
mönch war. Andererseits war es oft üblich, daß die Bene
diktiner sich einen echten schottischen Bauleiter bestellt hatten
und unter dessen fachkundiger Leitung die Kirche errichtet
wurde. Heldmann erwähnt in seinem gesuchten Werke »Die
/') Wir mir Herr Professor Dr. A. Puschi in Triest nach-
tiäglich mitteilt, ist es erwiesen, daß in Norditalien auch
irische Baumönche gewirkt haben.