MAK
Nr. 7 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 101 
Der Verkauf der Bibliothek Stroehlin. 
Man schreibt uns aus Genf: 
Bibliophile und Bibliomane zugleich, hat der verstorbene 
Professor der Religionsgesehichte an der Universität Genf, 
Dr. Ernst Stroehlin, in seinem Genfer Heim im Laufe der 
Jahre eine Bibliothek aufgestapelt, die reich an Schätzen der 
modernen Literatur wie an Werken aus dem 16. bis 18. Jahr 
hundert und an Handschriften des 13. bis 15. war. Die Kost 
barkeit seiner Sammlung bestand jedoch nicht bloß in der 
Seltenheit der Werke (zum Beispiel umfaßte die moderne fran 
zösische Literatur eine Reihe längst vergriffener Luxus- und 
Originalausgaben), sondern auch darin, daß Stroehlin jedes 
Buch, mochte es selten oder weniger bedeutend sein, mit den 
luxuriösesten Einbänden versehen ließ, für die ihm kein Preis 
zu hoch war. Die abwechslungsreiche Schönheit, die ge 
schmackvolle Ausführung der Einbände, die der verstorbene 
Genfer Buchbinder Haus A s p e r mit seltener Kunstfertig 
keit hergestellt, läßt sich nicht beschreiben. Als der erste Teil 
der »Bibliothek Stroehlin« vor zwei Jahren in Genf öffentlich 
versteigert wurde, erregten einzelne Einbände allgemein Be 
wunderung, und die Werke wanderten von Hand zu Hand, mit 
liebevollen Blicken von den Bibliophilen betrachtet. Die fabel 
haften Preise, welche damals für die Bücher gezahlt wurden, 
sind allerdings für ihren Wert nicht ganz maßgebend, da ein 
Teil der Bibliothek von den Erben zu jedem Preise zurückge 
kauft wurde, man also auf diese Weise eine künstliche und 
falsche Preissteigerung erzielte. 
Die unstreitig bedeutendere zweite und dritte Abteilung 
der Bibliothek gelangte dieser Tage in Paris durch die Firma 
Paul et Fils et Guillemin im Hotel Druot und im Maison Sil- 
vestre zur Versteigerung. Diese zweite und dritte Abteilung 
umfaßte kostbare Manuskripte aus dem 13. bis 15. Jahrhundert, 
seltene Originalausgaben, illustrierte Werke, Stammbücher, 
Werke aus dem 16. bis 18. Jahrhundert u. a. m. Den Grund 
stock dieser Bibliothek bildete neben Werken und Handschrif 
ten, die Stroehlin von Henri Bordier, seinem Schwieger 
vater erhalten hatte, vor allem die Sammlung, welche er en 
bloc von dem bekannten Bibliophilen Adolphe Gaiffe er 
warb, dem würdigen Zeitgenossen der de la Roche la Carelle, 
de Ligucrolles, de Ruble, Villeneuve. Diese Sammlung, das 
sogenannte »Cabinet Gaiffe«, ist hauptsächlich reich an Schrif 
ten der französischen Reformatoren sowie an historischen und 
satirischen Broschüren des 16. Jahrhunderts. Auch diese Werke 
sind in prachtvolle antike und moderne Einbände gebunden, 
aus den Werkstätten von Trautz-Bauzonnet, Duru, Thibaron, 
Cuzin hervorgegangen. 
Der reich illustrierte Katalog des zweiten und dritten 
Teiles umfaßt etwa 2800 Nummern mit 150 für den Biblio 
graphen äußerst wichtigen erläuternden Noten, die aus der 
Feder des früheren Direktors der Genfer Stadt- und Universi 
tätsbibliothek, des bekannten Rousseau-Forschers Theophile 
Dufour stammen, der zugleich einer der besten Kenner der 
Schriften ist, welche auf die Reformation in den französischen 
Ländern Bezug haben. 
