Nr. 4
Internationale Sammler-Zeitung.
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kgl. Hof- und Staatsbibliothek hat eine wertvolle Neuerwerbung
gemacht. Sie hat nämlich den bibliographischen Nachlaß von
Karl Christian und Eduard von Riedel erworben, der eines der
Glanzstücke des von d"r LentnerschetiBuchhändlung(E'.StähO
in München ausgegebenen Antiquariatskataloges »Ribiiotheca
Bavarica, 2. Folge«, bildete. Eine ungeahnte Fülle von Büchern,
Handschriften, historischen Darstellungen, Porträts und Auto
graphen zur politischen und Kulturgeschichte Bayerns ist in
diesem Kataloge zusammengetragen, der jedem Bavarica-Sammler
als ein Werk von dauerndem Werte sich darbietet.
(Eine Humboldt-Bibliothek.) Die Firma Josef
B a e r & Co. in Frankfurt a. M. versendet den Katalog einer
Humbold't- Bibliothek, die wie die in der vorigen
Nummer besprochene Spinoza-Bibliothek (s. S. 42), ebenfalls nur
als Ganzes abgegeben werden soll. Die Sammlung weist 178
Stücke auf und setzt sich aus den diversen Ausgaben der Werke
Humboldts, aus dem Briefwechsel des Gelehrten und der Lite
ratur über dessen Leben und Schriften zusammen. Besonders her
vorgehoben sei ein vollständiges koloriertes Exemplar des
großen Reisewerkes Humboldts, das bekanntlich zu den größten
Seltenheiten gehört. Es stammt aus dem Besitze der Prinzessin
1. u i s e der Niederlande, geborenen Prinzessin von
Preußen. — Der Preis der ganzen Sammlung ist 9000 Mark.
Bilder.
(Die beiden Gräfinnen P o t o c k a.) Das Bildnis
der Gräfin P o t o c k a gehört zu den weltbekannten Frauen
bildnissen. Dieses Pastellbild ist eine der frühen Arbeiten des in
Westeuropa kaum bekannten Salvatore T o n c i, der sich zur
Regierungszeit Pauls I. in Rußland aufhielt und dort zahlreiche
Bildnisse inalte. Der Ruhm Toneis haftet aber in erster Reihe
an dem in Berlin befindlichen Bildnis der »Gräfin Sofia Po-
tocka, genannt die schöne Fanariotin«. Diese Bezeichnung ist
jedoch, wie Baron N. N. W r a n g e 1 nachweist, falsch. Nach
Mitteilungen, die der Baron vom Grafen G. S. Stroganow
erhalten hat, ist die dargestellte schöne Frau allerdings eine
Gräfin Potocka, doch hat sie mit der berühmten Griechin, die
politische Zwischenträgerin war und durch ihre Schönheit sogar
den verwöhnten Potemkin zu fesseln vermochte, nichts ge
meinsam. Tonci hat vielmehr das Bildnis der Gräfin Helene,
geb. Fürstin Massaiskaja, gemalt, die ihre Hand dem Grafen Vin
zenz P o t o c k i reichte und später mit dem Fürsten v. L i g n e
verehelicht war. Gräfin Sophie, die schöne Fanariotin, war
Gattin des Grafen Felix P o t o c k i. Fin Vergleich des Tonci-
sclien Bildnisses mit dem authentischen Bildnis der Fanariotin
in der Sammlung der Gräfin J. W. Schuwalowa ergibt, daß es
sich um zwei verschiedene Personen handelt. Das Bildnis
im Berliner Kupferstichkabinett trägt auf der Rückseite die In
schrift: »Sofia Gräfin Felix Potocki: frühere . Generalin Wit.
Griechin, geb. zu Konstantinopcl 1766, gestorben zu Berlin d.
23. November 1822. Tonci.« Baron Wrangel meint, die Inschrift
könne nicht von Tonci herrühren, da sie nicht seine Handschrift
zeige und die Schriftzüge nicht den Charakter der Zeit auf
wiesen. In letzterer Beziehung irrt sich jedoch, wie der »Berliner
Börsen-Courier« bemerkt, Baron Wrangel durchaus; die Schrift
züge tragen tatsächlich den Charakter der Zeit der 1820er und
1830er Jahre. Das Bildnis der Fürstin von Ligne ist wohi das
einzige Werk Toncis, das in Westeuropa bekannt geworden ist.
Handschriften.
