Seite 82
Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 6
solche Zartheit der Einzelformen gegeben, daß die Arbeit
zu den schönsten Stücken der Sammlung gerechnet wer
den muß. Zwei äußerst seltene Stücke aus der italienischen
Porzellanfabrik zu C ap o di Monte, Gruppen, etwa
mn 1730 verfertigt, verdienen besondere Beachtung.
Auch englisches Porzellan ist namhaft vertreten: außer
einer prachtvollen Teegarnitur in zartem Blau und Weiß,
von Adams stammend, sei ein für die Musiker sehr
merkwürdiges Wedgewoodrelief hervorgehoben: es zeigt
den porträttreuen Kopf Mozarts, aber ohne
Zopf (!) und mit der anglisierten Unterschrift »Mozard«.
Durch sehr schöne Teller und Schalen sind die Fabrik von
Tournay und die Delfter Manufaktur repräsentiert.
Endlich findet sich auch echt chinesisches Por
zellan in der Sammlung, und zwar zwei Exemplare der
sogenannten »Hunde des Fo« aus dein 16. Jahrhundert,
und mehrere Schüsseln. Zwei dieser chinesischen Schüs
seln haben ein ganz besonderes Interesse gerade für
uiese Sammlung: es sind nämlich die Originale zu Arbeiten,
nach denen die Kopien in der Wiener Porzellanmanu
faktur hergestellt worden sind. Auch die Kopien besitzt
Vizekonsul Weißberger und man sieht mit Ueber-
raschung, wie der Dekor der beiden nebeneinander ge
hängten Schüsseln trotz der unverkennbaren Gleichheit
in der Auffassung des Wiener Malers einen ganz ver
schiedenen Charakter angenommen hat.
Und nun zu den A 11 w i e n e r Porzellanen.
Man kennt die merkwürdige Geschichte der Wiener
Porzellanmanufaktur, ihre Begründung durch Du Paquier,
ihre verheißungsvollen Anfänge, die mancherlei Fähr-
lichkeiten, die sie unter einer nicht immer verständnis
vollen Oberaufsicht durch die Behörde zu überstehen
hatte, den glänzenden Aufschwung, der ihre Welt
berühmtheit begründete, und endlich die tief zu be
dauernde Auflassung. Schon die früheste Zeit ist bei
Weißberger durch mehrere, anderwärts nicht mehr vor-
kommende Stücke vertreten. Da ist zunächst eine große,
sechsseitige Schüssel mit abgekanteten Ecken, deren
Dekor — ein Blütenbaum mit Vögeln — sich über die
ganze Fläche erstreckt. Der gleichzeitig von den Fa
briksmalern verwendete japanische Blütendekor findet
sich bei Weißberger auf einer merkwürdigen, in Form
eines geöffneten Fächers gehaltenen Schale, die Dekor in
Unterglasurblau und Ranken aufweist und eine imitierte
chinesische Marke auf der Rückseite besitzt. Die dritte,
damals bei Du Paquier verwendete Dekorationsart mit
deutschem Blumenmuster findet sich auf einer Tee
büchse, wie die eben genannten beiden anderen Stücke
ein Unikum. Die Büchse hat die Form einer vierseitigen,
oben abgerundeten Flasche mit engem Hals und steht auf
vier niedrigen rechteckigen Klötzchenfüßchen. Besonders
bemerkenswert sind zwei in die Seiten eingelassene
Reliefmedaillons mit Bildnissen Kaiser Karl VI. (kopiert
nach einer von Becker geschnittenen ovalen Medaille)
und der Kaiserin Elisabeth Christina (nach der um 1715
entstandenen geschnittenen Eisengußmedaille von
Weron). Die beiden anderen Seiten zeigen in Relief je
ein rundes Zifferblatt mit den beiden Zeigern in senk
rechter Haltung. Die Zwickel an beiden Seiten sind durch
Chrysanthemumrosetten in Relief geziert. Bemalt ist die
Fläche, wie gesagt, mit bunten, deutschen, mageren
Blütenzweigen. (Vgl. Braun-Folnesics, Altwiener Por
zellan, S. 34 und 198.) Noch ein kostbares Stück weist
in die Zeit Du Paquiers: eine sogenannte Callot-
f i g u r, ebenfalls ein Unikum. Solche kleine groteske Fi
guren wurden in Meissen schon vor 1720 noch in der
Pöttgerzeit hergestellt; sic hatten ihre Vorbilder zum
Teil in holländischen Stichen. In Wien wurden sie als
Einzelfiguren nicht vor den letzten Jahren Du Paquiers
modelliert. Weißbergers Figur zeigt auch die charak
teristisch vertieft eingestochenen Augen, und ist auch auf
der Rückseite, wo kein Vorbild vorlag, ganz unge
zwungen und sorgfältig modelliert.
