Nr. 2
Internationale Sammler-Zeitung.
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drei ältesten geschichtlichen Denkmale der teutschen Frey
maurerbrüderschaft« (Arau 1819) zum Beispiel, daß »das bei
den Arbeiten der Benediktinerkirche im Münstertal angestellte
Korps von Bauleuten unter der Leitung eines schottischen
Baumeisters namens Mackenbri gestanden ist. Daß alle diese
Baumeister Mönche waren, ist selbstverständlich, da die
profanen Baumeister erst im 14. Jahrhundert bei Kirchen
bauten erwähnt werden. Im Verzeichnis deutscher Baumeister
sind mehrere »Meister Jakob« genannt, so daß man schwerlich
je etwas Näheres über unseren Meister Jacobus erfahren
dürfte. Ob er Hervorragendes geleistet hat, weiß man auch
nicht, da man nicht die geringste Spur seiner künstlerischen
Tätigkeit im Santa Croce mehr vorfinden kann.
Die historische Tatsache, daß sowohl in San Primo
Grignano, Triest und San Giovanni del Timano*) (Duino)
Benediktinermönche angesiedelt waren, bekräftigt im wesent
lichen, daß die Steine einen schottischen Baumeister ver
ewigen, und zwar in so deutlicher Weise, wie man in Oester
reich noch bei keinem Kirchenbaue angetroffen hat. Das
'Priester Museum wird daher nach Einbringung dieser Stücke
einen archäologischen Schätz einzigster Art besitzen! Geht
man die steinernen Stufen zur Wohnung des Pfarrers hinauf,
so begegnet man. ungefähr in der Mitte derselben in drei
Viertelmeter Höhe in der Mauer einen Stein mit rätselhaften
Zeichen, die von rückwärts gelesen wohl die Jahreszahl 1491
ei geben. Im Inneren des Untergeschosses des Pfarrhauses
überraschte uns ein höchst interessanter Fund. Der düstere,
feuchte Raum ähnelt eher einem Keller und wird als Zither
(Rumpelkammer) kirchlicher Gegenstände verwendet. Trotz
des Halbdunkels gelang mir und meinem wissenschaftlich
interessierten Begleiter, an der rechten Kante des linksseitigen
Fensters eine Skulptur eingelegt zu entdecken, die eine
Madonna mit dem Kinde darstellt. Maria trägt das Pluviale
und auf dem Haupte eine Krone und hält am linken Arme das
Kind, das einen Gürtel trägt. Als Umrahmung sind (im selben
Steine) rechts und links zwei kanneliiert gewundene Halb
säulen mit einfachen Wandpiedestalen zu gewahren, die ober
halb anstatt des Kapitals zwei flach erhobene Sterne haben.
Die Reliefarbeit ist künstlerisch sehr primitiv und ohne Eben
maß ausgeführt und dürfte aus dem 12. Jahrhundert stammen.
Wir verließen den feuchten Kellerraum und gingen um
das Pfarrhaus, wo wir in ziemlicher Mauerhöhe eine ver
mauerte kleine Wandnische vorfanden, die eine einfache
Wandung hat, in deren Mitte ein einfach gedrehter Halbwulst
läuft. An flacher Stelle auf der einen Seite der Wandung er
blickt man noch eine verstümmelte romanische Fratze. Diese
in Stein gearbeitete Nische wurde natürlich auch wie die
übrigen alten, bedeutungsvollen Stücke beim Aufbau des Pfarr-
hofes als Baumaterial verwendet. Ich fragte die uns wild an
gaffenden Bauern, was die alten Leute zu der Fratze erzählen.
