Nr. 6
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 89
Nottebohm und Dr. Eusebius Mandyczewsky
unbekannt geblieben ist, die ersten sechs Zeilen (Eig. 4).
Die mit den Adligaten 243 Nummern zählende Ab
teilung der Inkunabeln enthält einige besonders be
merkenswerte Seltenheiten. So zum Beispiel ein Exem
plar der 1. Ausgabe von Robertus Volturius »De re mili
tari ad Sigismundurn Pandulfum Malatestam«. Ed. P.
Ramusius. Veronae, Johannes de Verona, Nicolai rnedici
filius, 1472«. Es ist das erste in Italien hergestellte Holz
schnittbuch mit einem bestimmten Datum. Von den
82 prachtvollen, kunst- und kulturhistorisch gleich inter
essanten Holzschnitten, deren meisterhafte, lebensvolle
Zeichnung dem Veroneser Medailleur Matteo de Pastis
zugeschrieben wird, sei in Fig. 5 ein Muster gegeben. I
Vielleicht noch größeren Seltenheitswert besitzt die
erste, von W y n k y n d e W o r d 1 gedruckte Ausgabe
von »The Golden Legende« (Westmynstre 1498), die in
der Sammlung durch ein wunderbar erhaltenes Exem
plar vertreten ist. Von dieser Ausgabe scheint überhaupt
kein vollständiges Exemplar nachweisbar zu sein. So
wohl das Exemplar des British Museum als auch das der
Bodleian Library ist nach Proctor unvollständig, und
auch die Exemplare, die in den letzten Jahren auf den
Markt kamen, waren bei weitem unvollständiger und
schlechter, als das Exemplar dieser Sammlung.
Das Werk enthält 91 in Komposition und Zeichnung
gleich hervorragende Holzschnitte, von denen einer in
I Fig. 6 reproduziert ist.
Die Neuerwerbungen der kaiserl. Gemäldegalerie in Wien
Die Gemäldesammlung des Kunsthistorischen Hofmuseums
hat in der letzten Zeit nennenswerten Zuwachs erfahren. Die
fachkundige und von dankenswertem Eifer erfüllte Leitung der
Galerie ist bei ihren neuen Erwerbungen auch ein wenig vom
Finderglück begünstigt gewesen, das kein Sammler, sei es
nun ein privates oder ein öffentliches Institut, zu entbehren
vermag.
Ein schönes Damenbildnis stellt die Herzogin von Angou-
leme dar, Maria Theresia Charlotte, Tochter der Königin
Maria Antoinette. Die Malerei weist dem unbekannten Meister
seine Stelie etwa zwischen Füger und dem älteren Lampi an.
Von dem letzteren ist die Glätte, die vertriebene Art des Vor
trages, die Süßigkeit des Kolorits. Von Heinrich Füge r selbst
ist ein angefangenes Porträt eines Grafen Saurau zu sehen,
dem es sehr zum Vorteile gereicht, daß der Künstler es nicht
in seiner übertrieben schmeichelnden Manier fertigpinselte —
er würde ihm sicher alle Kraft und Frische, deren es sich jetzt
erfreuen darf, benommen haben, den Reiz des Pinselstriches,
der sich jetzt im Weiß der Halsbinde bekundet. Der Blick nach
aufwärts ist sehr charakteristisch für den Messias-Maler und
seine schwärmerische Zeit. Ein vollendetes Herrenbildnis von
Fügers Hand zeigt, was er anstrebte, und ist für seine Art sehr
charakteristisch. Schulbeispiel. Als Miniaturist war er viel
größer und stärker. Eine flotte Skizze von Gran für das
Brunner Landhaus zeigt die flotte Leichtigkeit des erfin
dungsreichen Barock-Malers, das biegsame Gelenk, aus dem
ohne Hemmnis die Gestalten herausspringen. Das ist alles nur
so hingeschrieben. Damals war auch in Oesterreich Tiepolos
