Nr. 4
Internationale Sammle r - Z e i t n n g.
Seite 61
eine stellt zwei junge Prinzen mit ihrem Schwesterchen —
hinter einer Balustrade aufgereiht —, das andere eine jugend
liche, sitzende Mutter, an deren Knie sich zwei Kinder
schmiegen, dar. Allem Anschein nach haben wir es hier mit
zwei Leipziger Arbeiten zu tun. Für die eine kommt Georg
Emanuel Opitz, für die andere Daniel Gaffe in Betracht.
Die im gleichen Schaukasten untergebrachten Dosen mit
Lack- und Emailmalerei sowie verschiedene Schmuckstücke,
Broschen, Nadeln, Medaillons etc., zeigen die Miniatur im
Dienste des Kunstgewerbes.
(W crtvolle alte Landkarte n.) Bei Gelegenheit
seines Vortrages, den Herzog Adolf Friedrich zu
Mecklenburg am 13. v. M. in der Gesellschaft für Erd
kunde in Berlin hielt, konnte er vier durch Alter, Seltenheit
und wissenschaftliche Bedeutung hervorragende Landkarten
Vorlegen. Ihr Besitzer ist der Prinz Ulrich von Schön-
burg-Waldenburg auf Schloß Guteborn bei Ruhland
(preußische Lausitz). Sie sind in Kupferstich hergestellt, kolo
riert und stammen meist aus dem bekannten Amsterdamer
Kartenverlag des 17. Jahrhunderts Willem Janzson Blaeu
(1620 bis 1630). Die Weltkarte enthalt Gradnetz nebst Kom-
paßlinien. Für Amerika und Australien sind nur die zur Zeit
bekannten Gebiete eingetragen, nicht Hypothesen, wie es auf
vielen Karten jener Zeit der Fall zu sein pflegt. So fehlt der
Nordwesten Nordamerikas, Kalifornien ist als Insel angegeben;
ebenso fehlt die Ostküste Australiens. Handels- und Kriegs
schiffe sieht man auf den Ozeanen. Dazu astronomische Dar
stellungen. Die Karte, deren Herausgeber sich als Frederick
de W i t bezeichnet, trägt einen ausführlichen geographischen
Text in niederländischer, in französischer und in englischer
Sprache. Einen lateinischen, französischen und niederländi
schen beschreibenden Text haben auch die drei weiteren
Karten, auf denen auch Völkertypen erscheinen. Sie sind alle
drei aus der Blaeuschen Offizin hervorgegangen. Auf dem
Blatte, das Amerika darstellt, ist insbesondere der spani
sche Anteil im Detail angegeben, aber auch Francis Drakes
Entdeckungen im Nordwesten sind arigedeutet. Auf zwei
Nebenkarten sind die Nord- und die Südpolarländer darge
stellt. Ein Schmuck der Karte sind die Porträts der ameri
kanischen Entdecker von Coiumbus bis Drake. Als Autor der
sehr im Detail gegebenen Karte von Asien ist der Amster
damer Kartograph Claes Janszoon Visse her angegeben.
Auf dem Blatte Afrika interessiert namentlich die Dar
stellung des Nil und des Kongo nebst ihren Zuflüssen; die
Namengebung ist meist portugiesisch. Als Stecher dieses
Blattes ist T. van den Ende genannt. Alle diese Karten sind
bisher nirgends in der Literatur oder in den Museumskata
logen erwähnt; sie sind für die Geschichte der Kartographie
von großem Werte.
(P i e r p o n t Morgan-s Kunstsammlung.) Man
berichtet aus London: Die außerordentlich reichen Kunst
schätze, die Pierpont Morgan seit vielen Jahren im Viktoria-
and-Albert-Museum in South-Kensington aufbewahren läßt, und
die man auf eine Million Pfund Sterling schätzt, werden jetzt
von ihrem Besitzer zurückgezogen und nach Amerika geschafft.
Das. hat in London Trauer und Aerger hervorgerufen. Und ein
paar der Verwaltung des Museums übel gesinnte Zeitungen unter
stellen, daß Pierpont Morgan seinem Aerger über mangelnde
Sorgfalt bei Aufstellung seiner Kunstschätze durch die Verwal
tung des Museums, durch die Entfernung seines Besitzes Aus
druck gebe. Die Verwaltung hat sich gerechtfertigt und die Se
kretäre Pierpont Morgans haben erklärt, daß von einer Nach
lässigkeit der Museurnsverwaltung keine Rede sein könne, Pier
pont Morgan war vielmehr entzückt gewesen über die Sorgfalt,
mit der die Museumsverwaltung seine Kunstschätze verwaltete.
Dann wurde die Vermutung ausgesprochen, und Pierpont Mor
gan bestätigte diese Vermutung selbst, daß der amerikanische
Milliardär seine Kunstschätze zurückziehe, damit sie nicht etwa
nach seinem Tode in England wären, und so seine Erben ge
zwungen wären, ungeheure Erbschaftssteuern zu zahlen, wenn
sie in den Besitz der künstlerischen Erbschaft gelangen wollten.
Aber Lloyd George und aridere gesetzkundige Männer haben er
klärt, daß. ja Kunstschätze von einer Erbschaftssteuer ausge
schlossen seien, so lauge die Sammlung nicht verkauft würde.
