MAK
Seite 114 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 8 
»Aus dir wird nix!« An der Vorderseite der Regale, auf 
denen das Gesamtwerk von Strauß in ersten Aus 
gaben aufgestellt ist, ist ein schmales Blättchen geheftet, 
das in wenigen Zeilen den ersten Versuch einer Kompo 
sition von Strauß enthält. Die Notenköpfe zeigen schon die 
Eigentümlichkeiten der Straußschen Schrift, wie sie in 
den irti Manuskript erhaltenen Partituren sich uns dar 
bietet. Diese sind in ihren Korrekturen und Einschaltungen 
charakteristisch für seine Arbeitsweise und sind von 
intimstem persönlichen Reiz. Da sind mit Bleistift aller 
hand Unterweisungen und humoristische Bemerkungen 
an die Dirigenten an den Rand hingeschrieben, ebenso 
humorvolle Grüße an Simon, dem er das eine und andere 
Manuskript dedizierte, so als wertvollstes »Eine Nacht in 
Venedig«. 
Zwei Raritäten sind besonders bemerkenswert. Sie 
zeigen den jugendlichen Brausekopf als Komponisten re 
volutionärer Melodien. In Wien beginnt es zu gären 
und auch der junge Musiker wird von der allgemeinen 
Stimmung der Zeit erfaßt. Er komponiert einen Re 
volutionsmarsch und ein Studentenlied, dessen Titel- 
Illustrationen dem Zensor schon verdächtig erscheinen. 
Die beiden Arbeiten werden inhibiert und eingestampft, 
so daß Strauß selbst nicht ein einziges Exemplar behält. 
Simon hat sie noch ausfindig zu machen vermocht und 
hat sie seiner Sammlung als interessante Beiträge zur 
Biographie des Meisters eingereiht. 
Zu den interessantesten Raritäten gehören auch die 
gemeinsamen Kompositionen von Johann und Josef 
Strauß, vor allem aber eine Lithographie, die Strauß 
sen. und jun. an der Spitze zweier Regimentskapellen 
vor dem Kriegsministerium vorbeiziehend zeigt. Es ist 
um die .Zeit nach 1848, wo das Verhältnis zwischen 
Vater und Sohn noch ein sehr wenig freundliches war. 
Hier erscheinen sie wie im zwei feindliche Lager ge 
trennt, wie Symbole einer alten und neuen Zeit. Ich ent 
falte ein etwas vergilbtes Blatt: es ist ein Oktober 1844 
datierter Vertrag von Strauß mit seinen Orchester 
mitgliedern. Er ist das erstemal Dirigent einer Musik 
kapelle, die im Hietzinger Kasino sich produziert. Der 
Vertrag ist von vierundvierzig Musikern unterzeichnet. 
Auf mehrfachen Blättern sehen wir Strauß hier und im 
Volksgarten den Dirigentenstab schwingen. Unter den 
Photographien fällt mir dann das markant geprägte Profil 
eines Mannes auf, eines musikalischen Hochstaplers, der 
im Elsaß als Johann Strauß auftrat und als solcher Sen 
sation erregte, bis er entlarvt wurde. Gill hieß dieser 
Mann, der seine Rolle mit großer Geschicklichkeit 
spielte. Ich halte ein ungedrucktes und unveröffentlichtes 
Manuskript in der Hand: einer, zweiten Csardas zur 
»Fledermaus«, der für die Renard bestimmt war, aber 
aus irgend einem Grunde von ihr nicht gesungen wurde. 
Das Notenblatt schlummerte lauge im Archiv der Hof 
oper und cs gehört zu den posthumen Werken von 
Strauß. Unter den vielen Theaterzetteln zu Straußauf 
führungen interessiert mich einer, der in diesem einzigen 
Exemplar noch vorhanden ist und die Premiere von 
»Tausend und eine Nacht« verzeichnet. Achtzehn aus 
ländische Orden für Strauß, die nicht zurückgestellt 
werden mußten, w'erden mir gezeigt, eine Anzahl von 
Medaillen und Büsten, die zu verschiedenen Gelegen 
heiten und Jubiläen angefertigt wurde. Zahlreiche 
Strauß-Karikaturen und viele Rollenbilder aus Strauß 
schen Operetten erinnern an längst verrauschte Fest 
tage heiterer Kunst und bringen uns die G eist in g er. 
den jungen Girardi und viele andere Wiener Kory 
phäen der klassischen Operette näher, nahe Vergangen 
heit und schon ferne. 
