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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
4. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1912. Nr. 20. 
Aschenbrödel—Heraldik. 
Vorn kaiserlichen Rat Ernst Krahl, 
k. k. Hoiwappemualer und Heraldiker (Wien). 
Es drängt mich auf das lebhafteste, die Aufmerk 
samkeit weiterer Kreise auf einen Kunstzweig zu lenken, 
welcher im Mittelalter, in seinem Entstehen bedingt 
durch die Gebräuche des Rittertums und gefördert durch 
die hervorragendsten Künstler jener Zeit, einen 
staunenswerten Aufschwung genommen hat. 
Es ist dies die Kunst, Wappen zu zeichnen; sie war 
eine, den damaligen Verhältnissen entsprungene und 
tief in das Leben eingreifende, künstlerische Betätigung, 
deren Ursprung in das 12. und deren höchste Blüte in 
das 15. Jahrhundert zu verlegen ist. Mit dem Aufhören 
der Turniere ging es mit dieser Kunst bergab, von der 
Zeit an, da man Schild und Helm nicht mehr als Waffen 
stücke gebrauchte, verlor sich auch das Verständnis für 
sie. Dilettanten und Pfuscher trugen dann das ihre dazu 
bei, um sie in Mißkredit zu bringen. 
Unsere hervorragenden Gelehrten in der k. k. Heral 
dischen Gesellschaft haben es sich zur Aufgabe gesetzt, 
die Heraldik nur vom wissenschaftlichen Standpunkte 
aus zu behandeln. Allein die Heroldskunst war und ist 
vor allem eine praktische Kunst, und Künstler, nicht aber 
Gelehrte waren es, welche uns in den von ihnen auf- 
gerissenen Wappen prächtige Vorbilder geschaffen 
haben. 
Die Künstler unserer Zeit, die Pinsel und Palette 
führen, blicken vielfach nur mit vornehmem Lächeln auf 
die von ihnen nicht verstandene Kunst des Heraldikers 
als auf eine minderwertige herab. Sagte mir doch im 
Jahre 1878 mein Stillehre-Professor: »Lächerlich, Heral 
diker und Maler ist gar nichts! Ich.nehme das nächst 
beste Wappenbuch und bin auch Heraldiker.« Und als 
ich im Jahre 1888 an der Akademie noch immer Akt und 
Draperie zeichnete, erklärte mir ein anderer Professor, 
es sei total überflüssig, daß ich weiterzeichne, für meine 
berufliche Tätigkeit könne ich genügend, ich möge mir 
nur ein Wappenbüch kaufen •— das reiche vollständig 
hin! — 
Ein Oberbaurat, der Träger eines bekannten 
Namens, zu welchem ich im Jahre 1900 vom k. u. k. 
Obersthofmeisteramte als Experte gesandt wurde, stellte 
mir vier einköpfige Adler mit dem Bemerken vor, er 
werde: diese zusammenfügen und sie so als zwei Doppel 
adler verwenden. Mein schüchterner Einwand, ein 
Doppeladler habe doch nur zwei Flügel und zwei Fänge, 
fruchtete wenig. Der Herr Oberbaurat bewies mir in 
kurzer Zeit, daß es ganz richtig sei, wie er es meine, 
weiters daß wir sogenannten Heraldiker eigentlich nichts 
verstehen und ein wohlstilisierter Adler so auszusehen 
habe, wie er ihn mir in einer Zeichnung vorlegte. 
Ich konnte in dem Tier kaum einen Adler erkennen, 
aber leider hat seine Stilisierung Schule gemacht — 
allenthalben erblickt man dieses moderne Ungeheuer, 
selbst öffentliche Gebäude und Kunstinstitute führen es. 
Eine solche ausgesprochene Verständnislosigkeit trägt 
kräftigst zum Verfalle der heraldischen Kunst bei. 
Am Graben befindet sich über einer Eingangstür ein 
sehr großer Adler in Qlasmosaik, der, ebenso wie 
mehrere andere auf der Ringstraße, in der Ausführung 
geradezu eine Verhöhnung des kaiserlichen Adlers und 
der Kunst bedeutet. 
Auf den Damenspenden verschiedener großer Bälle 
werden oft solche kunstwidrige Darstellungen ange 
bracht. So hat auf der Spende einer unser größten Bälle 
in den letzten Jahren der altehrwürdige Stadtadier eine 
bedauerliche Verwandlung erleben müssen. 
An der neuen Döblinger Sparkasse ist der Adler in 
einem zerrupften Zopfstil mit der Krone — Kaiser Ru 
dolfs II. vom Jahre 1610 dargestellt, statt mit jener 
Kaiser Friedrichs III. vom Jahre 1461. 
Anläßlich der Internationalen Jagdausstellung be 
fanden sich unter den Objekten eines unserer ersten 
Kimstiiidustriellen zwei Albums; an sich waren sie pracht 
voll, aber wie sah ihr heraldischer Schmuck aus? Total 
verhältnislos und unheraldisch und doch wurden gerade 
diese beiden Wappen nicht nur von hocharistokratischen 
Personen für wunderschön erklärt, sondern auch von 
der journalistischen Kritik vorzüglich beurteilt. 
Beim Umbau des Regensburgerhofes wurde an der 
Hauptfront die überlebensgroße Statue Kaiser Fried 
richs IV. aiigebracht; über dem Haupte dieses Mon 
archen schwebt die Krone des 1871 neuerstandenen 
deutschen Kaiserreiches, also eine Krone vom neun 
zehnten, statt vom fünfzehnten Jahrhundert. Aber trotz 
dem wenden sich Künstler und Kunstgewerbetreibende 
nur äußerst selten an einen praktischen Heraldiker oder 
an einen Fachgelehrten, wie es beispielsweise im letzt 
genannten Falle notwendig gewesen wäre. 
Den Einwand, man könne nicht immer heim Alten 
stehen bleiben, sondern müsse auch aut diesem Gebiete
	        
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