Zu einer bindenden Erklärung hat man sich aber doch nirgends
aufgeschwungen. Schließlich wurde gesagt. Pierpont Morgan
habe seine Kunstschätze bis jetzt in Europa gelassen, weil er
nicht den ungeheuren Einfuhrzoll, den Amerika von mehr als
zwanzig Jahren alten Kunstwerken erhebt, zahlen wollte. Dieser
Zoll ist jetzt bekanntlich gefallen. Und nun kann Pierpont Morgan
ohne finanzielle Opfer seine Kunstschätze um sich versammeln,
was er eben tut. Auf jeden Fall beginnt die höchst schmerzliche
Auswanderung bereits am nächsten Montag mit der Fortnahme
der Emaillekunstwerke, denen die Silberschmiedearbeiten folgen
werden. Das South-Kensington-Museum wird, wenn Morgans
Kunstschätze fort sein werden, fürchterliche Lücken aufweisen
und fast leer erscheinen.
(Der überängstliche A n t i q u i t ä t e n h ä n d-
1 e r.) Die folgende niedliche Geschichte erzählt der Brüsseler
»Soir«: Kürzlich betraten drei deutsche Herren den Laden
eines sehr bekannten Brüsseler Antiquitätenhändlers und
machten bedeutende Einkäufe an alten Waffen, Miniaturgernäl-
den und Schmuck, die sie mit der Rechnung an einen Herrn
Beitel, Place Sablon Nr. 8, zu senden baten. Dem Antiquitäten
händler, der nie in Brüssel von einem Herrn Beitel gehört
hatte, kam die Sache verdächtig vor und er schärfte seinem
Boten größte Vorsicht ein, die wertvollen Sachen nicht ohne
Zahlung abzuliefern. Seine Besorgnis war jedoch grundlos,
denn Herr Beitel war Kammerdiener im Palais des Herzogs
von Arenber g, und der Käufer Prinz Adalbert von
Preußen, der beim Herzog für einige Tage zu Gaste war.
(Die kuns.t historischen Streichholz
schachtel n.) Also endlich, endlich sind sic da, so schreibt
der »üaulois«, endlich haben wir sie, diese koketten neuen
Streichholzschachteln, die mit den Bildnissen der berühmte
sten Meister der Kunstgeschichte geschmückt sind, Rubens und
van Dyck, Fragonard rivalisiert auf der Zündholzschachtel au
Grazie mit Watteau, Teniers erzählt uns von ländlichen
Festen und Bauernbälien: eine ganze Welt von Farben strahlt
uns entgegen, ehe wir dem so reizvoll geschmückten Behälter
das Wachszündhölzchen entnehmen. Die Sammlung ist sehr
reichhaltig, aber ach, trotz aller unserer Nachforschungen,
eines haben wir nirgends finden können: die Gioconda, die
Mona Lisa mit dem Rätsellächeln. Schon vergessen? Die alten
Schachteln nehmen sich neben unseren neuen ein wenig
»rokokohaft« aus. aber bald wird ihr Vorrat erschöpft sein,
utid unsere Tabakverkaufstellen werden zu Nationahnuseen.
(Pfahlbaufunde im H a 11 w y 1 e r s e e.) Wir lesen
im Berner »Bund«: Die auf Anregung eines Herrn Böschen
stein aus Stein a. Rh. neulich erfolgte planmäßige Unter
suchung des Seegrundes zwischen »Seerose« und »Aesch« am
Hallwylersee hat das Vorhandensein einer großen Pfahlbaute
ergeben. Die vielen Pfähle aus Rundholz befinden sich zwar
immer noch bis zu drei Meter tief unter Wasser; trotzdem
ergab sich eine reiche Ausbeute an Steinbeilen, Meißeln und
Schabern, darunter besonders prächtige Exemplare aus Jadeit.
Nephrit u. s. w. Sodann wurden auch angefangene Beile mit
Sägeschnitt und anderes zutage gefördert. Weiters wurden
Mühlsteine, Feuersteingeräte, Topfscherben, Hirschhornknocheu
und anderes mehr sowie auch das Horn eines Ur, oder des von
ihm abstammeuden Rindes der Primigenius-Rasse gefunden,
welch letzteres in der jüngeren Steinzeit gezähmt wurde. Eine
weitere, kleinere Niederlassung ist in der Nähe der »Seerose«,
etwa 30 Meter vom Ufer entfernt, in einer Tiefe von 1% bis
2% Meter. Hier wurden einige Beile, Meißel, Knochen und
Topfscherben gefunden. Nach den Funden gehören die beiden
Niederlassungen der zweiten Periode der jüngeren Stein
zeit an. datieren also ungefähr um 4000 Jahre zurück.
(Funde aus derSteinzeit.) Aus H a 11 e a. S. wird
gemeldet: Zwei Häuser aus der jüngeren Steinzeit, die ein
besonders klares Bild von der Wohnstätte jener Periode bieten,
hat Professor Dr. Schuchardt vom Berliner Völkermuseuni
in Lißdorf (Regierungsbezirk Merseburg) ausgegraben. Da
durch wird die Annahme als irrig erwiesen, daß die Menschen
der jüngeren Steinzeit in Gruben gewohnt hätten. Die Menschen
damals bauten sich vielmehr regelrecht ihr Haus, indem sie