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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 22 
punkte aufklärend gewirkt haben und noch wirken. Wer ^ 
ihn aber gekannt hat und sich in persönlichem Umgang 
an seiner Laune, seinem Temperament erquicken durfte, 
mag in den Schriften den vollen Reiz seiner Natur ver 
missen. Lippmann schrieb ungern und schwer, er unter 
drückte die Originalität seines Geistes am Schreibtische 
mit dem.Ziele der Korrektheit und der wissenschaftlichen 
Objektivität vor Augen. Die literarische Produktion war 
nicht eine ebenso natürliche Aeußerung dieser tatkräftigen 
und beweglichen Persönlichkeit wie das Sammeln. 
Lippmann war, wenn nicht unfehlbar im Urteil, so 
üoeh sicher bis zur Genialität in Geschmacksfragen, so 
lange er sich in der Kunstwelt des 15. und 16. Jahrhunderts 
bewegte. Sein Verständnis stammte weniger aus müh 
samen Studien und Erfahrungen, denn aus angeborener 
Begabung und warmer Neigung. Dem 17. und 18. Jahr 
hundert stand er mit kühlerer Empfindung gegenüber, 
und dem 19. Jahrhundert mit Mißtrauen. Die Wohnräumt 
spiegelten den also gerichteten Geschmack des Hausherrn 
wider. Ueberreich mit Kunst gefüllt, wirkten sie har 
monisch, natürlich und behaglich, mit einer breiten, männ 
lichen Behaglichkeit. 
Lippmann kaufte nicht Meisternamen, sondern Kunst 
werke. Namen, erhielten die Bilder zumeist erst nach der 
Erwerbung. Ich durfte des öfteren bei der »Bestimmung«, 
helfen. Heute gehen die alten Bilder wie Wertpapiere 
um, die ohne Aleisterdeklaration keinen Kurs haben, und 
das natürliche Verhältnis des Sammlers zum Kunstwerk 
ist selten und ungewöhnlich geworden. Abergläubische 
Ehrfurcht vor Namen lenkt das Interesse vom Wesent 
lichen ab. Wirklich ist nicht einzusehen, weshalb das 
Bild, das ein mittelmäßiger Autor mit seiner 
Signatur versehen hat, mehr g'e 11 e n soll als 
die Arbeit eines tüchtigen Meisters, dessen 
Name verborgen ist. Das Vorurteil gegen anonyme 
Dinge ist ein Merkmal halben und unsicheren Verständ 
nisses. 
Wer sich den deutschen und niederländischen Bild 
werken und Holzskulpturen als Liebhaber oder Sammler 
nähert, muß die Sucht nach Meisternamen zu zügeln 
wissen. Mit den zwei oder drei bekannten Bildschnitzern 
kommt man nicht weit. 
Die seltenen und kostbaren Monumente der deutschen 
Malerei des 15. Jahrhunderts sind zumeist namenlos. Erst 
im 16. Jahrhundert trieb weltlicher Künstlerstolz, der Ge 
danke an Nachruhm viele Maler an, ihre Schöpfungen 
mit Signaturen zu versehen. Nun hat die Kunstforschung 
eine ganze Reihe von Persönlichkeiten entdeckt und hat 
ihnen Notnamen gegeben, da die wirklichen Namen nicht 
'zu finden waren. Die gleichsam maskierten Gestalten sind 
im Zuge der Maler des 15. Jahrhunderts zahlreicher als 
die mit offenem Visiere, die wir mit ihren rechten Namen 
ansprechen. Gewiß ist die Persönlichkeit mehr als der 
Name. Der Persönlichkeit aber fühlen wir uns erst sicher, 
wenn wir auf ihre zweite Schöpfung stoßen, wenn wir 
ihre Art wiedererkennen. Dieses Wiedererkennen und 
Entdecken schöpferischer Individualitäten ist eine Auf 
gabe, die viele Kunstkenner ganz in Anspruch nimmt. 
Schließlich aber sagt es nichts gegen den Wert und die 
Qualität eines Bildes, daß sein Autor nirgendwo wdeder- 
erkannt worden ist. Ja, w'enn die Sprache des Kunst 
werkes eines markant persönlichen Tons ermangelt, mag 
aas als Fehler gelten (immer übrigens nicht, da aus ge 
wissen Perioden Schöpfungen höchster Qualität für unser 
Auge unpersönlich erscheinen), aber offenbar sind es oft 
ganz andere Ursachen, als Mangel an individuellem Aus 
drucke, die das Wiedererkennen des Autors verhindern 
oder bis jetzt verhindert haben. 
