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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 21 
Welt liegt in dem Abenteuer mit dem Handelsschiff, das 
die Meere befahren soll. Zugleich aber auch rührende Un 
kenntnis des praktischen Lebens, wie sie nur einer haben 
kann, der als Prinz geboren ist und die primitiven Hand 
griffe des Daseins mit eigenen Fingern niemals erprobt 
hat. Dann auch das erste Auslaufen der »St. Margarethe«. 
Ohne Proben, ohne Studienfahrten, ohne Bemühen um 
Routine, Erfahrung und Geschicklichkeit der Praxis geht 
es gleich auf eine Reise, die den verhärtetsten Seeleuten 
als die gefährlichste gilt. Der zweite Schritt wird getan, 
noch ehe der erste versucht ist. Dennoch liegt in all dem 
ein Zug ins Erhabene. Eine Verzweiflung liegt darin, die 
sich hoch und stolz über jegliche Trivialität hinausbäumt. 
Der Trotz eines Grandseigneurs und eines Helden. 
In den späten Söhnen uralter Königsgeschlechter 
regt sich manchmal wohl der große Ahnherrnwille, der 
einst das Haus zu Macht und Glanz mit starker Faust 
ernporgehoben. Heldeninstinkte erwachen, die von den 
Vorvätern her im Blut geschlummert haben. Ein Trieb 
rührt sich mit elementarer Sehnsucht, als gälte es, was 
längst schon erobert ist, noch einmal zu erobern. Schäumt 
solcher Triebe Leidenschaft in einem Thronerben empor, 
dann entsteht der Weltgeschichte ein großer Regent, und 
sie benennt das Zeitalter, in dem er gelebt hat, mit seinem 
Namen. Einem Johann Orth aber mußte dieser Sturm des 
fürstlichen Blutes zum Verhängnis werden. Doch auch 
er wird fortleben als eine der merkwürdigsten, viel 
deutigsten und rührendsten Gestalten, die unsere Epoche 
gesehen, als ein Mensch, der inbrünstig guten Wollens 
war und das tragisch naive Los der Ikarus erlitten hat. 
* 
Auf die Sammlungen Johann Orths haben wir schon in 
der Nummer 14 vom 15. Juli d. J. hingewiesen (Der Nachlaß 
Johann Orths): genauen Aufschluß gibt der Katalog, den die mit 
der Versteigerung betraute Firma Gebrüder Heilbron in 
Berlin herausgegeben hat. Der stattliche Band umfaßt 2]5 Text 
seiten, denen sich nicht weniger als 126 Tafeln mit Reproduk 
tionen der wichtigsten Stücke anschließen. 
Mit erlesenem Geschmack ausgestatteten Interieurs folgen 
da reizende Schränke der Barock- und Renaissance, die 
mit modernen Prunkarbeiten abwechseln. Ein Prachtstück zum 
Beispiel ist der Salontisch aus Porphyr im Stile Ludwigs XV. 
mit ovaler, gebogter Tischplatte, zylindrischem, profiliertem Fuß, 
auf achteckigem Sockel, mit gebogten Seiten. Der Rand der 
Tischplatte ist in Bronze gefaßt, die Bronzefassung des Fuß 
schaftes besteht aus zwei sitzenden, die Tuba blasenden Engeln, 
die zu beiden Seiten des Schaftes mit dem Rücken an dem 
selben lehnen, und deren Unterleib in Blattornamente übergeht 
Blattkränze verbinden auch die beiden Engel miteinander. An 
der Stirn- und Rückseite des Fußschaftes befinden sich Bronze 
schilder mit Porzellaneinlagen, auf welchen in Goldmaierei, auf 
türkisblauem Grund die Sevresmarke prangt. Auf der Tisch 
platte sieht man neun Porzelfenplatten von verschiedener Form, 
eine große in der Mitte, acht am Rande, von reliefierter. Bronze 
bändern umrahmt. Die Platten mit farbiger Unterglasur-Malerei: 
Darstellung von Allegorien, griechischen Gottheiten und den 
Jahreszeiten. Im ovalen Mittelfelde eine Gruppe junger Frauen 
an einem Bassin mit Schwänen. 
Unter den Gemälden stoßen wir auf Arbeiten von 
Lukas C r a n a c h dem Aelteren (Maria mit dem Kinde und 
Johannes), Albert C u y p (Kinderbildnis), Peter R o o s, genannt 
Rosa di Tivoli (Weidende Herde), Jan F y t (Jagdstilleben), Jan. 
Veenix (Jagdbeute), Jan van der Meer der Jüngere 
(Weidende Herde), Saftleven (Die Flucht nach Aegypten). 
