MAK
Nr. 24 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 375 
Oesterreichische Kunsttopographie." 
Von Michelangelo Baron Zois (Wien). 
Es ist etwas ganz Merkwürdiges um uns Oester 
reicher. Wir fahren in die Schweiz und haben Tirol, wir 
gehen nach Ostende, Rügen, Monte Carlo und haben 
die Adria. Wir jammern über die passive Handelsbilanz 
und kaufen ausländische Automobile, trotzdem unsere 
Industrie mindestens ebenso gute erzeugt. Wir verlangen 
vom Staate in allen möglichen Dingen die Initiative — 
macht er nichts, so wird fürchterlich geschimpft — macht 
er etwas, so herrscht ein großes Schweigen, so daß nie 
mand etwas davon erfährt. Es geht nicht nur mit der 
Karstaufforstung so — auch die Publikationen, die auf 
verschiedenen Gebieten vom Staate, sei es herausge 
geben, sei es gefördert werden, und die im Auslande als 
Muster, als Standardwerke gepriesen werden, bleiben so 
gut wie unbekannt. Wenn es sich dabei um Werke 
handelt, die sich infolge ihres Inhalts nur an einen kleinen 
Kreis wenden, so begreift man das. Weniger begreiflich 
aber ist es, wenn der Interessentenkreis ein gewaltiger 
ist, wenn die Publikationen von den immer größere Be 
achtung findenden Bestrebungen der Denkmalpflege 
und des Heimatschutzes getragen werden, wie dies bei 
der Kunsttopographie der Fall ist. 
Wir haben schon mehrfach auf diese von der 
Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien heraus 
gegebenen, bei Anton Schroll & Co. in Wien in Kom 
mission erscheinenden Bände hingewiesen, die eine un 
geheuere Fülle von Material enthalten, und durch die 
genauen Bestimmungen der einzelnen Objekte nicht bloß 
für den zünftigen Kunsthistoriker von Wert sind, sondern 
auch dem Sammler von wesentlichem Nutzen sein 
können. 
In stiller Arbeit ist Band um Band erschienen. Es sind 
nun bereits neun, zwei weitere sind in der Presse und 
dürften vor Ablauf des Jahres erscheinen, so daß Ende 
1912 elf Bände erschienen sein werden, von denen sieben 
sich mit Niederösterreich, vier mit Salzburg beschäftigen. 
Es ist ein ungeheueres Material in denselben aufge 
sammelt, das für die Kunst-, die Ortsgeschichte, für die 
Feststellung des Bestandes von größter Bedeutung ist, 
das aber auch sonst viel zu erzählen weiß. Vor allem wird 
man sich darüber klar, daß unser in allen Kunstge 
schichten so stiefmütterlich behandeltes Oesterreich eine 
ganz unglaublich große Anzahl von Kunstwerken auf 
weist, daß die spätgotische Kunst und die Barocke 
Gipfelpunkte in unserer kunstgeschichtlichen Entwicklung 
sind, und daß, wer die Augen öffnet, überall in der Heimat 
Schönes finden kann. 
Wenn wir nun zu den einzelnen Bänden übergehen, 
so sei erwähnt, daß der politische Bezirk Horn zw'ei 
Bände erforderte. Der erste Band umfaßt die Gerichts- 
bezirke Eggenburg und Geras, zw ei Namen, die allein ein 
Programm bedeuten. Denn der Kern von Eggenburg ist 
die Pfarrkirche, deren Kanzel so sehr an jene von St. 
Stephan erinnert, und das Krahuletzmuseum. Von Belang 
ist ferner Drösendorf mit der Sammlung Kiesling und 
den alten Stadtmauern, die einstens Geschichte gemacht 
haben, während der Geraser Bezirk sich um das Stift 
Geras aufbaut. Interessant sind die Aufnahmen in der 
Stadt Eggenburg, in Schloß Drosendorf u. s. w. 
Der zweite Band umfaßt den Gerichtsbezirk Horn. 
Hervorzuheben ist hier St'ft Altenburg, in Horn selbst 
das gemalte Haus; sehr schöne Bilder sind in Schloß 
* Band V. Horn. VI. Waidhofen a. d. Th. VII. Stift Nonti- 
berg in Salzburg. VIII. Zwettl. IX. Die kirchlichen Denkmaie 
der Stadt Salzburg. 
