Nr. 3
Internationale Sammler-Zeitung.
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Den aus der Didotschen Sammlung stammenden
dritten Kodex, der die VIII. Enneade mit 108 Federzeich
nungen enthält und 1534 bis 1535 geschrieben wurde,
konnte ich zur Vergleichung nicht heranziehen, ich kenne
von ihm nur das Faksimile einer Zeichnung im Katalog 34
c!er Firma .lacques Rosenthal in München; diese
Zeichnung ist ein genaues Gegenstück zu derjenigen auf
Blatt 148 der Karlsruher Handschrift.
Wenden wir uns nun zu den Holzschnitten in
Murners Dichtungen ') und vergleichen wir sie mit diesen
Federzeichnungen. Murners Stileigcntümlichkeiten finden
wir überall wieder, wenn sie auch oft durch die Hand
des Form Schneiders zum Teil verwischt sind. Das Buch
Von dem großen Lutherischen Narren er
schien 1522 bei Grüninger in Straßburg; man vergleiche
den Landsknecht vor dem Kloster auf Bl. VIII
(Fig. 1) des Lutherischen Narren, und den auf seinen
im Stil in die Augen springend. Man achte auf die Aehu
lichkeit in der Komposition, auf die Behandlung der
Dächer der Gebäude, der Gesichtszüge der Personen und
besonders ihrer Hände. Ich glaube, aus diesen wenigen
Proben geht klar hervor, daß die Zeichnungen zu dem
Lutherischen Narren ebenfalls -von Murner sind.
Und. nun vergleichen wir die Holzschnitte des Luthe
rischen Narren mit den Abbildungen in den früheren Dich
tungen Murners. Man vergleiche das bereits erwähnte
Blatt, den Kirchenraub aus dem Lutherischen Narren
(Fig. 3) mit dem Holzschnitt Eurialus und Lucretia von
Murners Gäuchmatt (Basel 1519) (Fig. 5) + ) und beachte
besonders die Zeichnung der Beine; zugleich vergleiche
man die Behandlung des Kostüms in diesem Blatt der
Gäuchmatt mit derjenigen des Landsknechtes vor
dem Kloster im Lutherischen Narren (Fig. 1). Man
lege ferner nebeneinander das Titelbild der Mülle von
Stab gestützten Hirten, der die Wölfin j
mit Pomulus und P e m ü s find et, auf BL 41.v
der Karlsruher Handschrift (Fig. 2;; oder den Holzschnitt
auf Bl. VIII v, die Zerstörung einer K' r c h e und
den Raub von Reliquien (Fig. 3) darstellend, aus '
dem Lutherischen Narren mit der Handzeichnung auf
Bl. 162 der Karlsruher Handschrift, T a r q u i n i u s z e r-
stört Suessa (Fig. 4); wenn wir abziehen, was auf
Rechnung des Formschneiders kommt, is f die Gleichheit
3 ) Genügendes Vergleichungsmaterial geben folgende
Werke: Kristeller P.. Die Straßburger Bücherillustration. Leip
zig 1888. — Sondheirn M„ Die ältesten Frankfurter Drucke.
Frankfurt 1885. — Deutsche Drucke ausgew. v. W'. Scherer ;
(Murners Schelmen Zunft). Berlin 1881. Murners Baden- |
fahrt von E. Martin. Straßburg 1887. — Murners Mühle von :
Schwindelsheim. Zwickau 1910. — Murners Lutherischer Narr I
(Kürschners Deutsche Nationalliteratur, XVII, 2).
Schwyndelszheym (Sträßburg 1515) im Zwickauer
. t
4 ) Die Illustrationen zur Gäuchmatt hoffe ich bei anderer
Gelegenheit eingehender zu besprechen. Murner hatte das Ge
dicht schon 1514 in Sträßburg vollendet und verkaufte das
Manuskript ati den Drucker Matthias Hupfuff für vier Gulden,
aber die Straßburger Zensur hintertrieb den Druck. Bei seinem
Aufenthalt in Basel ließ cs Murner 1519 bei Adam Petri er
scheinen. Das Buch enthält einige schöne Holzschnitte, die
Ambrosius Holbein zugeschrieben sind (Woltmann, Holbein,
II, S. 210, 18 bis 21), wie mir scheint, Umarbeitungen von
Murnerschen Zeichnungen. Ich vermute, daß alle anderen
Zeichnungen in derselben Weise für das Buch umgearbeitet
werden sollten und dies durch den Tod des Ambrosius Hol
bein verhindert wurde. Infolgedessen wurden die übrigen
Zeichnungen Murners mit geringen Aenderungen von einem
Formschneider ausgeführt, der auf einigen Blättern sein Mono
gramm C A angebracht hat. (Vgl. die Notiz D. Burckhardts in
Murners Gäuchmatt, herausgegeben von W. Uhl, Leipzig 1896.
S. 267.)