Die sonst gutmütigen, kulturell aber stark zurückgebliebenen
Leute glotzten uns recht dumm an und lachten uns dann ein
fach aus. Unsere Nachforschungen auf weitere Funde waren
vergeblich und so verließen wir in der Abenddämmerung des
herrlichen Septembertages das alte, geheimnisvolle Santa
Croce mit seinen redenden Steinen des Magister scotus und
der duldenden Madonna im finsteren Kellerraume. Den alten
Weg heruntergehend, sahen wir noch die große rote Scheibe,
wie sie am Horizont des Meeres langsam, langsam ver
schwändet und ihre herrlichen, buntfarbigen Strahlen immer
kürzer werden. Ober Grignano hielten wir dann in heimat
licher Sentimentalität in einer Osteria Rast, die eine schöne
Pergola hat und herrlich auf einer hohen Mauer ober dem
Schienenstrange der Siidbahn gelegen ist. Unter der Pergola
hockend, genossen wir den bezaubernden Anblick des Schlafen
den Meeres mit seinen vom Monde treulich beschienenen
Silberwellen. Ein Gläschen vom echten Proseccowein mundete
uns vortrefflich und es kamen dann die süßen Augenblicke,
die uns alles, alles vergessen lassen, was uns ums Herz drückt,
und in angenehmer Selbsttäuschung uns vom erreichten
irdischen Glück sprechen lassen, das wir unverbesserliche
Idealisten wohl umsonst suchen. Und beim Hinunterpilgern zum
kleinen Bahnhof drang zu unserem Ohr von der Pergola herab
der Gesang der jungen, heiteren Herzen, den die Gitarre mit
ihrem, in stiller Nacht so sympathisch ergreifenden Dreiklang
begleitete. Sie sangen die Lieder aus der »Boheme«, Liebes
und Seufzerlieder, die nur von einer echten Zigeunerseele bei
dem Anblicke des unendlichen Meeres tief, tief empfunden
werden können . . .
Alte Flugschriften.
Die üeschichte der Flugschriften fällt fast mit der
Erfindung der Buchdruckerkunst zusammen. Lange be
vor es Zeitschriften und Zeitungen gab, wurden schon
auf den deutschen Jahrmärkten Flugblätter (meist in
Kleinoktav) verkauft, die namentlich aus den Druck
stätten von Straßburg, Basel, Augsburg und Nürnberg
hervorgingen. Anfänglich poetischen Inhalts — auf einem
solchen Flugblatte waren ein oder mehrere Gedichte ge
druckt - bildeten sie bald ein wichtiges Kampfmittel in
dem Streite der Geister. Die Flugschriften aus dem
16. und 17. Jahrhundert sind denn auch Geschichtsquellen
für die politischen und religiösen Kämpfe der Zeit.
Interessant ist, daß man schon frühzeitig ans
Sammeln von Flugschriften ging. Wie für Bücher, fanden
sich auch für diese Druckerzeugnisse allenthalben Lieb
haber, die sie sorgfältigst sammelten und zu Bänden zu
sammenhefteten. Hübsche Sammlungen von Flugschriften
sind darum auch nicht so selten: die vollständigste Kol-
*) Nach Dr. Puschi befinden sich an der Fassade dieser
Kirche alte Skulpturen, die ich leider nicht gesehen habe.
lektion mag das Britisclte Museum in London besitzen.
Eine großartige Sammlung von Flugblättern und
Flugschriften ist, wie schon in Nr. 24 unseres vorigen
Jahrganges gemeldet, zur Zeit im Buch- und Kunstanti
quariat von Gilhofer & Ranschburg in Wien
vereinigt. Der mit wissenschaftlicher Gründlichkeit von
Dr. Ign. Schwarz verfaßte Katalog weist nicht weni
ger als 1645 Nummern auf, die auf den Zeitraum von 1447
bis 1814 sich erstreckend, bibliophile Rarissima enthalten.
So ist zum Beispiel ein Einblattdruck des von Fried
rich II. am 13. April 1480 zu Wien erlassenen Schutz-
und Schirmbriefes für das Frauenkloster Clingeta! in d
deiner stat Basel gelegen (Basileae, Bern. Richel) vor
handen, von dem man bisher nur ein Exemplar im
Basler Staatsarchiv kannte.
Eine Flugschrift von größter Seltenheit ist unter dem
Jahre 1508 registriert. Es ist dies die sog. »Juden
beichte«, eine der giftigsten Schmähschriften Johann
Pfefferkorns auf die Juden.
Der Verfasser, ein getaufter Kölner Jude, der von
seinen früheren Glaubensgenossen angefeindet, im Rache-