Im Jahre 1744 wurde die Wiener Fabrik in staat
liche Aufsicht übernommen. Das Rokoko drang in die
Stilisierung ein, an die Stelle der Barockmotive der Du
Paquierzcit treten nun die Kinderfiguren, die Putten, die
Jagden und die mythologischen Stoffe, ferner die ga
lanten Szenen und die Figuren nach französischen
Stichen. Die architektonischen Zieraten werden durch
naturalistische Gebilde ersetzt, so namentlich bei den
Deckelknäufen der Gefäße. Hier findet sich bei Weiß
berger aus der Periode vor Sorgenthal unter anderen ein
Jäger mit Hunde n, der eine sehr seltene Modelleur
marke aufweist, dann eine Dame mit Krinoline und ein
Herr. Ein sehr hübsches Stück aus der Zeit von etwa
1749 ist eine Potpourrivase, ein Räuchergefäß
für die damals beliebten wohlriechenden Mischungen.
Es ist als ein mit Rosenzweigen belegter Baumstamm
gebildet und zeigt als Deckel einen Fasan im Nest.
Die A e r a Sorgenthal, die glänzendste in der
Geschichte der Wiener Manufaktur, beginnt mit dem
Jahre 1784 und währt bis 1805. Zahlreiche Stücke aus
dieser Periode zieren auch die Weißbergersche Samm
lung. Im Jahre 1767 bestellte das Stift Zwettl in der
Wiener Fabrik einen großen, vielteiligen Tafelaufsatz,
der 1768 an den Abt Reiner I. Kolhnann geliefert wurde.
Der Aufsatz bestand aus einem neunteiligen Untersatz,
die Figuren, sämtlich aus unbemaltem Biskuit, standen auf
einer Spiegelglasplatte. Die schlanken zierlichen Ge
stalten sind mit ihren feinen Gliedern, den preziösen Be
wegungen und den sorgfältig frisierten, auf die Seite
geneigten Köpfchen und an der ganzen koketten Haltung
sofort kenntlich: Weißberger besitzt nun mehrere Fi
guren, die offenbar zu dem Z w e 111 e r Aufsatz ge
hörten und alle charakteristischen Eigenschaften des
selben aufweisen.
Von den anderen schönen Stücken der Altwiener
Sammlung können hier nur noch wenige hervorgehoben
werden. Außer zahlreichen entzückenden Tassen und
Tellern mit Reliefgold aus der Sorgenthalepoche, einem
kompletten Speiseservice etc., sei die effektvolle Gruppe
»Das Fußbad« erwähnt, die 1898 aus der berühmten
Kollektion H i r t h erworben wurde. Endlich enthält die
Sammlung noch aus der letzten Periode der Fabrik
mehrere Arbeiten, unter ihnen die köstliche Doppel
statuette des Kaisers Franz Josef und seiner Ge
mahlin als junges Ehepaar aus dem Jahre 1854.
Vizekonsul Weißberger hat sich nicht mit dem Sam
meln von Porzellanen allein begnügt. Freilich sind die
anderen Teile seiner Sammlung mehr gelegentliche Er
werbungen, die nur aus Freude über die Schönheit des
einzelnen Objektes ohne methodische Absicht dem Heim
dieses feinsinnigen Sammlers einverleibt wurden. Hieher
gehört eine Reihe ausgezeichneter Altwiener Minia
ture n, unter denen sich Namen wie 'Feer, Bergler,
Suchy etc. befinden. Auch durch die Darges + ellten sind
die Arbeiten interessant. Man findet den Herzog von
Danzig, Marschall Lefebvre, den Herzog von Reichstadt
in der Wiener Manufaktur nach Daffinger gemalt, mehr
mals den Kaiser Franz und andere. Unter den Gläser n
ist ein prachtvoller holländischer Pokal mit Ansichten
von Seelandschaften, die mit dem Diamant eingeritzt
sind. Unter den Bronzen seien mehrere gute Pla
ketten, die mit Exemplaren der Lannaschen Sammlung
übereinstimmen, hervorgehoben, sowie ein schöner
Kruzifixus, dessen Aehnlichkeit mit dem angeblich von
C e 11 i n i stammenden großen Kruzifixus im Eskurial
auffallend ist. Auch sehr wertvolle, namentlich englische