In die intimsten Dokumente bleibt uns der Einblick 
jedoch verschlossen: in die umfangreiche Mappe von 
Briefen von und an Strauß, letztere von seinen berühm 
testen Zeitgenossen und Freunden herrührend. Viele der 
Briefschreiber weilen noch unter den Lebenden und die 
Diskretion verbietet noch die Veröffentlichung. Und noch 
ein Letztes entzieht sich unserer Kenntnis: das, was die 
Erinnerung dieses Sammlers an persönliche Erlebnisse 
mit Strauß bewahrt. Mehr als die Stücke, die er ange 
häuft, könnte er ia selbst über das Wesen des Freundes 
aussagen, den Schlüssel zum Innersten des Menschen 
Strauß uns bieten. 
Josef Simons Heim in der Schottengasse gibt den 
stimmungsvollsten, ergänzenden Rahmen zu diesem 
privaten Archiv. Die Bildersammlung, die ältere und 
neuere Wiener Malerei neben sonstigen Köstlichkeiten 
in erlesenen Werken uns vorführt, verdiente eine be 
sondere Würdigung. Mehrere der Bilder und Blätter sind 
wie Illustrationen zum einstigen Wiener Kunst- und 
Theaterleben. Da ist irrt Original ein Titelblatt zu den Wer 
ken Haydns von Hermann K a u 1 b a c h, der junge 
Lanner von Kuppelwiese r, Lanner während einer 
Probe von T r e m 1, der erste Entwurf zum Zauberflöte- 
Vorhang von Schilcher, das Theater an der Wien in 
mehrfachen Wiedergaben. Ein Bild von Franz Gaul 
zeigt uns Saphir am Vorlesetisch. 
Die Besichtigung dieser Sammlung wird mir zu 
einem Erlebnis, zu einem Gang durch eine vergangene 
Zeit mit einem Leben von geringerer Erdenschwere, 
von süßen Liedern und Melodien umrauscht. 
Die Frau als Sammlerin. 
Aus'Berlin wird uns geschrieben: 
Eine Gruppe in der Ausstellung »Die Frau iri Haus und 
Beruf« in Berlin zeigte die Frau als Sammlerin. In schönen 
Vitrinen hatten in der Empfangshalle eine Anzahl bekannter 
Sammlerinnen unserer Zeit ein Teil ihrer Schätze den Augen 
des Publikums preisgegeben. 
Die Einleitung zu der Gruppe int Katalog schrieb Frau 
Anna Michaelson-Jessen, die die Frau als Sammlerin 
in folgender Weise charakterisierte: »In der Tätigkeit der 
Frau als Sammlerin kommt keine berufsmäßige Arbeit zum 
Ausdruck. Es sind auch keine gemeinnützigen Impulse am 
Werk, in überwiegendem Maße handelt es sich nur um eine 
feinsinnige Liebhaberbeschäftigung.« 
Und auf die Frage, welchen Kulturwert das verständnis 
volle Sammeln hat, antwortet Anna Michaelson-Jessen, »daß 
es ein Mehrer der Glückswerte des Lebens und ein Förderei 
der Kunst und Wissenschaft sein kann.« Tn hohen Kulturphasen 
der Weltgeschichte haben hervorragende Frauen das Sammeln 
ausgeübt, und sie nennt Eleonora Gonzaga und Isabella 
d'E s t e, die großen Frauen der Renaissancezeit, voll Be 
wunderung. Später sammelte Amalie Dietrich botanische 
und zoologische Kollektionen für die Stadt Hamburg. Die 
Kaiserin Friedrich war eine Sammlerin voll Zielbewußt 
sein und regem Eifer. Frieda v. Lipperheide brachte syste 
matisch die vollkommensten Textilsammlungen zustande, und 
das gesamte vaterländische Altertumsmuseum in Kiel ist die 
Schöpfung einer Frau, des Fräuleins Johanna Mestorf.
	        
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