Horn, einem Besitze der Grafen H o y o s, denen auch 
Schloß Rosenburg gehört, das ebenfalls eingehende 
Würdigung findet. Eine Ueberraschung sind die gemalten 
Scheiben der Pfarrkirche in Thunau. Sie stammen aus 
dem XIV. Jahrhundert. Höchst interessant ist auch 
Schloß Greilenstein, Eigentum Sr. Erlaucht des Grafen 
K u e f s t e i n. 
Schon aus diesen wenigen Zeilen lassen sich die 
großen Kulturfaktoren der Vergangenheit, die Tätigkeit 
des Klerus, des Adels und der Bürger erkennen, so daß 
man sagen kann, sie hätten dem politischen Bezirke eine 
eigene Physiognomie gegeben. 
Band VI, die Denkmale des politischen Bezirkes 
Waidhofen a. d. Thaya umfassend, zeigt uns 
Schloß Dobersberg mit einem schönen Jugendbilde 
unseres Kaisers von Kriehuber, den malerischen Hof 
von Burg Karlstein, die von Zoller mit Fresken ausge- 
rnaltc Pfarrkirche in Rlumau, das Grabmal in der Kirche 
zu Groß-Sicgharts, die Ruine Kolmitzgraben, die Stadt 
Waidhofen selbst. Der ganze Bezirk ist mit Kunstdenk- 
nialen relativ weniger bedacht als andere, aber auch er 
birgt genug des Interessanten. Allerdings läßt er sich 
mit Band VII, die Denkmale des adeligen Benediktiner- 
Frauenstiftes Nonnberg in Salzburg, nicht vergleichen. 
Schon der Umstand, daß der ganze stattliche wie die 
beiden vorhergehenden, von Dr. T i e t z e bearbeitete 
Band einem einzigen Stifte gewidmet ist, verrät, wie viel 
hier vorhanden sein muß, und es ist tatsächlich fast un 
glaublich, wie viel sich hier trotz der Stürme der Zeiten 
erhalten hat. Man weiß kaum, wo man beginnen, ob 
man zuerst auf die herrliche Kirche, oder auf die um 1150 
entstandenen Fresken hinweisen soll, ob die Skulpturen 
oder die Metallarbeiten, von diesen wieder die Mon 
stranzen, die Tassen, oder das Büstenreliquiar der heiligen 
Erentrud von 1316, oder die Reliquientafel zuerst zu 
nennen seien. Man findet das Pastorale von 1451, den 
Ealtstuhl der Aebtisin, Altäre, Stiche, minierte 
Bücher, Tapisserien, Meßgewänder, Reliquien, Möbel, 
Geschirr, Jesukindlein, archtitektonische Details — und 
freut sich dessen, daß diese Herrlichkeiten noch da — und 
in kirchlichem Besitze daher gesichert sind. 
Der von Dr. Paul B u b e r 1 bearbeitete Band VIII, 
die Denkmale des politischen Bezirkes Z w e 111, zerfällt 
in zwei Teile: »Der Gerichtsbezirk Allentsteig« und »Die 
üerichtsbezirke Groß-Gerungs und Zwettl.« Der Gerichts 
bezirk Allentsteig erhält seine Marke aber nicht so sehr 
durch das Schloß Allentsteig und durch die anderen 
Schlösser, als durch das gräflich Lambergsche Schloß 
Ottenstein, das seit 1536 im Besitze der Familie ist. Als 
größter Schatz erscheint mir die lange Reihe von Eami- 
lienbildnissen, die fast durchweg von tüchtigen Meistern 
herrühren. Außerordentlich gut sind die Porträts des 
Johann Philipp Graf von Lamberg und einer Gräfin 
Isabella von Rosenberg, beide von unbekannten Meistern 
um 1670, beziehungsweise 1700. Hoffentlich wird bei dem 
Fortschreiten der Kunsttopographie diese Bezeichnung 
»unbekannter Mieister« immer seltener werden. 
Höchst interessant ist das attische Hekataion, das 
bis 1850 in einer Wegkapelle als Mutter Gottes verehrt 
wurde. Von Belang - ist die schöne Waffensammlung. 
Neben Ottenstein vermag sich Schloß Schwarzenau nur 
mit Mühe zu behaupten. 
Im zweiten Teile tritt die Pfarrkirche von Groß- 
Gerungs hervor, dann aber Schloß Rappottenstein, das 
sich im Laufe der Jahrhunderte nur wenig geändert hat
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.