(Neue Shakespeare-Funde.) Dem französi
schen Professor F e u i 11 e f a t von der Universität Rennes
ist es gelungen, eine Reihe bedeutsamer Dokumente zu ent
decken, die nach einem soeben erscheinenden Bericht der
»Era« wichtige Aufschlüsse über das berühmte alte Black
friars Theatre vermitteln. Der bekannte englische Shake
speare-Forscher Halliwell Philipps hat für das öffentliche
Blackfriars Theatre das Jahr 1596 angenommen. Bei der
Durchforschung der Loseley-Handschriften hat Professor
Feuillerat jetzt jedoch bisher unbeachtete Dokumente gefun
den, aus denen unzweideutig hervorgeht, daß schon zwanzig
Jahre früher in Blackfriars ein Privattheater bestanden hat.
Aber die aufgefundenen Handschriften bringen der Shake
speare-Forschung noch weiteres Material, nämlich eine Fülle
interessanter Einzelheiten über das Theater selbst und über
die Bühnen und Persönlichkeiten, die mit ihnen in Verbindung
standen. Der Fund Prof. Feuilierats zeigt von neuem, daß die
Wissenschaft wertvolle Aufschlüsse erhalten würde, wenn die
reichen Manuskriptschätze des Riccord-Office gründlich klassi
fiziert werden.
Numismatik.
(Das Münz werk des Königs Viktor E m a-
nuel III.) Von dem »Corpus Numniorum Italicorum«, detn
großen Münzwerke, das König Viktor Emanuel III., unter
stützt von den bedeutendsten Numismatikern Italiens, heraus
gibt, ist eben der zweite Band erschienen, der auf 506 Seiten
und 48 Bildertafeln die in Piemont, Sardinien und in den auswär
tigen Münzstätten des Hauses Savoyen geprägten Münzen des
Mittelalters und der Neuzeit darstellt. Den Ertrag des Bandes,
der 6.0 Lire kostet, hat der König der Nationalanstalt für Be
amtenwaisen und der Italienischen Numismatischen Gesellschaft
gewidmet.
(Münzäuktion in Frankfurt a. M.) Wir haben
schon auf die bevorstehende Auktion der !. Abteilung der Münz
sammlung Paul Joseph durch der. Experten Leo Hambur
ger aus Frankfurt a. M. hingewiesen. Der uns nun vorliegende
Katalog bestätigt, was mail in Fachkreisen schon lange wußte:
daß Joseph eine ganz außerordentliche Sammlung zusammen
brachte, Die erste Abteilung, die sich auf Süddeutsch-
1 a ii d und Luxemburg beschränkt, umfaßt nicht weniger als
4665 Nummern. Wir möchten besonders hervorheben die jüngeren
Wetterauer Königsbrakteaten, die Gemeinschaftsmünzen der
Bischöfe von Regensburg und der Herzoge von Bayern, die
Prägungen aus der. Münzstätte der Bischöfe von Straßbürg,
die Münzen von Lindau, Colmar, Ensisheim, Hagenau etc. Unter
den Münzen von Mainz befindet sich unter anderem ein Sterling
von König Sigismund, die einzige bekannte Münze der Stadt
Mainz, die Ende 1419 von Sigismund für die Dauer seiner
Lebenszeit das Münzrecht erhalten hatte. Bei der Reichhaltigkeit
der Sammlung ist jedem Spezialsammler Gelegenheit geboten,
seine Serie zu ergänzen.
(W. W r o t h.) Der hervorragende englische Numismatiker
W. W r o t h vom British Museum, einer der ersten Kenner
der griechischen und byzantinischen Numismatik, ist. wie
man uns mitteilt, 53 Jahre alt, gestorben.
(Stiftung einer R a i n e r - P r e i s - M e d a i 11 e.)
Im Jahre 1912 feiert die k. k. Zoologisch-botanische Gesellschaft
in Wien das fünfzigjährige Jubiläum des Protektorates des Erz
herzogs R a i n e r. Der Ausschuß der Gesellschaft hat beschlossen,
aus diesem Anlasse eine Medaille prägen zu lassen, deren erstes
Exemplar ihrem Protektor anläßlich des Jubiläums überreicht
wird und in Zukunft alle zwei Jahre für besonders verdienstliche
Leistlingen auf dem Gebiete der Zoologie und Botanik verliehen
werden soll. Die Vergebung wird durch eine internationale, aus
hervorragenden Fachmännern bestehende Kommission erfolgen,
und es ist beabsichtigt, dabei insbesondere jüngere Forscher zu
berücksichtigen. Die ersten beiden Medaillen werden schon im
Jahre 1912 zur Verleihung kommen, und zw r ar eine an einen
Zoologen und eine an einen Botaniker. Die Ausführung der Me
daille wurde der Bildhaueriu Johanna Meier- Mich ei von
der Vereinigung bildender Künstlerinnen Oesterreichs übertragen.
Erzherzog Rainer hat der Künstlerin bereits zweimal zur Aus
führung des Porträts Sitzungen gewährt.