Andreas Achenbach (Abendlandschaft) und Franz Skar- 
b i n a (Weihnachtsmarkt in Berlin). Ein »Dudelsackpfeifer-.: 
w r eist auf David T e n i e r s den Jüngeren, in einer Venus mit 
Bacchantin glaubt man ein Werkstattbild Tizians zu er 
kennen. Eine genaue Wiederholung dieses Bildes befindet sich 
i:n Palazzo Durazzo Palavicini zu Genua, eine andere, etwas 
veränderte, in der alten Pinakothek zu München. Viele Bilder 
konnten leider nicht bestimmt werden. Das unvollendete Knie 
stück mit der Darstellung Kaiser Leopolds II., das unsere 
Abbildung (Eig. 1) zeigt, rührt von Friedrich Heinrich Füger 
her und hatte nur einen Vorbesitzer, den Vater des Erzherzogs, 
der, wie ein auf der Rückseite des Bildes augehefteter Zettel 
besagt, das Porträt im Atelier des Künstlers gekauft hat. 
Eine kleine Sehenswürdigkeit fiir sich bildet die Samm 
lung der Augsburger und Nürnberger Becher aus Edelmetall, 
darunter sehr erlesene Stücke aus Silber mit goldgetriebener 
Arbeit. Nicht minder wertvoll sind die Arbeiten der Nürnberger 
Schmiedekunst. Man sieht hier eigenartig geformte Tinten 
fässer und herrliche Türschlösser. Aus Schloß Toskana und 
Villa Toskana stammt das herrliche Porzellan, das gewiß 
heiß umstritten werden wird. Erwähnenswert ist eine Sevres- 
tasse (Eig. 2) mit detn farbigen Brustbild der Kaiserin. Maria 
Luise, den Initialen M. L. und zwei Kronen. Auf der Untertasse 
prangt der napoleonische Adler. 
Die Marke der Petersburger Manufaktur trägt Fig. 3. Die 
Gruppe besteht aus zwei jungen Gelehrten, von denen der eine 
dicht über einen Giobus geneigt ist, der auf einem säulenartig 
geschweiften Postament ruht, während der andere sitzend sinnt. 
Seine Linke ist in der Hüfte, die Rechte auf einen Säulen- 
stumpf gestützt. 
Die Vorliebe des Erzherzogs fiir Wachsbossie- 
rungen drückt sich in einer ganz stattlichen Zahl dieser heute 
sehr beliebten Kunstobjekte aus. Neben italienischen Arbeiten 
aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert finden wir da sehr schöne 
Wachsreliefs deutscher Provenienz aus dem 18. und dem Anfang 
des 19. Jahrhunderts. Keinem Geringeren als Aless. Abbon- 
d i o wird die Apostelbüste mit dem langen Bart zugeschrieben, 
die wir in Fig. 4 vorführen. 
Diese Aufzählung wäre aber sehr unvollkommen, wenn 
wir nicht die antiken Teller und Vasen, die zierlichen Dosen und 
Uhren, die wundervollen Rüstungen, die eigenartigen Waffen, 
Jagdgeräte und Geweihe erwähnen würden, die die Sammlung 
enthält. Um nur ein interessantes Stück hervorzuheben, sei atu 
die Vogelflinte (Fig. 5) verwiesen, die aus der Zeit um 1700 
stammt und deutsches Fabrikat ist. Es ist eine sogenannte 
Tschinke mit Schlagschloß und Kolben. Der Kolben ist mit 
zahlreichen Tierdarstellungen, Ranken und Kartuschenwerk in 
Bein und Perlmutter eingelegt; auf der eisernen Schloßplatte 
ist ein ruhender Hirsch mit Hirschkuh eingraviert, der Lauf 
tragt früher vergoldete Gravierung. 
Ein neuer altniederländischer Maler? 
Man schreibt uns aus Brüssel: 
In den »Nachrichten der belgischen königlichen Museen« 
veröffentlicht der bekannte Kunstschriftsteller A. J. Wauters 
eine Abhandlung über Die r ick Bouts den Jüngeren, 
die er mit sieben Gravüren belegt. Es handelt sich in diesem 
Artikel um nichts Weniger als um die Einführung eines neuen 
Namens in die Hämische Schule, und zwar will Wauters einen 
Mann entdeckt haben, der an die Seite der van Eyck, des 
Roger van der Weyden, der Zeitgenossen Dierick Bouts des 
Aelteren, gestellt werden müsse. Es ist nicht das erstemal, 
daß die Existenz dieses neuen Malers gemeldet wird, denn 
schon Antwerpener und Löwener Kunsthistoriker haben Zweifel 
daiüber bestehen lassen, ob alle Bilder, die dem älteren Bouts 
zugeschrieben werden, auch wirklich von ihm herrühren. Nur
	        
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