Geist lebendig. Die Hebung im geistreichen Freskenstil fehlte
den Meistern nicht. Ernstere, strengere Frühkunst deutscher
Art ist das zur edlen Michael Pacher-Schule gehörige Tri
ptychon aus der Pfarkirche zu Uttenheim, dessen Erhaltung
geradezu außerordentlich ist. Es gibt nicht allzu viele Haupt
werke jener Schule und Zeit, die so frisch und unverbliiht bis
auf uns gekommen sind. Ein Jan Scorel. den Van Mander
erwähnt, ebenfalls tadellos und unberührt von Restaurierungs
angriffen, wurde von Dr. Gustav G1 ii c k im Wiener Doro
theum für die kaiserlichen Sammlungen erworben. Ebenfalls
zum Michael Pacher-Kreis gehörig ist eine religiöse Dar
stellung, deren Studium lohnend sein wird, weil Zusammen
hänge und Aufschlüsse mannigfaltiger Art sich erhellen
dürften. Der Kremser Schmidt stellt sich mit Entwürfen
vor: St. Stephan, St. Rochus, und von Luca Gio r da n o, dem
Fa presto, ist eine geradezu geniale Studie erworben worden,
in furiosem Stil heruntergefegt, mitten aus dem Vollen heräus-
geholt: »David vor der Bundeslade.« Fin reizender kleiner
August von P.ettcnkofen aus der Frühzeit des Meisters
etwa 1850 — hängt noch mit der Alt-Wiener Genreschule
eng zusammen. Das Schreibtisch-Stilleben links auf dem
Genreporträt des ungarischen Magnaten könnte von Josef
Danhauser gemalt sein (Klavierbauer Graf in der akademischen
Galerie!). Die Ausführung ist penibel, und nur im Pelz des
Mantels ist gelegentliche Pinselfreiheit. Zwei wunderfeine
silbertonige Francesco Guar di — interessantes Rokoko-
Venedig, geistreich staffiert — sind wahre Kostbarkeiten,
Galerie-Kleinodien. Ein englisches Frauenporträt des 18. Jahr
hunderts von großer Breite und Kraft ist — wohl nicht mit
Unrecht — William Hogarth zugeschrieben und seiner
starken, vollgriffigen Kunst (Crevetten-Mädchen, National-
Gallery) wohl würdig. Die es dem Sir Joshua Reynolds geben
wollen, haben von ihm vielleicht eine doch etwas allzu hohe
Meinung. So groß es ist dazu reicht es kaum aus. Ein
früher, kleiner Salonion van R u y s d a e 1 von 1627, mit Eis-
läufern reicht staffiert, ist eines seiner ersten Bilder - van
Goyen blickte ihm hei der Arbeit über die Schulter und noch
andere auch. Im Hintergründe taucht er selbst, auf. Eine Naclit-
landschaft von Lukas van U d e n geht ohne Aufregung eben
hin — die Figürchen von David Teniers d. J. sind das Beste
daran. Die Skizze zu M unkäesys Deekenbild mußte er
worben werden — sie gehört unbedingt mit ins Haus.
Chronik.
Ansichtskarten.
(Die neue Brom Silber-Konvention.) Aus
Leipzig wird uns unter dem 6. d. M. geschrieben: Nach
monatelangem heftigen Kampfe ist gestern hier eine neue Ver
einigung der deutschen und österreichischen Bromsilber-Fabri-
lcanten für den Hauptartikel Postkarten zustandegekommen,
dei neben den führenden Firmen N. P. G., Rotophot, F. A.
Schwerdtfeger & Co., A.-G., Berlin-Neuroder Kunstanstalten
A.-G.» sämtlich in Berlin, die Oesterreichisehe Photographische
Gesellschaft in Wien, Regel & Krug in Leipzig, Phototechemie,
G. m. b. H., Berlin. Albrecht & Meister A.-G., Berlin angehören.
Gegen die drei noch außen stehenden Firmen, von welchen nur
die Georg Ger lach & Co. A.-G. in Berlin einige Bedeutung
besitzt, sind scharfe Kampfmaßregeln beschlossen worden.