Kein Verständiger wird das charaktervolle Doppel 
bildnis in der Lippmannschen Sammlung mit dem Datum 
1490 gering achten, w r eil wir den süddeutschen Meister, 
der gewiß für seine Zeit, seine Generation auf der Höhe 
stand, nicht kennen, sow-’eit nicht schon ein Werk seinen 
Schöpfer kennen lehrt. Und die »Wochenstube«, die offen 
bar um 1520 gemalt ist und mit der behaglichen Schilde 
rung eines traulichen bürgerlichen Wohnzimmers erfreut, 
kann nicht an Wert verlieren, falls der vorgeschlagene 
Meistername: »Hans von Kulmbach« sich nicht be 
wahren sollte. 
Die Anbetung der Könige ist dem »Meister des 
Heisterbacher Altars« zugeschrieben, der wohl 
aus der Schule Meister Wilhelms von Köln stammt, 
aber schon von der Formensprache Stephan Lochners 
berührt erscheint. Das Bild gehört nicht etwa zum 
Heisterbacher Altar. Dies ist schon deshalb unmöglich, 
w r eil die Anbetung der Könige in der Münchener Pina 
kothek unter den dort erhaltenen Resten dieses Altars 
nicht fehlt. Der Altar, zu dem die Lippmannsche Tafel 
einst gehörte, läßt sich w r ohl, wenigstens teilweise, Zu 
sammenstößen, da stilverwandte Tafeln in denselben 
Maßen zu Wiesbaden, München und Köln zu finden sind 
(vcrgl. Aldenhoven, Geschichte der Kölner Malerschule, 
S 164, wo unser Bild nicht erwähnt ist). 
Die beiden unter Cranachs Namen katalogisierten 
Tafeln gehören der früheren oder doch mittleren Zeit des 
Meisters an, also der guten oder besseren Zeit. Für das 
Studium der Cranachschen Kunst ist namentlich die Ge 
fangennahme Christi ein betnerkensw'ertes Dokument, ein 
mal wegen des Datums (1515), dann wegen der unge 
wöhnlich konsequent durchgeführten Nächtlichkeit der 
Szene. Ein niederländisches Vorbild zu solcher Ge 
staltung hatte Cranach vor Augen, wenn das Triptychon 
der Dresdener Galerie mit der dunkeln Gefangennahme 
Christi im Mittelbilde sich schon 1515 in der Schloßkirche 
von Wittenberg befand, wie angenommen wird. 
Von den niederländischen Bildern ist wohl 
keines im 15. Jahrhundert entstanden, sie stammen sämt 
lich aus jener kritischen, widerspruchsvollen und furcht 
baren Zeit zwischen 1500 und 1520, höchstens die An 
betung der Könige von Hieronymus Bosch könnte noch 
gegen Ende des 15. Jahrhunderts gemalt sein. Dieses Bild 
wird vielen Kunstfreunden als die Ueberraschung der 
Sammlung erscheinen. Man hat im allgemeinen so wenig 
Aussicht, diesen Meister zu finden, der ja selbst in der 
Londoner National Gallery, im Louvre, in Dresden und 
in München fehlt, der sich eigentlich nur im Eskurial 
offenbart. Ein wunderlicher Geist, mehr abergläubisch als 
fromm, mit scharfem Ton der Altarmalerei des 15. Jahr 
hunderts widersprechend, sah Bosch die Welt bevölkert 
mit Bosheiten und Teufeleien, und dichtete selbst Szenen 
kirchlicher Repräsentation in bewegte Tragikomödien um. 
Das genrehaft Menschliche und das geistreich erfundene 
Teuflische glückt ihm besser als das Göttliche (umgekehrt 
wie bei Fra Angelico). Man braucht die Anbetung der 
Könige in der Lippmannschen Sammlung nach der Kom 
positionsweise der Farbe und der Typen nur mit der ent 
sprechenden Darstellung im Prado, dem oft kopierten 
Hauptwerk Boschs, zu vergleichen, und w r ird die Richtig 
keit der Bestimmung erkennen. 
Den Namen »Dirk Veil er t« wird man nicht ohne 
Verwunderung in einem Gemäldekatalog finden. Dirk 
Vellert ist niemand anders als der hochgeschätzte 
Kupferstecher Dirk van Star, dessen richtigen Namen 
G. Glück vor einigen Jahren entdeckt hat. Der statt 
liche Flügelaltar mit der Anbetung der Könige im Mittel 
felde (Fig. 1), der aus der Wiener Sammlung Stäche in 
Lippmanns Haus gekommen ist, w-urde als das erste
	        
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