Unter diesen Werken zählen wir sogenannte »Genfer 
Raritäten« ersten Ranges aus den Offizinen Genfer Drucker, 
wie Wigand, Koeln, Jean Belot, Michel du Bois, Jean Crespin, 
Jacques Chouet, Samuel de Tournes u. a. Es lag im Interesse 
der hiesigen Bibliothek, diese Seltenheiten dem Lande zu 
sichern, und dank eines Fonds von 20.000 Fr., der durch frei 
willige Subskription zustande gekommen, und einer Subven 
tion vonseiten des Bundesrates im Betrage von 15.000 Fr. 
konnten die meisten davon für die Bibliothek angekauft wer 
den. Darunter befinden sich u. a. ein in lateinischer Sprache 
im Jahre 1487 von dem Notar Bagnyon auf Veranlassung 
der Genfer Magistratsbehörden redigiertes Memoire über ge 
wisse Freiheiten und Zollbefreiungen der Genfer gegenüber 
den Ansprüchen der Herzoge von Savoyen (410 Fr.), der 1481 
gedruckte Tractatulus de arte predicandi nach Thomas von 
Aquino (750 Fr.), der Sermon de Saint Berhard, gegen 1495 
gedruckt (700 Fr.), die Doctrine et Institutions des chretiens 
et chretiennes aus dem Jahre 1532, ein seltenes Schulbuch, 
das . vor der Reformation in Genf benützt wurde (1400 Fr.), 
eine Reihe von Abhandlungen über die Reformation, welche 
in Genf in den Jahren 1539 bis 1543 erschienen sind, und von 
denen man außerdem nur noch ein bis zwei Exemplare kennt. 
Die Genfer Sammlung von Werken der Reformatoren konnte 
überhaupt durch den Ankauf vervollständigt werden. So wur 
den verschiedene der sonst unauffindbaren Schriften von 
Farel aus den Jahren 1534 bis 1553 (2980 Fr.), mehrere Werke 
von Calvin, darunter das einzig bekannte Exemplar der Con- 
fessions de la foy 1537 (1600 Fr.), ferner verschiedene Aus 
gaben von Viret, Beze, Zwingli u. a. m. erworben. Da auch 
das Genfer Reformationsmuseuni sowie die Bibliothek in 
Neuchätel namhafte Ankäufe gemacht haben, so ist wenig 
stens ein Teil der »Sammlung Stroehlin«, beziehungsweise des 
berühmten »Cabinet Gaiffe« dem Lande erhalten geblieben. 
Andere Raritäten, wie das Album amicorum von Jean Durant 
(3000 Fr.), das über hundert Autographen von Theodore Beze, 
de la Faye, Denis Godcfroy, Gouiart u. a. enthält, das Manuele 
ad usum Lausannensem aus dem Jahre 1500 (2000 Fr.) gingen 
in fremde Hände über. 
Was die Preise anbetrifft, welche sonst auf der Ver 
steigerung erzielt wurden, so brachten, um noch einige Bücher 
zu erwähnen, Luthers französische Uebersetzung des kleinen 
Katechismus 500 Fr., Calvins Institution chrctienne (aus dem 
Jahre 1541) 2100, Dürers Leben der Jungfrau, eine Folge von 
19 Holzschnitten, 1150, seine Passio Christi (36 Holzschnitte, 
datiert 1510) 3650, die Lyoner Ausgabe aus dem Jahre 1542 
der Werke von Clement Marot wurde mit 1380 Fr. bezahlt, 
der Heptameron des Nouvelles der Prinzessin Margarete von 
Valois mit 1650. Hohe Preise erzielten auch wegen ihrer kost 
baren alten Einbände eine lateinische in Lyon 1542/43 ge 
druckte Bibel 3600 Fr., ein Psalter (Genf 1581) 1505, die dritte 
Ausgabe von Calvins Institutions chretiennes in prachtvollen] 
Einband aus dem 16. Jahrhundert brachte 1905 Fr. 
Die Totaleinnahme für die zweite Abteilung der Bibliothek 
Stroehlin erreichte etwas über 150.000 Fr., bescheidenere 
Preise wurden bei der Versteigerung der dritten Abteilung 
bezahlt. F. 
Künstler-Nachlässe. 
Von Kurt Münzer (Berlin). 
Berlin, noch vor zehn Jahren das Mitleid, der Spott I Längst als L'iihrerin der modernen Entwicklung ange- 
des Auslandes, ist gleichsam mit einem Schlage zur | sehen, gab es nur ein Gebiet, auf dem ihm etwa London 
Weltstadt geworden. Lieber Nacht verwandelte es sich j und Paris überlegen war, der Kunsthandel. Die bilden 
in eine Zentrale des Lebens, der Industrie, der Künste. I den Künste fanden in Berlin wohl ihre Museen.
	        
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